Mittwoch, 24. Juli 2013

Annie Sanders "Mister Mädchen für alles"


Alex ist eine viel beschäftigte Managerin bei einem Sportartikelhersteller und schafft es allein schon kaum, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Zum Einkaufen kommt sie selten bis nie und eine vernünftige Mahlzeit bekommt sie eigentlich nur, wenn ihre gute Freundin Saff - selbst leidenschaftliche Hausfrau und Mutter- sie zum Essen einlädt. Doch als Alex‘ Mutter stürzt und mit gebrochenem Arm bei ihr zu Hause einzieht, gibt es nur noch eine Lösung- eine Haushälterin muss her. Alex stellt die junge Ella ein - ohne zu wissen, dass eigentlich deren Bruder den Job schmeißt, während Alex bei der Arbeit ist.
Annie Sanders hat schon bei „Gucci und Gummistiefel“ mit leichter Unterhaltung geglänzt und ebenso gelungen ist nun auch „Mister Mädchen für alles“. Locker, fröhlich und unkompliziert und damit perfekt für einen warmen Sommertag auf dem Balkon mit einem kalten Getränk neben sich und der Sonnenbrille auf der Nase. Die Geschichte ist sehr gradlinig geschrieben und geht ohne große Umwege voran, man ahnt zwar schnell, wie sich am Ende alles auflösen wird, dennoch bleiben ein paar Überraschungen, die die Autorin für ihre Leserinnen bereithält. Die Charaktere sind dabei durchweg sympathisch und ziehen einen schnell in die Geschichte, so dass man mit ihnen leidet und lacht, je nachdem, was Annie Sanders sich als Herausforderung für sie ausgedacht hat. 
Alles in allem die perfekte leichte Lektüre mit ein bisschen Liebe und viel Spaß. 

Donnerstag, 18. Juli 2013

Julian Barnes "Vom Ende einer Geschichte"


In „Vom Ende einer Geschichte“ erinnert sich Tony an sein Leben, seine Jugendzeit mit seinen Freunden, seine erste Liebe und einen Freund, der sich immer von den anderen abgehoben hatte, nämlich Adrian. Gemeinsam waren sie zur Schule gegangen, später trennten sich ihre Wege, als sie an unterschiedlichen Colleges studierten. Als Adrian mit Tonys erster Freundin eine Beziehung anfängt, bricht die Freundschaft ab. Tony heiratet, bekommt eine Tochter und lebt trotz späterer Scheidung ein glückliches und ruhiges Leben. Bis plötzlich der Brief eines Anwalts auftaucht und er das Tagebuch seines Jugendfreundes erben soll. 
Julian Barnes beschreibt die Erinnerungen von Tony Webster ebenso eindringlich wie die Selbsttäuschung, der der Protagonist aufsitzt. Konfrontiert mit den Charakteren seiner Vergangenheit und ihrer Version seiner Lebensgeschichte wird ihm klar, wie subjektiv er seine Erinnerung verklärt und sich selbst ins richtige, weil schönere Licht gerückt hat. Ein alter Brief, den er damals geschrieben hat, zeigt ihm, wie unbarmherzig er doch mit anderen Menschen ins Gericht gegangen ist, ohne sich selbst kritisch zu hinterfragen und eigene Fehler einzugestehen. Die Geschichte um Tony und sein Leben nimmt einen mit auf eine Reise, die einen auch selbst hinterfragt. Denn jeder speichert seine Erinnerungen subjektiv ab, doch inwieweit verfälschen wir die Tatsachen dabei wirklich? Handelt es sich wirklich nur um Schönheitskorrekturen oder lügen wir uns an einigen Stellen nicht sogar unseren ganzen Lebensentwurf schön? Tony muss sich plötzlich mit diesen Fragen auseinandersetzen, an einem Punkt seines Lebens, an dem er eigentlich keine Abzweigungen oder Aufregungen mehr erwartet hatte. 
All dies erzählt Julian Barnes mit einer Leichtigkeit, die einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt. Zu sehr will man wissen, was wirklich hinter dem Ende von Adrians und Tonys Freundschaft steckt, zu spannend ist die Frage, welche Rolle eine Frau dabei wirklich gespielt hat - und vor allem welche Frau. Die ganze Geschichte basiert auf den fein gestrickten Charakteren, die sich aneinander reiben, sobald sie aufeinander treffen. Dabei geht es auch um Menschen, die gerade deshalb Probleme haben obwohl sie eigentlich belanglos nebeneinander leben, ohne Konflikte auszutragen. 
"Vom Ende einer Geschichte“ ist ein wunderbares nachdenkliches Buch, dass Fragen aufwirft, die sich auch der Leser stellen sollte. Für Tony lautet die wichtigste Frage „Wie war eigentlich mein Leben?“, denn seine Erinnerung scheint ihm einige -beschönigende- Streiche zu spielen. 

