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Samstag, 30. Dezember 2017

Marissa Stapley "Das Glück an Regentagen"

Als Mae erfährt, dass ihr Verlobter, angeblich erfolgreicher Geschäftsmann, sie nur belogen hat und mit dem Geld seiner Investoren auf und davon ist, wirft sie dies völlig aus der Bahn. Sie sucht Zuflucht bei ihren Großeltern in einem Haus am St. Lorenz- Strom, um wieder zu sich zu finden. Doch zu Hause angekommen muss sie feststellen, dass ihre Großeltern gar nicht mehr so glücklich zusammenleben wie gedacht und dass ihre Großmutter sich höchst seltsam verhält. Als dann auch noch ihre Jugendliebe Gabe wieder im Ort auftaucht, der sie vor Jahren über Nacht verlassen hat, ist das Chaos perfekt. Wie soll Mae hier jemals wieder zur Ruhe kommen?
„Das Glück an Regentagen“ handelt eigentlich von zwei Geschichten, einmal von der Geschichte von Maes Großmutter LIlly und dann von Mae selbst. Beide Geschichten sind unweigerlich miteinander verbunden und sehr traurig, denn beide haben einen großen Verlust zu überwinden. Lilly tut dies äußerst pragmatisch, was ihr auch viele Vorwürfe einbringt. Leider habe ich an keiner Stelle wirklich Zugang zu den Figuren gefunden. Die Geschichten haben mir zwar gut gefallen, konnten mich jedoch nicht berühren und Mae habe ich an viele Stellen einfach furchtbar naiv gefunden, ihre Großmutter wirkte sehr egoistisch, auch wenn sie Mae geliebt hat. Für einige ihrer Handlungen ist mir jedoch bis zum Schluss die Intention einfach nicht klar geworden, für mich hingen die Geschichten immer ein wenig am seidenen Faden, waren oft nicht hundertprozentig schlüssig oder nachvollziehbar. Dies lag auch daran, dass die Figuren für mich zu flach waren, gerade Maes Großvater George, der das Potenzial zu einer eindrucksvollen Persönlichkeit hatte, bleibt nach dem Romanbeginn sehr leer, seine Reaktion auf die Geschehnisse wirkt völlig überzogen, da sie dem Leser gar nicht richtig erklärt wird. 
Trotz der schönen Idee konnte Marissa Stapley mich mit ihrem Roman „Das Glück an Regentagen“ nicht wirklich erreichen, ich fand die Story stellenweise zäh und zu konstruiert. Sehr schön fand ich jedoch die Idee, jedes Kapitel mit einem Spruch zu überschreiben, wie man die langen Regentage am St. Lorenz-Strom am besten rumkriegen könnte- Tipps von Maes Mutter für ihre Tochter. 

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Freitag, 22. Dezember 2017

Mary Basson "Die Malerin"

Gabriele Münter, genannt Ella, ist jung und unabhängig, äußerst ungewöhnlich für das beginnende 20. Jahrhundert in Deutschland. Statt sich einen Mann zum Heiraten zu suchen, investiert sie ihre ganze Energie in die Malerei und lernt so Wassily Kandinsky kennen, dessen Malschule sie in München besucht. Die beiden beginnen eine Liebesbeziehung, doch Kandinsky ist verheiratet und hält Ella hin. Die Beziehung der beiden ist künstlerisch fruchtbar, doch sie zehrt Ella aus. Trotz der Turbulenzen versteckt Ella Kandinskys Bilder vor den Nazis, als diese zur entarteten Kunst erklärt werden. Das bewegte Leben von Gabriele Münter kann sich jetzt endgültig nicht mehr von der Politik lösen.
Das Leben von Gabriele Münter ist sehr bewegend und Mary Basson beschreibt alles in einer wunderbaren Sprache, die einen als Leser gleich mitnimmt. Man schwankt zwischen Bewunderung für diese unabhängige Person, die Ella ist und Mitleid mit der ausgenutzten Geliebten, die immer hofft, dass sie doch noch offiziell zu Frau Kandinsky wird. Der berühmte Künstler Wassily Kandinsky kommt hier nicht so gut weg, was aber wohl auch den realen Vorgängen entsprach, hat er Gabriele Münter doch selten gut behandelt. Diese beiden Künstlerseelen, die sich kreativ gut ergänzten und gemeinsam so Großartiges wie den Blauen Reiter geschaffen haben, haben es auf persönlicher Ebene nie geschafft, richtig zusammenzufinden.
Die Lektüre von „Die Malerin“ hat mir sehr viel Freude gemacht, das Thema ist spannend und sehr schön umgesetzt und wie nebenbei erfährt man sehr viel über die Künstlerbewegung im damaligen München und die Maler des Blauen Reiters. Eine sehr unterhaltsamer Roman der gleichzeitig noch eine kleine Stunde in Kunstgeschichte enthält, das kann ich gut weiterempfehlen. 

