Als die
Protagonistin und Erzählerin Lucy von Elizabeth Strouts Roman „Die
Unvollkommenheit der Liebe“ für längere Zeit aus etwas unklaren Gründen im
Krankenhaus liegen muss, kommt ihre Mutter sie besuchen. Für die Erzählerin ist
es ein bedeutender Besuch, den ihre Beziehung war nie besonders innig. Fünf
Tage verweilt die Mutter auch nachts am Bett ihrer kranken Tochter und langsam beginnt die
Erzählerin dabei, ihr Leben und die Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten.
Elizabeth Strout
ist mit diesem Buch ein unglaublich eindringlicher und direkter Roman über eine
schwierige Mutter-Tochter-Beziehung gelungen. Die Erzählerin kommt aus ärmsten
Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet, ihre Mutter lebt nach wie vor mit ihrem
Mann in ihrem Heimatort. Dass mit dem Vater etwas Schwerwiegendes in ihrer
Kindheit vorgefallen ist, er vielleicht sogar Kriegstraumata hat und nicht ins
Leben zurückfand, wird zwar angedeutet, genaueres erfährt man aber nicht.
Lucy
ist sehr überrascht von dem Besuch ihrer Mutter und lässt den Leser regelrecht
ungefiltert an ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben. Teilweise in längeren
Abschnitten, manchmal aber auch nur in wenigen Sätzen auf einer Seite erfährt
man sehr viel über ihr Innenleben und ihre Vergangenheit, was sehr bewegend ist
und einen als Leser fast zum direkten Mitspieler der Geschichte macht, so
distanzlos präsentiert sich Lucy uns. Bei den Berichten zu ihrer Mutter bringt
sie eine Emotionalität auf, die einen als Leser gefangen nimmt, während sie
regelrecht distanziert über ihren Mann und ihre Töchter schreibt. Zwar sagt
sie, dass sie sie unglaublich liebt und sie ihr fehlen, sprachlich wird aber
eindeutig nicht diese Nähe zum Leser aufgebaut wie in den Elementen, in denen
es um ihre Kindheit, ihre Eltern oder auch ihr Schaffen als Autorin geht.
Mich hat das
Buch „Die Unvollkommenheit der Liebe“ von Elizabeth Strout sehr berührt, von
ihrer wunderbaren Sprache und der Beschreibung von Lucys Gefühlen war ich
unglaublich beeindruckt. Selten hat auch ein Titel so gut gepasst wie dieser,
denn dass die Beziehung von Mutter und Tochter nicht perfekt war, heißt ja
nicht, dass sie keine Liebe verbindet. Ich kann nur jedem empfehlen, sich auf
Elizabeth Strouts Geschichte einzulassen, es ist ein ganz besonderes
Leseerlebnis.
Hier geht es zur Leseprobe im Luchterhand Verlag.
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