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Sonntag, 6. November 2011

Jan Böttcher "Das Lied vom Tun und Lassen"


Mit dem Selbstmord von Meret Kugler, die vom Schuldach springt, um ihrem Leben ein Ende zu setzen, wird die Geschichte in Jan Böttchers Roman in Gang gesetzt. Drei Menschen beschreiben in seinem Buch, wie die Situation sie und die Menschen um sie herum verändert hat. Musiklehrer Immanuel Mauss versucht alles, um seinen Schülern zu helfen, sie treffen sich in seinem Haus und trauern, reden, hören Musik. Er schafft ihnen einen Zufluchtsort, als sie diesen am nötigsten brauchen. Bis auf Clarissa scheint er auch allen damit helfen zu können, sie finden ins Leben zurück und konzentrieren sich auf das, was gerade wichtig scheint: ihr Abitur. Johannes Engler kommt als Gutachter an die Schule, beobachtet den Unterricht von Mauss und lernt die verzweifelt in ihrer Trauer blockierte Clarissa kennen und beginnt mit ihr eine Beziehung, die schnell zum Scheitern verurteilt scheint. Clarissa selbst lässt den Leser in Blogeinträgen teilhaben an ihren Erlebnissen mit Freunden auf einer Reise durch Frankreich, ihre Rückkehr und was sie dabei bewegt. Immer bei ihr ist M., eine Freundin, die abgehauen ist, Sinnbild für die aus ihrem Leben verschwundene Meret, die sie hilflos und voller Fragen zurückließ. 
„Das Lied vom Tun und Lassen“ ist kein Roman der durch spannende Handlung oder viele Effekte besticht, sondern durch die Emotionalität der Sprache und die leisen Zwischentöne. In allen Geschichten schwingt viel Hilflosigkeit und Verzweiflung mit, obwohl alle Protagonisten immerzu von andern Menschen umgeben sind, zeichnet sie eine tiefe Einsamkeit aus, aus der sie nicht herausfinden können. Mauss muss erkennen, dass er den Schülern nicht so helfen kann, wie er möchte. Engler hat zwar einen Sohn, den verschweigt er aber und fühlt sich in der Beziehung zu der jungen Clarissa schnell hintergangen. Und Clarissa fühlt sich von ihren Freunden verraten, die ihr viel zu schnell ins Leben zurückfinden und nicht mehr um Meret trauern, die sie selbst noch in jedem Moment begleitet. Hilflos stehen sie sich alle gegenüber und wissen nicht, wie und wo sie Halt finden sollen, in der für sie so zerfallenen Welt.  Die Frage nach dem Ich und dem Wir, mit dem sich ein Buch beschäftigt, das sowohl Clarissa als auch der Musiklehrer gelesen haben, schwebt als Thema über dem gesamten Roman, was passiert wenn meine individuellen Gefühle von der Gruppe nicht verstanden werden, was ist, wenn mein Ich dem Wir plötzlich im Weg steht? 

Jan Böttcher fasst ihre Sprachlosigkeit in Worte und schafft eine Atmosphäre von Trauer, Angst, Verzweiflung, aber immer auch ein bisschen Hoffnung, dass die Situation nicht endgültig ist, sondern ein Prozess, dessen Ende nicht feststeht. 

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