Donnerstag, 11. Juli 2013

Jörg Maurer "Föhnlage"


Ein klassisches Klavierkonzert in einem beschaulichen bayrischen Kurort, da rechnet doch niemand mit etwas Bösem, schon gar nicht mit Leichen! Doch plötzlich fällt ein Mann durch die marode Decke des Konzerthauses und erschlägt dabei noch einen Zuschauer, der dem Piano lauscht. Nach einigem Chaos rückt die Kriminalpolizei an. Kommissar Jennerwein und sein Team müssen herausfinden, was es mit diesen seltsamen Todesfällen auf sich hat. 
Mit „Föhnlage“ veröffentlichte Jörg Maurer den ersten Krimi rund um das Team von Kommissar Jennerwein und schafft damit fast ein eigenes Genre, eine Art bayrischer Klüngel-Comedy-Krimi. Das ganze Ambiente ist so klischeebeladen bayrisch, dass man dem Autor nicht glauben kann, dass er dies ohne ironischen Seitenblick geschrieben hat. Zwar gibt es eine durchaus solide Kriminalhandlung, diese kann aber an viele hochklassige Krimis nicht heranreichen. Doch durch den ironisch-humoristischen Stil von Jörg Maurer wirkt dies nicht störend, sondern unterstützt eher das Schmunzeln, dass einem die ganze Zeit im Mundwinkel steckt, während die Kommissare durch die bayrische Provinz stapfen und zum zünftigen Abschluss sogar gemeinsam Bergwandern - für die Städter verständlicherweise eine erbauliche Abwechslung. 
Jörg Maurers Erstlingskrimi hat mir sehr gut gefallen, wenn auch vielleicht nicht als Krimi sondern eher komischer Blick auf das dörfliche Leben und die vertretenen Stereotypen. Die reinsten Mafiamethoden kommen ans Licht, während die Polizei ermittelt, was für einen hübschen Kurort in Süddeutschland doch etwas kurios wirkt. „Föhnlage“ ist als kurzweilige Unterhaltung absolut empfehlenswert. 

Freitag, 5. Juli 2013

Ursula Poznanski "Fünf"


Die Kommissare Beatrice Kaspary und Florin Wenninger haben schon einiges gesehen, doch eine Leiche, der jemand Koordinaten in die Fußsohlen tätowiert hat, ist auch für sie neu. Als sie die Koordinaten erreichen, finden sie dort Körperteile von einer anderen Leiche und eine Nachricht. Der Mörder beginnt ein perfides Spiel und treibt die Ermittler wie beim Geocaching, einer Art Schatzsuche nach Koordinaten durch das Salzburger Land. Doch er scheint es nicht nur auf Unbekannte abgesehen zu haben, die Ermittlerin Beatrice Kaspary nimmt er persönlich ins Visier. Es wird klar, dass er mehr über sie und ihre Geschichte weiß, als sie den meisten Menschen jemals über sich preisgeben würde.
Dabei entwickelt die Autorin Ursula Poznanski nicht nur ein außerordentlich sympathisches Ermittlerteam rund um die von privaten Problemen geplagte Beatrice Kaspary, sondern eine spannende Jagd auf einen psychisch anscheinend völlig gestörten Mörder. Das private Umfeld der Ermittler spielt zwar eine Rolle, wird aber nicht lange breit getreten, sondern eher am Rande eingestreut. Die Spannung entsteht besonders dadurch, dass die Erzählposition nicht wechselt, sondern konstant aus Sicht der Kommissarin Kaspary erzählt wird. Der Leser ist den Ermittlern dadurch nie voraus oder beginnt etwa durch eingeschobene Episoden aus Sicht des Mörders auf anderer Grundlage zu rätseln als die Polizei. Dies führt dazu, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann, mit Gruseln erwartet man den „Cache“, den nächsten Fund, den der Täter versteckt hat, das nächste Opfer, dass das ganze Bild nur verwirrender zu machen scheint. Lange tappen Leser und Ermittler im Dunkeln, weil sich keine Struktur einstellen will, welche Verbindung die Opfer haben. Die Auflösung am Ende ist genauso grausam wie logisch, ein großes Lob an die Autorin für die Konstruktion dieses Thrillers. 
Ursula Poznanskis erster Thriller „Fünf“ ist das beste, was ich seit langem gelesen habe! 

