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Montag, 23. Juli 2018

Thomas Montasser "Der Sommer der Pinguine"


Annetta Robington fährt nicht oft von Great Missenden nach London, doch dieser Besuch wird ihr Leben verändern. Aufmerksamer als sonst bummelt sie durch die Stadt und plötzlich stellt sie seltsames fest: Der nette Buchhandler hat doch Flügel statt Armen und die Nase sieht mehr aus wie ein Schnabel. Und auch der Concierge in dem Hotel, in dem sie Zuflucht sucht, scheint kein Mensch zu sein, sondern ein Pinguin. Sie erfährt, dass Pinguine schon lange versteckt unter uns Menschen leben und sich gut eingerichtet haben. Doch als ihr verborgenes Leben droht öffentlich zu werden, tut Annetta Robington alles, um das Geheimnis zu schützen. Kann sie dafür sorgen, dass die Pinguine weiter unerkannt Leben können?
„Der Sommer der Pinguine“ ist ein zauberhaftes kleines Buch, geschrieben von Thomas Montasser und illustriert von Isabel Pin. Die Geschichte, die zunächst abwegig klingt, ist so liebevoll geschrieben und führt einen in eine wunderbare Welt der Fantasie. Zwischen die Erlebnisse von Annetta werden immer wieder Passagen von wissenschaftlichen Büchern eingefügt, die die Weltsicht der Pinguine erklären, um dem Menschen die Deutungshoheit wieder zu entreißen. Denn wer könnte ernsthaft glauben, dass Amerika erst vor einigen hundert Jahren von Menschen „entdeckt“ wurde? Hier wurde vom Menschen die gesamte Geschichte umgeschrieben. Diese kleinen liebevollen Details machen die Geschichte von Thomas Montasser so lesens- und liebenswert, dass man das Buch gar nicht mehr aus Hand legen mag.
Der Autor Thomas Montasser hat es geschafft, eine Geschichte zu schreiben, die zwar völlig unrealistisch wirkt, aber einen ganz eigenen Zauber hat. Ich würde gerne in der Welt von Annetta Robington leben, einmal durch die Encyclopädia Penguinica blättern und eine neue und kritische Sicht auf die Menschen gewinnen. Doch auch die Kritik bringt der Autor mit einem Augenzwinkern an den Leser, so dass dieses Buch ernst und humorvoll zu gleich ist, eine große Lesefreude mit viel Tiefe. Ein wunderbares Buch, nicht nur für den Sommer.

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Insel Verlags. 

Samstag, 21. Juli 2018

Tom Hanks "Schräge Typen"


Tom Hanks kannte ich bisher nur als Schauspieler. Der Piper Verlag hat jetzt seine Erzählungen auf Deutsch unter dem Titel „Schräge Typen“ veröffentlicht, eine Sammlung unterhaltsamer Geschichten voller skurriler Persönlichkeiten und immer dabei – eine Schreibmaschine, mal in der Haupt- und mal in der Nebenrolle.
Wenn Hollywood-Schauspieler sich plötzlich berufen fühlen, Autoren zu werden, bin ich erst einmal skeptisch. Doch Tom Hanks fesselt einen von der ersten Seite an mit seinen Figuren, die immer ein bisschen schräg daherkommen, aber einem schnell ans Herz wachsen, „schräge Typen“ eben, wie der Titel schon sagt. Hanks ist ein großartiger Beobachter und Menschenkenner, der die Charaktere auch auf wenigen Seiten bis in kleinste Details ausarbeitet und einen so mitnimmt auf die kleinen Reisen, auf die er seine Figuren schickt. Egal ob in Zukunft, Vergangenheit oder Gegenwart, es passiert viel Spannendes und Unvorhergesehenes in den kleinen und großen Abgründen der menschlichen Seele, mit ihren Hoffnungen und Träumen, an denen sie uns so unvoreingenommen teilhaben lassen, dass man sich selbst schnell als Teil der Geschichte fühlt. Und so ist man dann nach den wenigen Seiten immer ein bisschen traurig, die Figuren schon nach einer kurzen Erzählung wieder ziehen lassen zu müssen. So gerne hätte ich mehr über sie erfahren, wie es weiterging mit ihnen, was das Leben noch für sie bereithielt. Bis die nächste Geschichte beginnt und man wieder in diesen kleinen Sog gezogen wird und eine neue spannende Reise beginnt.
Mir hat Tom Hanks Erzählungsband „Schräge Typen“ unglaublich gut gefallen. Es ist ein Buch, das man immer wieder hervorholen kann, bei jeder Lektüre wird man in den Figuren und Geschichten noch etwas Neues entdecken. Sollte er auf die Schauspielerei keine Lust mehr haben, kann Tom Hanks meinetwegen nur noch schreiben. Ein Roman von ihm würde mich wirklich interessieren!

