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Mittwoch, 29. Juni 2016

Irene Zimmermann "Geradeaus ist keine Himmelsrichtung"

Karola braucht kurzfristig Geld und nimmt daher einen etwas seltsamen Job an: Sie soll ein Auto in der Schweiz abholen und nach Deutschland überführen, angeblich wurde er in der Schweiz nach einem Unfall dort repariert. Kurzerhand packt sie Freundin Regine und deren Bekannte Giulia ein und gemeinsam geht auf Tour nach Zürich. Als die drei auf der Rückfahrt jedoch 1,5 Millionen Euro im Kofferraum finden und von Mafiastreitigkeiten in der Stadt hören, wird ihnen mulmig. Als sie dann von Karolas Tochter auch noch erfahren, dass deren Wohnung komplett auf den Kopf gestellt wurde, sehen sie nur noch eine Möglichkeit: Flucht. Und zwar direkt nach Hedelstetten, wo Karola aufgewachsen ist. Ob die Mafia sie dort finden kann?
„Geradeaus ist keine Himmelsrichtung“ von Irene Zimmermann ist ein kurzweiliger und lustiger Roman um drei Frauen, die zwar vor der Mafia flüchten aber eigentlich auch ein bisschen auf der Suche nach dem eigenen Glück sind. Bei Karolas Tante Gisa schlüpfen sie unter und überlegen sich die kuriosesten Arten, wie sie sich vor der Mafia versteckt halten könnten und vor allem auch, was sie mit dem Geld machen könnten. Die drei Figuren sind sehr sympathisch, wenn sie auch teilweise ein wenig flach bleiben und man gerne etwas mehr über ihren Charakter erfahren würde. Dennoch macht der Road-Trip beim Lesen viel Spaß und man fiebert mit ihnen mit. Auch die Nebenfiguren sind liebevoll beschrieben, besonders der Oberbürgermeister und Karolas Tante Gisa sind witzige Charaktere.

Irene Zimmermann, die eigentlich Kinder- und Jugendbuchautorin ist, hat mit ihrem ersten Roman „Geradeaus ist keine Himmelsrichtung“ die perfekte Unterhaltung für den kommenden Sommerurlaub geschrieben – locker, unterhaltsam und witzig von der ersten bis zur letzten Seite. 

Hier geht es zur Leseprobe im Diana Verlag. 

Dienstag, 28. Juni 2016

Tom McCarthy "Satin Island"

U. ist Anthropologe und arbeitet in der freien Wirtschaft. Sein Auftrag lautet, den ultimativen großen Bericht zu schreiben. Die Form? Egal, die findet sich. Vor diesem Auftrag stehend ergeht U. sich für den Leser in Betrachtungen über die Menschen in der Gegenwart, seiner „Präsensanthropologie“ wie er es nennt. Von Ölkatastrophen über Starbucks zu Fallschirmunfällen und politischen Protesten fasst er fast formlos und unsortiert die Welt zusammen.
Es ist nicht der große Bericht, den man mit „Satin Island“ liest, es ist ein faszinierendes und anregendes Buch. Tom McCarthy zwingt regelrecht zum Nachdenken und Weiterdenken. Sicher ist es keine lockerleichte Unterhaltungsliteratur, aber McCarthy legt den Finger in die Wunden der Gesellschaft und führt uns unsere eigene Absurdität vor. Er ist ein großartiger Beobachter von Menschen und Mustern, anders hätte „Satin Island“ wohl nicht zu dieser Form finden können. Was nach einem Mammutroman von 800 Seiten klingt fasst er kompakt und doch überzeugend auf 200 Seiten zusammen und lässt uns Leser am Ende doch allein zurück mit der Frage, was das eigentlich war, was wir da gerade gelesen haben. Beobachtung? Gesellschafskritik? Oder einfach nur die Beschreibung des alltäglichen Chaos, dem wir uns alle immer wieder wie U. auch stellen müssen.

Am Anfang hatte ich Probleme, mich in den Stil von Tom McCarthy einzufinden und wirklich in „Satin Island“ einzutauchen, doch Seite für Seite faszinierte es mich immer mehr. McCarthy ist ein spannendes und außergewöhnliches Stück Literatur gelungen, das meiner Meinung nach vollkommen zu Recht für den Booker Prize 2015 nominiert war. 

Hier geht es zur Leseprobe im DVA Verlag. 

