Montag, 31. Oktober 2016

Christian Kracht "Die Toten"

Der Schweizer Regisseur Nägeli nimmt uns in diesem Roman mit in die Filmwelt der 30er Jahre. Dort erlebt er sowohl das ungehemmte Leben mit Partys und Alkohol, aber auch die immer stärker werdende Abneigung gegen alles Jüdische, was besonders der Filmproduzent Hugenberg versinnbildlicht. Der schickt ihn nach Japan, wo er auf Masahiko Amakasu trifft, den der Leser auch bereits im ersten Teil des Romans näher kennengelernt hat. Er soll Nägeli eigentlich dabei unterstützen, den von Hugenberg gewünschten Propagandafilm oder, wie von Nägeli eigentlich geplant, einen deutsch-japanischen Gruselfilm zu drehen. Doch die Verwicklungen, die entstehen, bringen ganz andere Dinge hervor als geplant.
Christian Krachts Roman „Die Toten“ hat mich besonders durch die starke Sprache beeindruckt, die einen als Leser mitnimmt und im Kopf regelrecht Bilder zaubert. Das passt sehr gut, geht es in dem Buch doch um die Anfänge des Tonfilms und so liefert Kracht für seine Leser quasi gleich den Kinofilm im Kopf mit. 
Seine Figuren sind keine einfachen Persönlichkeiten sondern alle mit einer Vielzahl von Komplexen, Problemen und Störungen ausgestattet. Teilweise wirken seine Beschreibungen der Berliner Filmclique, in die Nägeli einmal hereingerät, fast wie eine klischierte Darstellung der frühen 30er Jahre, in die die goldenen  Zwanziger mit ihrer Vergnügungssucht und scheinbaren Lasterhaftigkeit noch hereinspielen. Dabei bedient Kracht sich auch bei realen Personen an Namen und Biographien. So beschreibt er beispielsweise mit der Figur des Hugenberg niemand geringeren als den berühmten Verleger und zeitweiligen UFA-Chef Alfred Hugenberg, der später auch Wirtschaftsminister unter Hitler war.
Mit „Die Toten“ ist Christian Kracht ein herausragender Roman gelungen, der es schafft, sowohl die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Japan (den späteren Verbündeten im Zweiten Weltkrieg) deutlich zu machen, als auch den beginnenden Siegeszug des Films zu beschreiben. Die Charaktere stellt er dabei sehr prägnant dar und nimmt den Leser mit auf eine Reise, die er so schnell nicht vergessen wird. 
Man muss sicher auch im Nachhinein noch etwas über die Geschichte nachgrübeln und sie vielleicht auch das ein oder andere mal erneut lesen, um die feinen Zwischentöne von Kracht alle mitzunehmen und die vielen Blickwinkel mitzulesen, die in der wunderbaren Sprache verborgen sind. „Die Toten“ ist sicher kein unkompliziertes Buch, doch mir hat es ausgesprochen gut gefallen. 

Hier geht es zur Leseprobe vom Verlag Kiepenheuer & Witsch. 

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