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Donnerstag, 19. Juli 2018

Mario Giordano "Tante Poldi und die sizilianischen Löwen"


Allein in Bayern soll Tante Poldi nicht bleiben, sie soll nach Sizilien, dort lebt schließlich die ganze Familie. Und besser unter Kontrolle hat man die lebensüberdrüssige und viel trinkende Seniorin dort auch, so die Hoffnung. Doch kaum angekommen, wird Poldi in einen Kriminalfall verwickelt: Ein junger Mann verschwindet spurlos, und das auf Sizilien – da kann ja eigentlich nur die örtliche Mafia dahinterstecken. Poldi beginnt also, einigen Leuten gehörig auf die Füße zu treten, während sie den Vermissten sucht. Nur Freunde macht sie sich damit sicher nicht.
Tante Poldi ist an sich ein unterhaltsamer Charakter, der eine Handlung gut vorantreiben kann. Kein Fettnäpfchen lässt sie aus und fröhlich randaliert sie über die Insel. Leider hat mir die Erzählperspektive nicht so gut gefallen, erzählt wird die Geschichte nämlich eigentlich von ihrem Neffen, der immer mal wieder zu Besuch ist und dann den Zwischenstand von Tante Poldi serviert bekommt. So ist für mich aber eine Position dazwischen geschaltet, die die Handlung eigentlich nicht bräuchte. Über den Neffen erfahren wir wenig, er versucht erfolglos einen Roman zu schreiben, das war es aber auch schon. Man hätte Poldi ihre Geschichte lieber direkt erzählen lassen sollen oder ihr eine erzählende Figur zur Seite stellen, die direkter involviert ist. So hatte ich beim Lesen manchmal das Gefühl, einer Runde „Stille Post“ zu folgen. Der Kriminalfall war ganz spannend, aber auch nicht wirklich so mitreißend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Alles in allem ist „Tante Poldi und die sizilianischen Löwen“ einer humorvoller Krimi mit viel Urlaubsstimmung. Während eines Urlaubs auf Sizilien kann die Handlung mit viel Lokalkolorit sicher Spaß machen, als Krimi fand ich ihn doch etwas zu schwach.


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Dienstag, 17. Juli 2018

George Saunders "Lincoln im Bardo"


Der Bürgerkrieg tobt und Präsident Lincoln muss sich als Führer des Staates beweisen, als sein Sohn Willie verstirbt. Seine Frau ist gebrochen und auch Lincoln kann den Tod nicht schwer akzeptieren. Auf dem Friedhof will er sich von seinem Sohn alleine verabschieden. Doch was dort um ich herum tobt, ist ein aberwitziger Zirkus, an die Grenze des Erzählbaren getrieben.
George Saunders‘ Roman „Lincoln im Bardo“ beschreibt eine Geschichte von Abschied, Trauer und Liebe auf so eindringliche Art, dass es völlig gefangen nimmt. Dabei verwirrt der Autor die Leser zunächst vollends, denn seine Form ist keineswegs die klassische Romanform. Kein fester Erzähler leitet uns die Geschichte, niemand der Wahrheit und Vision für uns trennt und uns die Figuren näher bringt. Im Gegenteil, jeder kommt völlig ungefiltert zu Wort, auch die historischen Umstände werden durch kurze Zitate von  Zeitzeugen dargestellt, die in ihrer Widersprüchlichkeit vor allem deutlich machen, dass es kaum Klarheit geben kann. Der Friedhof ist eine Art Zwischenreich, in der die Toten sich für Kranke halten, die sich ans Leben klammern, halb lustig, halb tragisch schweben sie über den Friedhof und klammern sich an einen Zustand, der sie nicht glücklich macht, ihnen aber doch Hoffnung zu geben scheint.
Auch wenn es durch Stil zu Beginn etwas schwierig zu lesen ist und man etwas Zeit braucht, um die Handlung zu verstehen und die verschiedenen Figuren kennen zu lernen, hat Saunders einen fesselnden Roman geschrieben, der tragisch und komisch zugleich ist, einen beim Lesen berührt und mitreißt. Sowohl Form als auch Inhalt sind beeindruckend und fügen sich perfekt ineinander, ein meisterhaftes Werk, das mit den Erwartungen der Leser spielt und sie gleichzeitig begeistern kann- ein Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte.