Donnerstag, 23. Juni 2016

Sophie Kinsella "Shopaholic &Family"

Rebecca Bloomwood ist wieder unterwegs, dieses Mal aber nicht nur mit ihrem Mann Luke und Tochter Minnie. Ein Roadtrip steht an und mit dabei sind neben Freundin Suze auch Beckys Mutter Jane und deren Freundin Janice. Gemeinsam wollen Sie Beckys Vater Graham und Suzes Mann Tarquin finden, die plötzlich verschwunden sind, um irgendetwas „in Ordnung zu bringen“, wie es auf einem hinterlassenen Zettel stand. Die Jagd führt sie von L.A. nach Las Vegas und noch weiter durch den Süden Kaliforniens. Was hat Beckys Vater nur vor und welches Geheimnis verbirgt er vor seiner Familie?
In diesem Band der Shopaholic-Reihe präsentiert sich Rebecca wunderbarerweise mal von einer etwas anderen, ruhigeren Seite. Sonst immer auf der Jagd nach Schnäppchen, Promis und den berühmten fünf Minuten Ruhm, merkt sie jetzt, dass diese Oberflächlichkeit nicht alles ist. Das Verschwinden ihres Vaters und ein Streit mit Suze führen dazu, dass sie reflektierter wird. Dadurch gewinnt das ganze Buch, da es nicht mehr so platt und bunt daher kommt und Rebecca einem wieder sympathischer wird, nachdem sie im vorherigen Buch den absoluten Höhepunkt an Egoismus erreicht hatte.
Ansonsten ist „Shopaholic & Family“ von Sophie Kinsella wieder super geschrieben, flüssig und spannend zu lesen und eine super Lektüre für den Sommerurlaub. Besonders wenn man die Charaktere schon kennt und die Bezüge zu „Shopaholic in Hollywood“ herstellen kann, lohnt sich das Buch. Auch Derek Smeath, Beckys langjähriger Bankmitarbeiter, kommt wieder zu einem Gastauftritt, auch wenn seine Rolle hier recht klein ist. Alles in allem kann man „Shopaholic & Family“ allen Fans wieder uneingeschränkt empfehlen. 

Hier geht es zur Leseprobe im Goldmann Verlag. 


Montag, 20. Juni 2016

Lucinda Riley "Helenas Geheimnis"

 Jugend verbrachte Helena wunderbare Wochen auf Zypern. Jetzt kehrt sie 20 Jahre später mit ihrem Mann und ihren Kindern zurück in das Haus mit dem verhängnisvollen Namen „Pandora“, das sie von ihrem Patenonkel geerbt hat. Viele Geheimnisse ranken sich um Helenas Leben, die nicht einmal ihr Mann William kennt, unter anderem, wer der Vater ihres dreizehnjährigen Sohns Alex ist. Wird Pandora für alle diese Geheimnisse lüften, die Helena jahrelang versteckt hat?
Lucinda Riley gilt nicht umsonst als Garantin für spannende und emotionale Unterhaltungsliteratur, auch „Helenas Geheimnis“ funktioniert wieder großartig für den Leser und reißt ihn von der ersten Seite an mit. Eine Frau kehrt zurück an einen Ort aus ihrer Vergangenheit und versucht, ihre Geheimnisse vor allen anderen zu schützen. Dass das nicht problemlos funktioniert und einige Charaktere auftauchen, die ihr das Leben nicht leichter machen, schafft einen großartigen Spannungsbogen. Durch die wechselnde Erzählperspektive zwischen Helenas Erlebnissen und den Tagebucheinträgen ihres Teenager-Sohns Alex kann der Leser Helenas Geschichte gleich aus zwei Blickwinkeln folgen, was die Spannung und auch das Mitgefühl für die Charaktere erhöht. Am Ende hatte Lucinda Riley es geschafft, dass auch ich als Leser nicht mehr wusste, auf wessen Seite ich stehe, da alle Motivationen und Beweggründe der Charaktere so logisch und stringent wirkten. Als dies umgibt die Autorin mit wunderbaren Beschreibung der Insel Zypern und ihren Bewohnern.
„Helenas Geheimnis“ hat alles, was gute Unterhaltungsliteratur ausmacht, wie auch die anderen Romane von Lucinda Riley wird man es nicht so schnell wieder aus der Hand legen und fühlt mit Helena von der ersten bis zur letzten Seite – einfach großartig geschrieben. 

Hier geht es zur Leseprobe im Goldmann Verlag. 

