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Montag, 2. Juli 2018

Johann Scheerer "Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung"


„Wir sind dann wohl die Angehörigen“, dieser Satz schoss Johann Scheerer durch den Kopf, als sich die Angehörigenbetreuer der Polizei nach der Entführung seines Vaters bei ihm vorstellen. Und wie es für die Angehörigen war, die berühmte „Reemtsma-Entführung“ hautnah mit- zuerleben und wie sich die 33 Tage auf das Leben seines Sohnes auswirkte, beschreibt dieser in dem Buch mit dem gleichen Titel.
Das Besondere an dem Buch ist, dass Johann Scheerer es schafft, seine persönliche Perspektive aus der Sicht eines Jungen wiederzugeben, ohne mit dem heutigen Wissen zu verurteilen oder zu verändern. Er beschreibt sehr sachlich seine Wahrnehmung, das Gefühl, dass die Polizei die ganze Sache nicht im Griff hat und wie langsam die Zeit vergeht, wenn man das Haus kaum noch verlassen kann und nichts mehr mit sich anzufangen weiß. Die Spannung im Haus ist greifbar, während er seine Geschichte erzählt und all das geht einem als Leser sehr nahe, denn für Johann steht zwischendurch eigentlich schon fest, dass sein Vater entweder bereits tot ist oder bald getötet werden wird. Er will sich keine Hoffnungen machen, die enttäuscht werden könnten. Und gleichzeitig hat er nur den Wunsch, dass alles wieder so ist wie vorher. Doch ihm ist klar, dass es in dieses „vorher“ wohl nie zurückgehen wird, egal wie die Entführung endet.
Johann Scheerer hat mit „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ eine ganz neue Perspektive auf eine der berühmtesten Entführungen der deutschen Geschichte geschaffen. Das Buch ist bei all seiner Sachlichkeit und Nüchternheit im Erzählstil hoch emotional und bewegend, spannend zu lesen und mitreißend von Anfang bis Ende – ich kann es nur weiterempfehlen.

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