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Sonntag, 18. September 2011

Emma Donoghue "Raum"




Auf der Suche nach Normalität
Jack ist bereits in Raum geboren und hat dort die ersten fünf Lebensjahre mit seiner Mutter verbracht. Er kennt nichts anderes als Raum, Teppich, Schrank, Bett und „Old Nick“, einen Mann, der ihnen Essen bringt und ein „Sonntagsgutti“- wenn alles gut läuft. Doch für Jack ist Raum das normale Leben, während es für seine Mutter eine bereits sieben Jahre andauernde Hölle ist, denn mit 19 wurde sie auf dem Weg zum College entführt und wird seit dem in der perfekt isolierten Gartenhütte, die Raum eigentlich ist, gefangen gehalten und regelmäßig missbraucht.
Der Roman von Emma Donoghue lässt sich mit nichts wirklich vergleichen, was ich vorher gelesen habe. Die Stimmung und die Geschichte sind bedrückend und packen einen im Innersten. Immer wieder wird durch Jacks Perspektive die eigene Vorstellung von Normalität in Frage gestellt und aufgesprengt, denn was ist eigentlich normal für einen Fünfjährigen, der sein ganzes bisheriges Leben auf 12 Quadratmetern verbracht hat, noch nie eine Wiese gesehen hat, keine Autos kennt und glaubt dass alle anderen Menschen nur im Fernsehen existieren und nicht in der Realität? Die Realität und damit seine Normalität ist schließlich nur Raum. 
Da die Geschichte von Ma und Jack aus der Perspektive des Jungen erzählt wird, ist es um so eindringlicher mitzuerleben, wie er das Draußen kennen lernt, denn während seine Mutter in ein altes Leben zurück will, ist für ihn alles neu. Dies nimmt der Geschichte jedoch nicht den Schrecken, viele Szenen haben einen bittersüßen Beigeschmack, beispielsweise wenn Jack Treppen ausschließlich auf dem Po runterrobbt, weil seine Füße mit den Schuhen dran ihm zu schwer sind und er Treppen auch einfach nicht kennt. Die Vorstellung von diesem Jungen wie er die Treppe runterrutscht ist zwar einerseits niedlich und vielleicht auch belustigend, der Grund dafür jedoch so schrecklich und beängstigend, dass einem das Lächeln beim Lesen im Gesicht einfriert. 
Für mich hätte das Buch noch lange weitergehen können, gerne hätte ich erfahren, wie es Jack später in der Schule, mit Lehrern, Mitschülern und der ersten Freundin ergeht, doch die Konzentration auf vier Wochen im Leben von Ma und Jack machen den Roman so kompakt, dicht und packend wie er ist. Ein phänomenales Buch, das mich tief beeindruckt hat. 

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