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Donnerstag, 21. Dezember 2017

J.K. Rowling, John Tiffany, Jack Thorne "Harry Potter und das verwunschene Kind"

Sie sind zurück: Harry, Hermine und Ron gehen zwar nicht mehr in Hogwarts zur Schule, doch der Zaubererwelt sind sie erhalten geblieben. Neunzehn Jahre später sind sie älter geworden, habe geheiratet und Kinder bekommen und Jobs im Zaubereiministerium oder wie Ron einen Laden für Süßigkeiten und Scherzartikel. Doch als Harry Narbe wieder zu schmerzen beginnt und sein Sohn Albus aus der Schule abhaut (auch noch zusammen mit Darco Malfoys Sohn Scorpius), wird klar, dass sich etwas Dunkles anbahnt. Und die beiden Jungs haben sich in große Schwierigkeiten gebracht – ähnlich wie früher Ron, Hermine und Harry.
Wer sich auf eine Fortsetzung der Romane mit „Harry Potter und das verwunschene Kind“ gefreut hat, sollte seine Erwartungen erst einmal sehr zurückfahren. Mit den Roman hat Joan K. Rowlings neues Werk wenig zu tun, es ist das Script für ein Theaterstück mit mehr oder weniger ausführlichen Regieanweisungen, die dabei helfen, sich die Szenerie vorzustellen. Als fleißiger Harry-Potter-Leser kennt man sich ja auch aus im Hogwarts-Kosmos und kann sich alles gut vorstellen. Doch auch wenn man sich auf das Lesen eines Theaterstücks eingestellt hat, bleibt immer noch die Story, die mich überhaupt nicht überzeugen konnte. „Harry Potter und das verwunschene Kind“ ist nicht mehr als ein Abklatsch bekannter Motive, nur dass jetzt eine jüngere Generation gegen die dunkle Seite kämpfen muss, nämlich Albus und Scorpius. Der Weg dahin war für mich ziemlich abstrus und es wurde einfach nicht gut genug klar gemacht, warum Albus sich jetzt so zurückgesetzt fühlt, dass er vollständig gegen seinen berühmten Vater rebelliert. Seine Geschwister kamen quasi gar nicht vor, was ich auch etwas zu einseitig fand.

Im Großen und Ganzen muss man leider sagen, dass man sich die Lektüre von „Harry Potter und das verwunschene Kind“ schlicht und einfach sparen könnte. Natürlich will man als Leser dann doch wissen, wie es mit Harry Potter weiterging und das war auch meine Motivation, das Buch zu lesen. Eine spannende Story, die etwas anderes als bekannte Schemata und Rollenbilder bringt, sollte man jedoch nicht erwarten. 

