Sonntag, 30. Dezember 2012

Volker Kutscher "Der stumme Tod"


Im zweiten Band der Krimireihe von Volker Kutscher trifft Gereon Rath auf einen alten Bekannten aus dem ersten Band, den Filmproduzenten Oppenberg. Rath muss in seinem neuen Fall in Berlin rund um das Milieu des neu entstehenden Tonfilms ermitteln, nachdem eine Schauspielerin von einem Scheinwerfer erschlagen wurde. Ein Unfall scheint dies jedoch nicht gewesen zu sein, vielmehr steckte Sabotage hinter dem Anschlag auf die Schauspielerin zu stecken. Doch mit seinen eigenmächtigen Ermittlungsmethoden macht sich Rath auch dieses Mal keine Freunde.
Wie im ersten Band auch glänzt das Werk von Volker Kutscher durch detaillierte Beschreibungen des Berlins der 30er Jahre und großartige Rechercheleistung. Selten war ein historischer Roman so glaubwürdig und realistisch geschrieben und die Figuren gleichzeitig so interessant und schillernd in allen Facetten. Mit Gereon Rath ist dem Autor eine Figur gelungen, die durch seine Probleme und eigenwilligen Methoden sicher noch Grundlage für zahlreiche Krimis sein kann, ebenso seine Kollegen am Alex in der Mordinspektion. Das Zusammenspiel der Charaktere sorgt dafür, dass die Geschichte auf keiner Seite langweilig wird.
Neben der eigentlichen Krimihandlung gelingt Kutscher dabei eine großartige Beschreibung einer spannenden Epoche, der Wechsel vom Stummfilm zum Tonfilm mit den Herausforderungen für Schauspieler und Produzenten wird von ihm eindrucksvoll und glaubwürdig beschrieben. Stellenweise fühlte ich mich ein wenig an den Film „The Artist“ erinnert, der mit zahlreichen Oscars ausgezeichnet wurde.
Wie schon der erste Band ist auch „Der stumme Tod“ uneingeschränkt zu empfehlen.

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Steve Watson "Ich. Darf. Nicht. Schlafen."


Jeden morgen aufzuwachen ohne zu wissen, wer man ist oder wo man ist - eine schlimmere Vorstellung gibt es wohl kaum. Der Mann neben einem im Bett ist fremd, das Gesicht im Spiegel um Jahre älter als erwartet und jeden Tag aufs neue muss einem jemand die eigene Lebensgeschichte erzählen. Genau das passiert Christine in „Ich. Darf. Nicht. Schlafen“. Durch jede Nacht Schlaf verliert sie ihr Gedächtnis. Doch mit viel Arbeit und der Hilfe eines Arztes beginnt sie, sich bruchstückhaft an Dinge zu erinnern. 
Was auf den ersten Blick klingt wie ein Roman über das Leiden einer Frau, ist in Wahrheit ein haarsträubender und packender Thriller. Wenn man niemanden in seinem Umfeld kennt, wem kann man dann trauen? Wer sagt einem die Wahrheit und wenn jemand lügt, warum? Je mehr Erinnerungen zurückkommen, desto klarer wird, dass irgendetwas nicht stimmen kann in Christines Leben. Doch wer oder was ist der Grund dafür? Die ganze Geschichte wird durch aus der Sicht von Christine erzählt, durch ein Tagebuch, das sie führt und jeden Tag neu lesen muss, um sich zu erinnern. Ihr Blick auf die Welt ist verzweifelt und menschlich. Man leidet mit ihr und zweifelt mit ihr, ständig schleicht sich einer neuer Verdacht zwischen die Zeilen und lässt einen innehalten. Gleichzeitig bleibt die Frage, ob mit ihrer Krankheit nicht schlicht und einfach eine ausgeprägte Paranoia einhergeht und sie sich alles nur einbildet. Der Autor erzählt eindringlich und lebensnah, für den Leser ist Christine kein Forschungsprojekt sondern wird sehr schnell zu einer Person, die man schützen möchte. Eindringlich erzählt erlebt man mit, wie Christine an ihre Grenzen kommt und darin schwankt, einfach aufzugeben und sich in ihr Schicksal, immer nur einen Tag zu haben um sich kennen zu lernen, zu ergeben. 
Es ist das Buch einer starken Frau in einer unglaublich spannenden Geschichte. Auch wenn die klassischen Elemente des Thrillers vielleicht fehlen, wenn es keine Leichen gibt und kein Blut fließt, kann man es gar nicht erwarten, eine Seite umzublättern und zu wissen, wie es weitergeht. Die Spannung ist hier viel subtiler angelegt und schwelt ständig unter der Oberfläche der Geschichte. Das latente Wissen, dass irgendwas etwas nicht stimmt, ist die ganze Zeit da, doch was es ist, kann weder Christine noch der Leser so richtig benennen.
 Wer noch schnell ein Geschenk für Weihnachten braucht oder sich selbst eine Freude machen will, dem kann ich diesen Thriller nur ans Herz legen! 