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Luchterhand Literaturverlags. 

Donnerstag, 12. Juli 2018

Lee Child "Im Visier"


Jack Reacher ist zurück und dieser Fall wird besonders persönlich! Als ein Scharfschütze auf den französischen Präsidenten schießt, kommen weltweit nur vier Personen in Frage, die auf diese Entfernung so zielsicher sind, auch wenn eine Glasscheibe den Schuss abfangen konnte. Einer davon ist John Kott, den Reacher vor 16 Jahren hinter Gitter gebracht hat. Jetzt ist er wieder frei und Reacher soll ihn finden, bevor mehr passiert. Denn der nächste G8 Gipfel in London steht bevor und der amerikanische Geheimnisdienst ist sich sicher, dass der erste Schuss nur ein Test war. Reacher muss nach London um seinen alten Rivalen zu finden und ruhig zu stellen.
„Im Visier“ ist der neuste Roman von Lee Child mit seinem Protagonisten Jack Reacher, ehemaliger Militärpolizist und Herumtreiber, der sich immer mal wieder von Militär oder Geheimdienst für einen Auftrag einspannen lässt. Obwohl mir auch die bisherigen Romane mit Reacher, die ich gelesen habe, immer sehr gut gefallen haben, halte ich „Im Visier“ für den bisher besten! Die Handlung ist sehr durchdacht und logisch aufgebaut, Reacher als Figur so unkonventionell wie immer, was einen sofort in die Story reinzieht und mit der jungen CIA-Agentin Nice an seiner Seite hat er einen guten Sidekick bekommen, der die Geschichte vorantreibt und neue Dimensionen der Entwicklung ermöglicht. Denn Reacher ist nicht nur für sich verantwortlich, er will auch Nice schützen und handelt so vielleicht manchmal anders, als er es als einsamer Wolf gewohnt ist.
Der Stil von Child überzeugt durch sehr detailreiche Schilderung, oft hat man das Gefühl, dass sich vor einem eine ganze Filmszene entwickelt, so genau beschreibt er Bewegungsabläufe und Handlungen der Personen. Hauptfigur Reacher steht dabei immer im Mittelpunkt, als Leser wissen wir immer nur so viel wie er auch weiß, was die Spannung noch erhöht.
Lee Child hat mit „Im Visier“ wieder einen großartigen Krimi abgeliefert, der einen sofort packt und nicht mehr loslässt. Reacher als Protagonist bietet ihm einfach unglaublich viele Entwicklungsmöglichkeiten und so kann man das Buch erst wieder aus der Hand legen, wenn die letzte Seite gelesen und man auf dem neusten Stand ist, was Jack Reacher angeht.  


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Mittwoch, 11. Juli 2018

Linette Carlson "Wenn das so weitergeht, kauf ich mir 'ne Katze"