Mittwoch, 15. Juni 2016

Mikael Bergstrand "Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half"

Göran Borg ist nach einem Jahr in Indien zurück in Schweden, hat einen Job und versucht wieder anzukommen. Als sein Freund Yogi jedoch in Delhi seine Verlobte heiraten will, plant Göran eine erneute Reise nach Indien. In Schweden ist er mit seinem Leben zunehmend unzufrieden und als die Hochzeit seines Freundes mehrfach wegen „horoskopieller Probleme“ verschoben wird, ignoriert er diese Nachricht einfach und fährt kurzentschlossen trotzdem nach Delhi. Dort erwarten ihn mit der Hochzeitsplanung auch zahlreiche Probleme, denn nicht die Horoskope des Paares sind das eigentliche Problem, sondern die finanzielle Situation des Schwiegervaters. Ein großer Coup mit einer Teeplantage in Darjeeling soll die Finanzierung retten, doch damit scheinen die Probleme erst richtig loszugehen. Ohne Görans Hilfe wäre Yogi jetzt völlig aufgeschmissen.
Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihmein Tiger auf die Sprünge half“ ist als Titel zwar nicht ganz richtig und erinnert sicher auch bewusst an die bekannten Romane von Jonas Jonasson, das Buch kann dem Vergleich zu Jonassons Büchern jedoch auch problemlos standhalten. Kuriose Charaktere treffen in witzigen Situationen aufeinander und mehr als einmal gewinnt der ungewöhnlichste Weg der Problemlösung vor vermeintlich einfachen Entscheidungen. Göran und Yogi versuchen auf außerordentlich unterhaltsame Weise den Deal mit eine Teeplantage zu retten (obwohl sie keine Ahnung von der Teeproduktion haben) und nebenbei reißt auch noch Yogis äußerst resolute Verlobte das Zepter an sich. Das ist auch gut so, den Yogi bezeichnet sich selbst nicht umsonst als Elefanten, der jemanden, braucht der ihn antreibt. Ansonsten scheint Essen sein einziger Lebensinhalt zu sein.
Die Lektüre dieses Romans hat einfach Spaß gemacht, auch wenn ich gar nicht wusste, dass es einen ersten Band zu der Geschichte um Görans Indienerfahrungen gibt. Die Wissenslücken fallen beim Lesen aber nicht weiter auf, die Geschichte funktioniert offensichtlich sehr gut unabhängig vom Vorgänger. Mikael Bergstand ist ein äußerst unterhaltsamer und locker-leichter Roman mit viel Humor und Menschenkenntnis gelungen. Der ein oder andere von uns Lesern wird sich sicher in Yogi oder Göran wieder erkennen, in ihren Marotten und Eigenarten sind sie dennoch gleichzeitig einzigartig und sehr witzig. Ich kann das Buch nur allen weiterempfehlen, die etwas kuriosen Entwicklungen und Charakteren nicht abgeneigt sind und beim Lesen auch gerne etwas zu lachen haben

Hier geht es zur Leseprobe im btb Verlag.







Iona Grey "Als unsere Herzen fliegen lernten"

Stella ist ohne Familie aufgewachsen und als sie, mitten im Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1943 den Pfarrer Charles Thorne heiratet, hofft sie, endlich eine Familie und ein eigenes zu Hause zu bekommen. Doch schnell zeigt sich, dass ihr Eheleben keinesfalls glücklich ist und als ihr Mann als Kaplan in den Krieg nach Afrika geht und sie den jungen amerikanischen Flieger Dan kennenlernt, beginnt für sie ein neues Leben. Sie flieht aus der Kälte ihrer Ehe in seine Arme. 70 Jahre später findet eine junge Frau einen Brief von Dan an Stella, in dem er versucht, erneut Kontakt zu ihr aufzunehmen. Was ist passiert, dass das junge Paar wieder getrennt hat? Jess macht sich auf die Suche nach Stella, um die beiden mehr als ein halbes Jahrhundert später wieder zusammenzubringen.
„Als unsere Herzen fliegen lernten“ ist ein zauberhaft romantisches und rührendes Buch über eine junge Frau, die sich völlig naiv in eine unglückliche Ehe begibt und sich dann zu befreien versucht. Als sie sich wirklich verliebt, wird sie ein völlig anderer Mensch und in Dan findet Stella einen sensiblen und rücksichtsvollen Mann, der ihr Hoffnung auf das Leben macht, das sie schon lange sucht. Die Geschichte ist sehr schön geschrieben und die Autorin Iona Grey schafft auf vielen Schauplätzen sympathische bis griesgrämige Charaktere, die die Geschichte noch lebendiger machen. Besonders der Frauenclub, der sich um den Pfarrer scharrt wie um einen Popstar und für den das jährliche Pfingstfest so aufsehenerregend ist wie heute eine Fußballweltmeisterschaft lässt einen als Leser häufig schmunzeln. Akribisch wird gebacken und gestritten, was wirklich sehr unterhaltsam ist. Dabei steht jedoch immer Stella mit ihrem Gefühlsleben im Vordergrund, so dass man nie den Faden zur Hauptfigur verliert, die einen auch anhand der Briefe, die Dan ihr während des Krieges schrieb, durch das ganze Buch begleitet.
Die eingeschobenen Passagen um Jess, die ungefähr in Stellas damaligen Alter ist und sich in der heutigen Welt alleine durchschlagen muss, wie Stella ohne Familie, schlägt einen schönen Bogen zur Gegenwart und einer weiteren kleinen Liebesgeschichte, die wunderbar zum gesamten Aufbau des Buches passt.
Iona Grey ist mit „Als unsere Herzen fliegen lernten“ ein rührendes Buch über die Liebe und ihre Hindernisse gelungen, das einen von der ersten bis zur letzten Seite berührt, ein wunderbarer romantischer Liebesroman. 