Donnerstag, 4. Juli 2013

Christian v. Ditfurth "Schatten des Wahns"


Der bereits bekannte Historiker Dr. Josef Maria Stachelmann ermittelt wieder einmal auf eigene Faust. Sein Freund aus Studien- und Revolutionstagen in Heidelberg, Ossi Winter, soll sich mit einem neuen Insulinspray und Schmerzmitteln umgebracht haben. Doch Stachelmann kann das nicht glauben, sein Freund war niemand, der sich selbst das Leben nehmen würde. Neben der Leiche lagen Ausschnitte aus ihrer Zeit in Heidelberg, bei Demos und Streiks, und der Bericht über einen Mord, der damals nicht aufgeklärt werden konnte. Also vermutet Stachelmann Ossis Mörder in diesem Umfeld und reist nach Heidelberg- und damit auch in seine eigene Vergangenheit. 
Selten erschien einem als Leser der Historiker Stachelmann so verdreht und auf Abwegen wie „Schatten des Wahns“. Diesem Wahn scheint er selber aufgesessen, so viele Hinweise sprechen dafür, dass er einfach falsch liegt mit seinen Ermittlungen. Dass er von der Polizei nicht ernst genommen wird, ist er inzwischen gewohnt, doch dieses mal kann ihn auch der Leser kaum ernst nehmen. Liiert mit einer Kollegin, fängt er etwas mit der Freundin des toten Freundes an, um dann einer Italienerin hinterher zu weinen, die er nur kurz kennen lernt. In diesem Band wirkt Stachelmann realitätsferner und verweichlichter als je zuvor. Geplagt von der Habilitation (die auch in Band drei immer noch nicht fertig ist) und seiner Arthritis stolpert er durchs Leben. Anrechnen muss dem Autor Christian v. Ditfurth bei dieser wirren Konstruktion jedoch, dass dem Protagonisten die Absurdität seines Handelns immer wieder bewusst wird, ohne dass er jedoch versucht, daraus auszubrechen. Eine richtige Krimi-Spannung will hier nicht aufkommen, so sehr steht Stachelmann im Fokus und nicht die Mordermittlung. Dies liegt sicher auch daran, dass er mit Ossis Vergangenheit auch seine eigene wieder ausgräbt. Der Schluss ist dann doch noch sehr gut gelungen, wenn vielleicht auch etwas knapp, und entschädigt für vorhergehende Wirrheiten des Herrn Doktor auf der Mörderjagd. 
Christian v. Ditfurth hat mit „Schatten des Wahns“ ein solides Stück Literatur abgeliefert, ohne so stark zu überzeugen wie in den ersten beiden Büchern. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht kontinuierlich bergab geht mit Stachelmann- und dass im vierten Band seine Habilitationsschrift endlich fertig hat! 

Dienstag, 2. Juli 2013

Adrian McKinty "Der katholische Bulle"

Sergeant Duffy wird mitten in das Gebiet der nordirischen Unruhen im Jahr 1981 versetzt und muss ich gleich mit einem ungewöhnlichen Fall rumschlagen. Statt im politischen Umfeld zu ermitteln, muss er einen Serienmörder suchen, der es auf Schwule abgesehen hat. Er hinterlässt den Ermittlern subtile Hinweise auf Postkarten und Notenblättern. Diese scheinen jedoch nicht zum Täter zu führen, sondern immer weiter weg. Sergeant Duffy steht unter Druck, denn in seinem ersten Fall will er auf keinen Fall versagen.
„Der katholische Bulle“ spielt rund um das Milieu der Kämpfe in Nordirland und die Hungerstreiks von politischen Gefangenen. Als katholischer Polizist muss Sergeant Duffy besonders aufpassen, ist auf ihn zusätzlich ein Kopfgeld ausgesetzt. Doch statt sich um seine persönliche Sicherheit zu sorgen, stürzt er sich von einem Drama in das nächste. Durch das Personal und den politischen Hintergrund ist dem Autor ein Krimi gelungen, der sich positiv vom Mainstream abhebt und durch Intelligenz und Witz überzeugt. Sergeant Duffy vereint zwar einige typische Mordermittler-Klischees auf sich - er ist Eigenbrödler, verstößt gegen Vorschriften und ist einem Glas Alkohol nie abgeneigt-, diese stehen jedoch nicht im Vordergrund, im Gegensatz zu seiner Liebe zur Musik, besonders klassischer, und seine Belesenheit. So bezieht er sich unter anderem auf James Joyce und Petrarca. Dabei geht jedoch keineswegs die Spannung bei der Mörderjagd verloren, sondern lediglich das Identifikationspotential mit dem Protagonisten erhöht. Schnell wünscht man als Leser dem jungen Sergeant einen Ermittlungserfolg. Seite um Seite zieht es einen tiefer in die Geschichte Nordirlands und es wird klar, dass die politische Szene vielleicht doch nicht unbeteiligt ist an den Schwulenmorden. 

Mit „Der katholische Bulle“ ist Adrian McKinty ein großartiger, intelligenter historischer Krimi mit Suchtpotential gelungen.