Steffi ist Mitte 30 und in ihrem Leben passiert einfach nichts. Seit Jahren der gleiche Job, die gleiche Wohnung, die gleichen Freunde und kein Mann in Sicht, der sie vor den Traualtar führen würde. Um endlich auch mal wieder etwas zu erzählen zu haben, meldet sie sich bei der Fernsehsendung „Fashionista“ an. Gewinnen will sie zwar nicht, aber endlich etwas Abwechslung. Ob das reicht?
„Wenn das so weitergeht, kauf ich mir ‘ne Katze“ von Linette Carlson ist klassische leichte Lektüre mit einer Hauptfigur, die mit ihrem Leben hadert und eine Veränderung startet. Das ist an sich eine gute Grundsituation und viele Autorinnen haben bewiesen, dass das Schema immer aufs Neue funktioniert. Leider fehlen diesem Roman meiner Meinung nach zwei Dinge: Zum einen eine wirklich sympathische Hauptfigur, die einen als Leserin mitzieht und mit der man mitfiebern kann. Steffi war mir in ihrer Art, nie in die Gänge zu kommen und immer darauf zu warten, dass alles auf sie zukommt, leider gar nicht sympathisch und eher anstrengend als Protagonistin. Zum anderen finde ich den Gedanken, an einer Fernsehsendung teilzunehmen wie „Shopping Queen“ um sein Leben zu ändern, einfach keine ausreichende Idee. Das sich am Ende in Steffis Leben doch so einiges ändert, ist mal wieder nur auf Impulse von außen zurückzuführen, sie selbst hat sich gar nicht verändert und wirkt nach wie vor träge und ambitionslos. Der Stil von Linette Carlson ist sehr flüssig und auch gut lesbar, was die Probleme mit der Handlung jedoch nicht wirklich wettmachen kann.
Wer eine leichte Unterhaltung sucht, macht mit „Wenn es so weitergeht, kauf ich mir ‘ne Katze“ sicher nichts falsch, es gibt in dem Genre aber Romane mit schlüssigeren Stories und stärkeren Hauptfiguren, die mich mehr begeistern können.


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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe bei neobooks. 

Montag, 9. Juli 2018

Wolfgang Schorlau "Der große Plan"


Anna Hartmann ist Mitarbeiterin des Außenministeriums und tätig für die Troika, die Griechenland nach dem Schuldenchaos wieder sanieren soll. Als Sie entführt wird, schaltet das Ministerium Georg Dengler, den Stuttgarter Privatermittler ein. Es könnte sein bisher größter Fall sein, doch jede Spur scheint sich in Luft aufzulösen. Woran hat Anna Hartmann gearbeitet? Um das zu verstehen, muss Dengler erst einmal die Verstrickungen um die griechischen Schulden aufdröseln – und darin steckt noch viel mehr Sprengstoff, als er vermutet hätte. 
Wolfgang Schorlau ist bekannt für seine politisch brisanten und aktuellen Krimis. Seinen Ermittler Georg Dengler schickt er immer in ein Minenfeld aus Kriminalität und politischen Verwicklungen, daraus entstehen jedes Mal- und so auch dieses Mal- großartig recherchierte und spannende Krimis. Beim Lesen wird einem schwindelig über die Vorgänge der Finanzwirtschaft, die mit Ländern wie Griechenland und Italien Schach zu spielen scheint und sie bei Bedarf einfach aus dem Spiel kickt. Dengler braucht Hilfe bei dem Fall und mit Petra Wolff führt Schorlau eine spannende neue Figur ein, die die Entwicklung des Krimis bereichert. Ich hoffe sehr, dass sie auch zukünftigen Romanen an der Seite von Georg und seiner Freundin Olga ermitteln wird. Neben der aktuellen Griechenlandkrise spielt auch der historische Zusammenhang von Deutschland und Griechenland mit der Besatzung Griechenlands während des Zweiten Weltkriegs eine Rolle, was der Handlung zusätzliche Dynamik und Spannung verleiht. Schorlau versteht es wirklich ausgezeichnet, die Leser mit auf eine Reise zu nehmen, die sie nicht mehr loslässt.
„Der große Plan“ ist inzwischen Georg Dengler neunter Fall und es bleibt zu hoffen, dass Wolfgang Schorlau noch viele weitere Bände schreiben wird. Kein anderer Autor schafft es so bravourös, politische Inhalte mit einer fiktiven Kriminalhandlung zu verknüpfen. Eine unschlagbare Kombination, die einen als Leser aufrüttelt und gleichzeitig mitreißt. Ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen!

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Hier geht es zu weiteren Informationen des Verlags Kiepenheuer & Witsch. 

