Sonntag, 17. August 2014

Anna von Bayern "Wolfgang Bosbach. Jetzt erst recht!"


Wolfgang Bosbach ist ein Medienprofi und das merkt man auch dem Buch von Anna von Bayern an. Man erfährt nichts Neues oder Überraschendes, es ist eher eine Zusammenfassung von Geschichten und Aussagen, die man bereits aus verschiedenen Interviews kennt. Bosbach lernt zunächst im Einzelhandel und wird Supermarktleiter, bevor er das Abitur nachholt, Jura studiert und für den damaligen Bundestagsabgeordneten Krey arbeitet. Die Debatte um die Strafbarkeit von Abtreibungen im §218 aktiviert ihn letztlich politisch und er beginnt sich politisch zu engagieren. Der Weg führt über regionale Politik und die Mitgliedschaft im Karnevalsverein in die direkte Nachfolge seines bisherigen Chefs als Bundestagsabgeordneter. Dort engagiert er sich als Innenpolitiker und ist auch als Minister im Gespräch. Als er der Kanzlerin bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm die Gefolgschaft aufkündigt, muss er sich vom damaligen Kanzleramtsminister Pofalla beschimpfen lassen und erhöht seine Medienpräsenz noch einmal. Auch über seine Krebskrankheit spricht er öffentlich und macht kein Geheimnis aus seinen gesundheitlichen Problemen. 
Wie in Talkshows und Interviews auch kommt Bosbach in dem Buch äußerst sympathisch beim Leser an, ein Politiker aus Überzeugung, der nicht immer mit der Fraktion stimmt, sondern sich selbst informiert und eine Meinung bildet. Das Buch ist passend dazu sehr unterhaltsam und kurzweilig geschrieben und fasst Bosbachs Leben und Karriere sehr positiv zusammen. Der ein oder andere kritische Unterton hätte dem Buch jedoch gut getan, so wirkt die Autorin stellenweise schon etwas sehr begeistert von der Person, der sie sich doch eigentlich sachlich nähern sollte, um dem Leser ein ehrliches Bild zu vermitteln. 
Statt einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Person Wolfgang Bosbach reicht es leider nur für die Darstellung des Medienprofis, der auch hier ganz genau weiß, was er vermitteln möchte und was in eben dieses Bild nicht hineinpasst. Wer nicht mehr erwartet, wird sich beim Lesen auf jeden Fall gut unterhalten fühlen. 

Freitag, 15. August 2014

Yasmina Reza "Glücklich die Glücklichen"


In ihrem neusten Werk geht Yasmina Reza der Frage nach, wo in unserem Alltag überhaupt noch Glück zu finden ist. Gibt es überhaupt ein Glück in unserem Alltagstrott, mit all seinen Ritualen und Problemen? In vielen kleinen Episoden erzählt sie von Menschen, die glücklich sind oder unglücklich, die Probleme haben und sie bewältigen oder an ihnen scheitern. Gleich in der ersten Geschichte streitet sich ein Paar im Supermarkt derart laut und übertrieben, dass man sich beim Lesen für sie schämen möchte. Doch gleichzeitig fühlt man sich ertappt, gibt es solche Szenen - wenn auch nicht in dieser überbordenden Dramatik- doch auch im echten Leben.
 Die Autorin zeigt, wie fragil und schwer zu fassen das Glück des Einzelnen ist. Es lässt sich nicht in eine Definition pressen, sondern ergibt sich von Situation zu Situation und kann genauso schnell wie es kommt wieder verschwinden. An den Geschichten zeigt sich, wie schnell der Alltag die Momente des Glücks unsichtbar macht, weil alles zu Kampf und Routine wird. Yasmina Reza beschreibt Personen, die einen berühren und Geschichten, die einen als Leser nicht unbeteiligt lassen. Man beobachtet die Charaktere in ihrem Leben und wird aber auch zu Selbstbeobachtung gezwungen. Es sind alltägliche Momente, die uns als Leser ebenso treffen könnten. Wie würden wir versuchen, glücklich zu bleiben? Und kämpfen wir überhaupt noch für unser Glück? Die Figuren bei Yasmina Reza tuen das nur selten, sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie der Alltag und der Lauf des Lebens einen vergessen lassen, sich für sein persönliches Glück einzusetzen.
Yasmina Rezas „Glücklich die Glücklichen“ ist wie ein kleines Fenster in die Welt der Figuren und ihre Probleme, eine großartig gelungene Beobachtung der Menschen, ihren Reaktionen und ihrer Vorstellung vom (verlorenen) Glück. 

Montag, 4. August 2014

Roger Willemsen "Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament"


Ein Jahr lang saß Roger Willemsen auf der Besuchertribüne im Bundestag und hat sich die Debatten angehört. Das klingt mehr als es wirklich war, denn nur ungefähr jede zweite Woche ist eine Sitzungswoche und nur dann finden überhaupt Sitzungen in Berlin statt. Zudem war 2013 Bundestagswahl, so dass es nach dem Beginn der Sommerpause Anfang Juli eigentlich keine Sitzungen mehr gab, mit wenigen Ausnahmen wie Sondersitzungen und der ersten Sitzung des neu gewählten Bundestags. Bis die Regierung ihre Arbeit aufnahm, dauerte es jedoch bis Weihnachten, so dass erst wieder 2014 regelmäßige Sitzungswochen stattfanden.
Was er dennoch beobachten konnte, war das, was wohl die meisten stört: ein fast leeres Plenum. Doch da die meisten Abgeordneten in Arbeitsgruppen, Ausschüssen und auch in ihren Büros arbeiten, spricht das keineswegs für die Faulheit der Abgeordneten, sondern eher für das Gegenteil. Als etwas störend empfand ich es, dass der Autor schon mit einer negativen Grundeinstellung in das Projekt ging, und sich diese dann nur bestätigen lassen wollte. Er erwartete inhaltlich und rhetorisch mangelhafte Reden, die er seiner Meinung nach auch bekam. Alles schien schon vorher beschlossen, so dass die Reden nur dem Austausch bereits bekannter Argumente dienen, was logischerweise auf die Ausschussarbeit zurückzuführen ist. Nachvollziehbar ist die Abneigung gegen respektloses Verhalten, wie demonstratives Verlassen des Raums, wenn eine bestimmte Person spricht, die ständige Beschäftigung mit Handys und Tablets, selbst wenn der Redner einen direkt anspricht und das Unterhalten auch auf der Regierungsbank wie in den hinteren Reihen einer Schulklasse. All das kann einen wirklich an der Ernsthaftigkeit der gewählten Volksvertreter zweifeln lassen. 
Wäre dies das Resultat eines ergebnisoffen angegangenen Projekts gewesen, hätte man damit als Leser wahrscheinlich gut leben können, doch zwischen den Zeilen schwingt einfach zu oft das grundsätzliche Suchen nach dem Negativen mit, nach der Bestätigung aller Vorurteile, so dass die Lektüre leider nur halb soviel Spaß macht wie sie könnte.