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Mittwoch, 20. Dezember 2017

Lucinda Riley "Die Perlenschwester"

CeCe ist auf der Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit, als sie nach Thailand aufbricht. Von dort soll es weitergehen nach Australien und um ihre Herkunft zu ergründen hat sie nur ein Foto und einen Namen: Kitty Mercer. Kitty hatte in eine große Perlendynastie in Broome eingeheiratet und kam Ende des 19. Jahrhunderts von Schottland nach Australien. Doch was hat Kitty Mercer mit CeCe d’Aplièse zu tun? Schneller als gedacht wird sich für CeCe alles aufklären, nachdem sie in Australien angekommen ist.
„Die Perlenschwester“ ist der mittlerweile vierte Band der Reihe um die sieben Schwestern von Lucinda Riley. Wie ein Uhrwerk liefert die Autorin einen Band nach dem anderen ab und diesem hier merkt man leider langsam an, dass er ein Serienprodukt ist. Das immer gleiche Schema aus Rückblenden zu einer wichtigen Figur der Vergangenheit und der Gegenwart um eine Schwester wirkt langsam überstrapaziert und die Reise von CeCe wird durch ihren Aufenthalt in Thailand und einen Mann, den sie dort kennenlernt, künstlich in die Länge gezogen. Für die weitere Geschichte hat diese Episode kaum Bedeutung und wirkt deshalb etwas sinnfrei vorne angestellt. Die eigentliche Suche nach ihrer Vergangenheit in Australien geht dann sehr schnell, kaum ist sie da, hat sie gefühlt auch schon ihren Großvater gefunden. Hier fehlten mir dann doch einige Aspekte, um die Geschichte wahrscheinlich zu machen, alles war unglaublich einfach.

Auch wenn der Schreibstil von Lucinda Riley wie immer sehr flüssig und mitreißend war, konnte mich die Story leider nicht mehr so überzeugen wie bei den letzten Romanen. 

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Goldmann Verlags. 

Montag, 18. Dezember 2017

Juli Zeh "Leere Herzen"

In „Leere Herzen“ beschreibt Juli Zeh eine mögliche Zukunft. Eine Welt, die zynisch ist und in der der große Berlinhype dazu geführt hat, dass alle in farblose Kleinstädte ziehen. Auch Britta hat das getan und mit ihrem Geschäftspartner Babak mit der „Brücke“ ein Unternehmen gegründet, das auf den ersten Blick wie eine Therapieeinrichtung für Suizidgefährdete wirkt, in Wahrheit aber einen völlig neuen Geschäftszweig für sich entdeckt hat. Doch genau darf das niemand wissen, denn das Geschäft mit dem Tod ist gefährlich. Plötzlich scheint jemand ihre Geschäftsidee kapern zu wollen und Britta und Babak müssen zu ungewohnten Maßnahmen greifen, denn auch ihr eigenes Leben ist plötzlich bedroht.
Juli Zeh hat zuletzt mit ihrem Gesellschaftsroman „Unterleuten“ uneingeschränkt überzeugt. Ihr neuer Roman „Leere Herzen“ setzt jetzt an einer ganz anderen Stelle an, es ist ein Zukunftsroman, der eine von vielen Möglichkeiten durchspielt, wie die Welt sich entwickeln könnte. Und es ist für mich ein sehr glaubwürdiges Szenario, das sie packend beschreibt. Als Leser ist man sofort gespannt auf diese Welt, auch wenn sie einen gruselt. Denn es ist eine kalte und zynische Welt ohne Mitgefühl, die Juli Zeh hier erschaffen hat. Es bleibt zu hoffen, dass wir diese Entwicklung noch abwenden können, denn folgt man dem Gedankengang der Autorin, sind wir auf dem direkten Weg in die dieses Szenario. „Leere Herzen“ ist keine unwahrscheinliche Science-Fiction-Idee, sondern die Realität, die uns allen blüht, wenn es einfach weitergeht wie bisher. Lediglich die Figuren bleiben mir etwas zu blass, da hätte ich mir noch mehr Informationen gewünscht, um einen guten Zugang zu finden.

In ihrem Roman „Leere Herzen“ schafft Juli Zeh eine beängstigende Aussicht auf die Zukunft, spannend und packend realistisch, so dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann, wenn man erst einmal in die Zukunft eingetaucht ist. 