Hier geht es zur Leseprobe im Blanvalet Verlag. 

Samstag, 11. Juni 2016

Sarit Yishai-Levi "Die Schönheitskönigin von Jerusalem"

Luna ist anders als andere Frauen. Wie schon ihre Mutter Rosa, die für sie keine Liebe empfinden konnte, kann sie keine Liebe für ihre Tochter Gabriela aufbringen. Es ist, als würde ein Fluch über den Frauen der Familie liegen, so dass sie keine Liebe in ihrer Ehe finden und auch zu Ihren Töchtern keine Nähe aufbauen können. Sowohl Luna als auch ihre Mutter Rosa treibt das in eine aufreibende Einsamkeit. Gabriela erfährt diese Geschichte erst Stück für Stück und hat vielleicht die Möglichkeit, diese Geschichte voller Leid ihrer Familie zu durchbrechen. 
In „Die Schönheitskönigin von Jerusalem“ erzählt die Autorin Sarit Yishai-Levi die Geschichte einer wunderschönen und verstörend egoistischen Frau, die die Verbindung zwischen ihrer Mutter Rosa und ihrer Tochter Gabriela herstellt. Das Leben dieser drei faszinierenden Frauen erzählt sie vor dem Hintergrund der Geschichte Israels und besonders Jerusalems. Die Spaltung zwischen den Juden spielt dabei eine wichtige Rolle. Die einen, die aus Spanien kamen mit ihrer eigenen Sprache und Traditionen und anderen Juden, die sich von ihnen abgrenzen wollen, wie auch die „Spaniolen“ wie sie sich nennen, nichts mit ihnen gemeinsam haben wollen. Die Geschichte der Familie berichtet von der englischen Besatzung, die beginnenden Auseinandersetzungen mit den Arabern und dem wirtschaftlichen Abstieg der Familie.
Die israelische Autorin Yishai-Levi, die mit „Die Schönheitskönigin von Jerusalem“ ihren ersten Roman nach mehreren Sachbüchern vorlegt, ist ein emotionaler und gleichzeitig sehr analytischer Roman über die Liebe und die Last, die Traditionen und familiäre Vorstellungen den nachfolgenden Generationen aufladen. Einfach uneingeschränkt empfehlenswert. 

Montag, 6. Juni 2016

Bill Bryson "It's teatime, my dear!"

Bill Bryson bereist noch einmal Großbritannien, wieder ist er reif für die Insel. Was hat sich verändert, welche Orte wollte er schon lange sehen, diese Liste arbeitet er in „It’s teamtime, my dear“ ab. Dabei erzählt er auf gewohnt charmante Art von Land und Leuten, von Sehenswürdigkeiten und kleinen verschlafenen Orten, die kaum jemals ein Tourist besuchen würde.
Leider kommt in diesem Band etwas durch, was in den bisherigen Büchern von Bill Bryson durch viel Witz überdeckt wurde: stellenweise wirkt er einfach wie ein nörgeliger alter Mann. Das klingt böse, doch so charmant Bryson in seinem Stil auch immer noch ist, meckert er vielen Stellen, die er früher mit viel Humor überspielt hätte. Dadurch fehlte mit ein wenig die Fröhlichkeit und der Wortwitz, der seine bisherigen Bücher ausgemacht.

Dennoch lässt sich das Buch wieder gut lesen und wer bisher ein Fan von Bill Bryson war, wird sicher wieder seinen Spaß damit haben. Ich hätte mir ein wenig mehr Leichtigkeit gewünscht, damit man mit noch mehr Freude seine Reise begleitet. Wer Bill Bryson noch nicht kennt, sollte vielleicht mit „Reif für die Insel“ in die Bryson-Lektüre starten, dann ist dieses Buch besser zu verstehen und auch die kleinen Spitzen vom Autor sind besser nachzuvollziehen. 

Hier geht es zur Leseprobe im Goldmann Verlag.