Montag, 17. Dezember 2012

Anne Delaflotte "Mathilde und der Duft der Bücher"


Mathilde macht sich in kleinem Ort in Frankreich als Buchbinderin selbstständig, nachdem ihr Großvater gestorben ist und ihr sein Werkzeug hinterlassen hat. Statt Diplomatin in Paris wird sie nun Buchbinderin in einem kleinen Dorf und muss sich mit den Dorfleuten arrangieren. Als ein Fremder ihr ein altes Buch zum Restaurieren bringt und kurz danach zu Tode kommt, wird sie in die Geschichte des Unbekannten reingezogen. Zunächst weiß keiner, wer er war und woher er kam. Was hat es mit dem Fremden und seinem wunderschönen alten Buch auf sich? Und wer soll das schön erneuerte Buch jetzt überhaupt bekommen, wo der Besitzer tot ist?
Das Buch klang für mich als Leseratte und Buchliebhaberin auf den ersten Blick einfach perfekt, denn auch Mathilde liebt Bücher über alles. Die Geschichte und ihre Idee ist an sich auch sehr schön und nett geschrieben, leider wird das große Geheimnis, was hinter allem steht bereits auf dem Klappentext gelöst, so dass bin schon bis zur letzten Seite weiß, warum Mathilde die Probleme hat, die sich ihr in den Weg stellen. Was ich als Einstieg zur Geschichte erwartet hatte, auf dem alles weitere aufbaut, entpuppt sich nach 200 Seiten als die Lösung des ganzen Konstrukts. Spannung war daher überhaupt nicht vorhanden, eher etwas Ärger über den Verlag, der die Geschichte schon auf dem Buchrücken aufgelöst hat.
Auch sonst hatte die Geschichte viel Potenzial, doch viele Fäden wurden nicht konsequent weitergesponnen und gute Ideen für Nebengeschichten verliefen einfach im Sand und wurden nicht wieder aufgenommen. Das Ende war dann auch eher zu erwarten und bot keine Überraschung. Ganz nett, aber spannungslos und fast langweilig. 

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Eoin McNamee "Requiem"


Irland Anfang der sechziger Jahre: Ein Mord geschieht und der Täter steht eigentlich schon fest, bevor die Ermittlungen begonnen haben. Alles passt so gut zusammen, der junge Mann, der mit der Ermordeten bei einem Tanzfest eng getanzt haben soll, obwohl sie es nicht wollte. Ein Mord aus verschmähten Gefühlen, ganz klar. Eine ganze Stadt macht es sich einfach, nachdem die junge Frau nackt und tot auf einem Feld aufgefunden wird. Der Chef der Ermittlungen, der gerade erst aus London nach Irland gekommen ist, kommt keine Schritt weiter, da alle seine Ermittlungsversuche sofort blockiert werden. Doch kann man einen Mann hängen lassen, einfach weil eine ganze Stadt beschließt, dass er der Täter ist?
Der Roman „Requiem“ unterscheidet sich besonders durch seinen Stil von all den Romanen und Thrillern, die sich auf dem Buchmarkt tummeln. Nüchtern und klar, wie in einem Dokument beschreibt Eoin McNamee die Geschehnisse. Teilweise scheint man direkt in der Polizeiakte zu lesen, so distanziert und kühl wird die Handlung erzählt. Das Buch ist kein Thriller oder Krimi im klassischen Sinne, es ist eher ein politisches Buch um die Verstrickungen der Polizei mit alle Gesellschaftsteilen und die Todesstrafe als ultimatives Mordurteil in der Politik.
Die Geschichte hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, besonders durch die Eigenarten im Stil des Autors und die bewegende Handlung, die einen nicht unberührt lassen kann. Und die Unsicherheit, die bis zum Schluss bleibt - kann man sich jemals so sicher sein, dass man jemandem unumkehrbar zum Tode verurteilt?