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Luchterhand Literaturverlags. 

Freitag, 15. Dezember 2017

Angelika Overath "Der Blinde und der Elephant"

Angelika Overath hat eine unglaubliche Beobachtungsgabe, wenn sie über Menschen schreibt, meint man als Leser dabei zu sein und die Personen direkt kennenzulernen. Mit „Der Blinde und der Elephant“ ist bei Luchterhand eine Sammlung ihrer Texte erschienen, Reportagen und Berichte, nach Themen gesammelt.
Ich mag den Stil von Angelika Overath sehr, ihr Buch „Flughafenfische“ fand ich absolut grandios, sowohl von der Idee als auch von der Umsetzung. Dieser Band lässt mich jedoch etwas ratlos zurück, viele Texte haben mich inhaltlich einfach nicht angesprochen oder ich fand sie zu zäh und theoretisch, um sie mit viel Freude zu lesen. Das trifft nicht auf alle Texte zu, besonders die ersten Abschnitte, die von ihrer Zeit in der Türkei berichten oder einer Reise nach Rumänien waren faszinierend. Doch dann folgt viel Theorie zu Bildbeobachtung und Lyrik, die mich einfach nicht mitnehmen konnten. Zwar ist die thematische Sortierung gut gelungen, man hat einen schönen Überblick, was das Buch anbietet und kann hier und da reinschnuppern. Meinen Geschmack haben einige Texte jedoch nicht getroffen, ich hatte meine Probleme besonders mit dem mittleren Teil zur Bildbeschreibung, der für mich einen zu großen Teil des Buches einnimmt.

Ich finde, dass „Der Blinde und der Elephant“ der Autorin nicht ausreichend gerecht wird, sie hat großartige Texte verfasst, die hier nicht richtig zur Geltung kommen. Zum immer mal wieder reinlesen ist das Buch ganz gut geeignet, zum Durchlesen fand ich es nicht überzeugend genug. 

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Luchterhand Verlags. 

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Carola Dunn "Miss Daisy und der Mord im Museum"

Die zauberhafte Daisy Dalrymple ermittelt wieder – wenn auch etwas ungewollt. Während sie 1923 für einen Artikel über das Naturkundemuseum in London recherchiert, wird dort ein Mitarbeiter ermordet. Daisy ist als erste am Tatort und pfuscht so ihrem Verlobten, dem Polizisten Alec Fletcher, wieder einmal ins Handwerk, indem sie sich in seine Ermittlungen einmischt.
Dieser Kriminalroman mit Miss Daisy erinnert schon stark an Miss Marple, aber das schadet kein bisschen. Ganz im Gegenteil, der langsame und unspektakuläre Stil von Carola Dunn lässt sich wunderbar lesen und die Story kommt völlig ohne neumodische Forensik, wilde Explosionen und Verfolgungsjagden aus. Ein bisschen Kombinationsgabe und die gute Zusammenarbeit mit der Polizei machen es möglich, dass Daisy dem Täter auf die Spur kommt. Angereichert ist „Miss Daisy und der Mord im Museum“ zudem mit zahlreichen sympathischen oder auch streitbaren Figuren, von Daisys Schwiegermutter in Spe über die anderen Polizisten bis zum verarmten alten europäischen Adel, der versucht wieder auf die Beine zu kommen.

In „Miss Daisy und der Mord in Museum“ greifen alle Handlungsstränge sehr schön ineinander und Carola Dunn hat so einen spannenden Krimi mit einer tollen Hauptfigur geschaffen, der beim Lesen einfach Freude bereitet. 