Dienstag, 3. Juli 2018

Paulo Coelho "Die Spionin"


Mata Hari umgibt bis heute etwas Geheimnisvolles: Berühmt geworden als Spionin und Tänzerin, wird sie 1917 zum Tode verurteilt und erschossen. Paulo Coelho beschreibt in seinem Roman „Die Spionin“ das Leben der Frau, die als Margarete Zelle in den Niederlanden geboren wurde und mit ihrem Mann nach Ostindien ging, bevor sie sie in verließ und unter dem Namen Mata Hari Berühmtheit erlangte.
Der Roman ist dreigeteilt und den Hauptteil bildet ein Brief, den Mata Hari aus dem Gefängnis an ihren Anwalt schreibt und in dem sie ihr Leben Revue passieren lässt. Sie betont mehrfach, dass sie davon ausgeht, begnadigt zu werden, doch die Geschichte beweist das Gegenteil. Durch diesen Brief bekommt der Leser einen sehr guten Einblick in das Denken und Handeln dieser fiktiven Mata Hari, denn auch wenn Coelho sich an der Biographie orientierte, kann er über ihr Innenleben immer nur spekulieren. Das macht er jedoch auf sehr spannende und bewegende Art und Weise. Obwohl ihre Handlungen sie kalt und berechnend wirken lassen, erreicht einen die Protagonistin schnell und man fühlt mit ihr mit, auch wenn einem bewusst ist, dass ihre Verantwortungslosigkeit sie unweigerlich in den Abgrund führt. Den Abschluss des Romans bildet ein Brief ihres Anwalts, in dem er seine Verteidigung erklärt und ihre Geschichte aus der Außensicht noch einmal in einem Zusammenhang rückt, der viele Zweifel an Mata Haris Version aufkommen lassen. Doch wie auch in der Realität, weiß man nie genau, was Erfindung von Mata Hari ist und was Realität. Und das macht die ganze Geschichte auch wieder so spannend.
Mit „Die Spionin“ ist Paulo Coelho eine äußerst unterhaltsame und kurzweilige Geschichte über eine der berühmtesten Spioninnen des 20. Jahrhunderts gelungen. Ein tolles Buch, das sich in einem Rutsch weglesen lässt, weil Mata Hari einen so in ihren Bann zieht – wie sie auch vor über 100 Jahren schon mit den Menschen tat, denen sie begegnete.

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Hier geht es zu weiteren Informationen und einem Interview mit dem Autor. Erschienen ist das Buch jetzt als Taschenbuch im Diogenes Verlag

Montag, 2. Juli 2018

Johann Scheerer "Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung"


„Wir sind dann wohl die Angehörigen“, dieser Satz schoss Johann Scheerer durch den Kopf, als sich die Angehörigenbetreuer der Polizei nach der Entführung seines Vaters bei ihm vorstellen. Und wie es für die Angehörigen war, die berühmte „Reemtsma-Entführung“ hautnah mit- zuerleben und wie sich die 33 Tage auf das Leben seines Sohnes auswirkte, beschreibt dieser in dem Buch mit dem gleichen Titel.
Das Besondere an dem Buch ist, dass Johann Scheerer es schafft, seine persönliche Perspektive aus der Sicht eines Jungen wiederzugeben, ohne mit dem heutigen Wissen zu verurteilen oder zu verändern. Er beschreibt sehr sachlich seine Wahrnehmung, das Gefühl, dass die Polizei die ganze Sache nicht im Griff hat und wie langsam die Zeit vergeht, wenn man das Haus kaum noch verlassen kann und nichts mehr mit sich anzufangen weiß. Die Spannung im Haus ist greifbar, während er seine Geschichte erzählt und all das geht einem als Leser sehr nahe, denn für Johann steht zwischendurch eigentlich schon fest, dass sein Vater entweder bereits tot ist oder bald getötet werden wird. Er will sich keine Hoffnungen machen, die enttäuscht werden könnten. Und gleichzeitig hat er nur den Wunsch, dass alles wieder so ist wie vorher. Doch ihm ist klar, dass es in dieses „vorher“ wohl nie zurückgehen wird, egal wie die Entführung endet.
Johann Scheerer hat mit „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ eine ganz neue Perspektive auf eine der berühmtesten Entführungen der deutschen Geschichte geschaffen. Das Buch ist bei all seiner Sachlichkeit und Nüchternheit im Erzählstil hoch emotional und bewegend, spannend zu lesen und mitreißend von Anfang bis Ende – ich kann es nur weiterempfehlen.

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Hier geht es zu weiteren Informationen des Piper Verlags.