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Freitag, 16. September 2016

Elizabeth Strout "Die Unvollkommenheit der Liebe"

Als die Protagonistin und Erzählerin Lucy von Elizabeth Strouts Roman „Die Unvollkommenheit der Liebe“ für längere Zeit aus etwas unklaren Gründen im Krankenhaus liegen muss, kommt ihre Mutter sie besuchen. Für die Erzählerin ist es ein bedeutender Besuch, den ihre Beziehung war nie besonders innig. Fünf Tage verweilt die Mutter auch nachts am Bett ihrer kranken Tochter und langsam beginnt die Erzählerin dabei, ihr Leben und die Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten.
Elizabeth Strout ist mit diesem Buch ein unglaublich eindringlicher und direkter Roman über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung gelungen. Die Erzählerin kommt aus ärmsten Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet, ihre Mutter lebt nach wie vor mit ihrem Mann in ihrem Heimatort. Dass mit dem Vater etwas Schwerwiegendes in ihrer Kindheit vorgefallen ist, er vielleicht sogar Kriegstraumata hat und nicht ins Leben zurückfand, wird zwar angedeutet, genaueres erfährt man aber nicht. 
Lucy ist sehr überrascht von dem Besuch ihrer Mutter und lässt den Leser regelrecht ungefiltert an ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben. Teilweise in längeren Abschnitten, manchmal aber auch nur in wenigen Sätzen auf einer Seite erfährt man sehr viel über ihr Innenleben und ihre Vergangenheit, was sehr bewegend ist und einen als Leser fast zum direkten Mitspieler der Geschichte macht, so distanzlos präsentiert sich Lucy uns. Bei den Berichten zu ihrer Mutter bringt sie eine Emotionalität auf, die einen als Leser gefangen nimmt, während sie regelrecht distanziert über ihren Mann und ihre Töchter schreibt. Zwar sagt sie, dass sie sie unglaublich liebt und sie ihr fehlen, sprachlich wird aber eindeutig nicht diese Nähe zum Leser aufgebaut wie in den Elementen, in denen es um ihre Kindheit, ihre Eltern oder auch ihr Schaffen als Autorin geht.
Mich hat das Buch „Die Unvollkommenheit der Liebe“ von Elizabeth Strout sehr berührt, von ihrer wunderbaren Sprache und der Beschreibung von Lucys Gefühlen war ich unglaublich beeindruckt. Selten hat auch ein Titel so gut gepasst wie dieser, denn dass die Beziehung von Mutter und Tochter nicht perfekt war, heißt ja nicht, dass sie keine Liebe verbindet. Ich kann nur jedem empfehlen, sich auf Elizabeth Strouts Geschichte einzulassen, es ist ein ganz besonderes Leseerlebnis. 

Hier geht es zur Leseprobe im Luchterhand Verlag. 

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