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Mittwoch, 13. Dezember 2017

Weihnachten mit Loriot

 Wer kennt es nicht, wenn man Weihnachten vorm Fernseher sitzt und sich Jahr für Jahr wieder über „Weihnachten bei Hoppenstedts“ amüsiert? Loriot ist aus deutschen Wohnzimmern nicht mehr wegzudenken. Mit dem Band „Weihnachten mit Loriot“ hat der Diogenes Verlag jetzt eine Sammlung von Sprüchen und Bildern herausgegeben, die noch weit über die Hoppenstedts hinausgeht.
Vorangestellt ist zwar das bekannte Gedicht aus dem Fernsehsketch, in dem die Försterin ihren Gatten „zerlegt“, doch dann folgt viel Neues und Unbekanntes rund um Weihnachten und die Feiertage, das einen lachend auf dem Sofa sitzen lässt. Die Menschen sind rund um die wichtigsten Feiertage des Jahres einfach höchst kurios in Verhalten und Äußerungen, wie Loriot erkannt hat und umso mehr Spaß macht es, ihr Verhalten so überspitzt dargestellt zu sehen. Egal ob Weihnachtseinkäufe, das Weihnachtsessen oder die wilden Silvesterfeierlichkeiten, alles wird hier in Wort und Bild auf die Schippe genommen.
Loriot ist einfach eine Klasse für sich und „Weihnachten mit Loriot“ fügt sich da nahtlos ein. Lustig, unterhaltsam und doch mit viel Liebe zu den Menschen wird Weihnachten kritisch beäugt. Dieses schöne Buch wurde von Diogenes jetzt in einer sehr hübschen Ausgabe neu herausgegeben und sollte seinen Platz unter jedem Weihnachtsbaum finden! 

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Dienstag, 12. Dezember 2017

Ayelet Gundar-Goshen "Lügnerin"

Nuphar Shalev ist ein unsicheres Mädchen, das in den Sommerferien als Eisverkäuferin arbeitet. Als aus einem Missverständnis eine Lüge wird und sie plötzlich im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit steht, scheint sie regelrecht aufzublühen. Doch die Lüge bleibt eine Lüge und sie lastet auf ihr. Kann sie wirklich damit durchkommen oder wird alles über ihr zusammenbrechen?
Ayelet Gundar-Goshens Roman „Lügnerin“ ist ein spannendes und hochinteressantes Buch über eine Lüge, die durch die erfahrene Aufmerksamkeit immer weiter wächst und fast außer Kontrolle gerät. Mit einem feinen Sinn für die Psychologie der Menschen beschreibt die Autorin das junge Mädchen und die stattfindenden Veränderungen. Ihr ganzes Leben scheint sich plötzlich in einem besonderen Licht zu befinden, während andere, die bisher dort standen, in den Schatten vertrieben werden. Gundar-Goshen bleibt die ganze Zeit neutral, sie bezieht keine Position für oder wider der Hauptfigur. Sie berichtet und beobachtet und betont gleichzeitig die Rolle, die die Medien und die Öffentlichkeit bei der Verbreitung der Lüge spielen. Es braucht eine gute Story und schon wird nicht mehr hinterfragt, die Geschichte breitet sich aus und ist nicht mehr zu stoppen.
In „Lügnerin“ legt die Autorin auf beeindruckende Weise dar, wie die öffentliche Aufmerksamkeit Menschen verändern kann. Nicht plump und offensichtlich, sondern psychologisch äußerst fein und raffiniert zeigt Gundar-Goshen die Anfälligkeit des Menschen für Interesse an seiner Person und den Wunsch nach Zuspruch. Nuphar tritt aus ihrer bisherigen Existenz heraus und erst durch die Lüge wird sie „jemand“.

Ayelet Gundar-Goshen hat mit „Lügnerin“ einen eindrucksvollen psychologischen Roman geschrieben, der perfekt in die aktuelle Zeit passt und unbedingt gelesen werden sollte. 

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Donnerstag, 7. Dezember 2017

Klaus Cäsar Zehrer "Das Genie"

Boris Sidis hat einen steinigen Weg hinter sich, als er Ende des 19. Jahrhunderts aus der Ukraine nach Amerika kommt. Doch er ist klug und sehr belesen, eine einzigartige Karriere liegt vor ihm. Als er Vater wird, will er seinem Sohn die Chance geben, sein Können vollkommen auszuschöpfen und beginnt bereits als Baby bei ihm mit der „Sidis-Erziehungsmethode“, die auf ständige Bildung und Lernanreize setzt. Wie erhofft, entwickelt sich sein Sohn zu seinem Wunderkind, doch ganz wider Erwarten weiß sein Sohn dies nicht zu schätzen und rebelliert auf eine ganz eigene Weise.
„Das Genie“ von Klaus Cäsar Zehrer hat mich sehr berührt und gleichzeitig mitgerissen. William James Sidis, genannt Billy, ist ein Kind in einer falschen Welt, das nie dazugehört und immer der Überflieger ist, ein Wunderkind, das selbst unter Wunderkindern noch einen besonderen Platz einnimmt. Sein Vater nutzt ihn als Vorführungsobjekt seiner Erziehungsmethode und will so das Bildungssystem revolutionieren, dabei verliert er die Bedürfnisse seines Sohnes völlig aus den Augen. Zu keinem Zeitpunkt darf Billy Kind sein, ständig ist er gefordert. Obwohl ihm das augenscheinlich Freude bereitet, zeigt der Autor auf sehr feinfühlige Weise, wie Billy Stück für Stück von einem Genie zu einem Wunderling kippt, der seinen Platz in der Welt nicht findet. Vollkommen auf Wissen und Bildung ausgerichtet fehlt ihm jegliche Sozialkompetenz, die ihm das Leben erleichtern könnte und so scheitert er immer wieder an der Umgebung und seinen Erwartungen an Sie.

Klaus Cäsar Zehrers Roman „Das Genie“ ist ein beeindruckendes Buch, die fiktionale Erzählung einer wahren Geschichte über ein Wunderkind, das eigentlich nichts mehr sein möchte als normal. Das ist so berührend und gleichzeitig auch spannend, dass man Zehrers Roman kaum noch aus der Hand legen kann. Mit Billy Sidis habe ich gelacht und gelitten und ich hoffe, das werden noch viele Leser tun. Es lohnt sich. 

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Dienstag, 5. Dezember 2017

Uwe Timm "Ikarien"

Michael Hansen ist der Sohn deutscher Auswanderer in den USA. Im Jahr 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wird er als Soldat nach Deutschland geschickt. Er soll mehr über einen Nazi-Arzt und das durchgeführt Eugenik-Programm der Nationalsozialisten herausfinden. Doch die Rückkehr nach Deutschland beschäftigt ihn und er bleibt unsicher angesichts der alten Heimat.
Uwe Timm konnte mich mit seinem Werk bisher immer begeistern, egal ob kurz und unterhaltsam wie in „Die Entdeckung der Currywurst“ oder umfassend und gesellschaftskritisch wie in „Morenga“, stets hatte er den richtigen Tonfall und eine gute Geschichte zu erzählen. Das fehlte mir leider bei „Ikarien“ an vielen Stellen. Die Idee fand ich sehr spannend und Michael Hansen ist eine kontroverse Figur, die die Geschichte stellenweise gut voranbringt. Doch in den Gesprächen mit dem alten Antiquar, der von seiner Zeit mit dem Eugeniker berichtet, gab es meiner Meinung nach viel zu viele Längen, die nichts zu der Geschichte beigetragen haben und zu sehr abschweiften. Auch die eigentliche Absicht Hansens, nämlich wirklich Informationen zu sammeln und etwas herauszufinden, gerät in den Gesprächen für mich zu sehr ins Abseits.

Für mich fehlte Uwe Timms Roman „Ikarien“ ein roter Faden, der die im Ansatz großartige Geschichte vorangebracht und strukturiert hätte. So bin ich etwas ratlos zurückgeblieben mit einer Hauptfigur, die mich nicht erreichen konnte und einem Plot, den ich zu zäh und schwerfällig fand. Da wäre deutlich mehr drin gewesen. 

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