Mittwoch, 17. April 2013

S.G. Browne "Pechvogel"


Nick Monday ist ein besonderer Mensch: er ist Glücksjäger. Allein durch das Ergreifen der Hand kann er Menschen ihnen ihr Glück abnehmen und es dann für viel Geld verkaufen. Das Jagen von Glück kann man nicht erlernen, denn diese Fähigkeit wird vererbt. Doch plötzlich hat Nick selbst überhaupt kein Glück mehr. Die chinesische Mafia zwingt ihn für sie zu arbeiten, gleichzeitig haben ihn Regierungsorganisationen auf dem Radar, seine Schwester wird bedroht und die Frau, die ihm einen Auftrag erteilt hat, hat plötzlich eine Doppelgängerin. Alles gerät durcheinander und Nick hat keine Ahnung was da eigentlich passiert. 
S.G Brownes voriger Roman „Schicksal“ hatte mich so begeistert, dass die Erwartungen an„Pechvogel“ sehr groß waren. Diese wurden leider enttäuscht. Zwar ist das Buch durchaus unterhaltsam und die Idee an sich genauso gut wie schon bei Brownes erstem Roman - total skurril und dennoch witzig. Aber in der Umsetzung bleibt der Witz leider etwas auf der Strecke. Nick Monday geht mit einer derartigen Arroganz durchs Leben, dass man ihm ab einem gewissen Punkt schon fast wünscht, er möge ruhig wieder auf die Nase fallen und so fällt es schwer, sich mit dem Protagonisten in irgendeiner Form zu solidarisieren. Man bleibt als Leser bei diesem Roman außen vor, man beobachtet zwar, wird aber nicht mitgerissen, dafür fehlen einfach die Charaktere, die einen emotional ansprechen könnten. 
Gleichzeitig passiert an einem Tag in der Handlung so unglaublich viel, dass es schwer fällt zu verfolgen, wer ihn jetzt gerade entführt hat, unter Drogen setzt, erpresst oder droht seine Schwester und ihre Familie umzubringen. Meiner Meinung nach hätte eine etwas stärker organisierte Handlung und ein paar sympathische Charakterzüge der Hauptfigur diesem Buch gut getan.
 Es ist dennoch nicht alles schlecht, da der Stil von Browne sehr gut lesbar ist und einzelne Szenen einen komischen Effekt haben, der einem das Grinsen hin und wieder dann doch ins Gesicht treibt. An "Schicksal" kann „Pechvogel“ dennoch nicht heranreichen. 

Dienstag, 16. April 2013

Joanne Harris "Himmlische Träume"


Nach acht Jahren kehrt Vianne Rocher nach Lansquenet zurück. Ein alter Brief ihrer toten Freundin bringt sie dazu, Paris den Rücken zu kehren und mit ihren Kindern Anouk und Rosette in das Dorf zurückzufahren, das sie einst vehement bekämpft und vertrieben hat. Dort trifft sie auf alte Freunde und alte Feinde. Doch der Pfarrer, der einst gegen sie hetzte, scheint selber Probleme zu haben und ist auf ihre Hilfe angewiesen. Und die maghrebinische Gemeinde im Ort hat sich vergrößert und mit Inès eine starke Persönlichkeit gewonnen, die der Gemeinde viel Ärger bereitet. Vianne muss herausfinden, was eigentlich passiert ist, das diese Feindschaften sät.
 „Himmlische Träume“ ist der dritte Band der Romanreihe um Vianne Rocher, die mit „Chocolat“ einen weltberühmten Anfang hat. Dieser Roman von Joanne Harris ist großartig zu lesen, auch ohne die ersten beiden Bände gelesen zu haben. Die Geschichte hat etwas märchenhaftes, die Figuren aus 1001 Nacht treffen auf ein scheinbares südfranzösisches Dorfidyll, dessen Fassade schon völlig zerbröckelt scheint. Francis Reynaud, der Pfarrer der Gemeinde, wird beschuldigt gegen die Maghrebiner zu hetzen, intolerant und fremdenfeindlich zu sein und wird durch einen anderen Pfarrer ersetzt. Hilflos kämpft er gegen diese Vorurteile und macht damit alles nur noch schlimmer. Vianne, früher seine erbitterte Gegnerin, sieht sich plötzlich in der Position, ihm helfen zu müssen.
Der Stil der Autorin bei all dem ist sehr farbig, die Geschichte voller Fantasie und märchenhaft anmutender Szenen. Dabei wird dennoch ein hochaktuelles Thema der französischen Gesellschaft thematisiert, das Zusammenleben mit Zuwanderern, die nicht nur eine andere Kultur und Traditionen sondern auch eine den Menschen persönlich  wenig bekannte Religion mitbringen. Dabei nimmt Joanne Harris die Leser von der ersten Seite mit auf diese besondere Reise und verliert sie an keiner Stelle, denn die Beschreibungen sind so detailliert, das man wunderbar folgen kann und lassen dennoch Raum für die eigene Fantasie und Gedankenspielereien.
 „Himmlische Träume“ ist ein wunderbares Buch darüber, was das Eigene und das Fremde in einer kleinen Dorfwelt bedeuten können und wie die Menschen damit umgehen. Absolut für empfehlenswert für jeden, der eine ganz besondere Geschichte sucht. 

Mittwoch, 10. April 2013

Marchesa Colombi "Ein Bräutigam fürs Leben"


Denza ist ein junges Mädchen in Italien Ende des 19. Jahrhunderts. Sie will eigentlich nur eines: von den Männern umschwärmt werden und einen tollen Verehrer heiraten. Als ihre Cousine ihr erzählt, dass ein reicher Mann sie in der Oper beobachtet hätte, verliebt sie sich in ihn, ohne in jemals gesehen zu haben. Wenn die beiden sich treffen, sehen sich in die Augen und Denza ist sich sicher, dass junge Herr sie liebt und heiraten wird, ohne je mit ihm gesprochen zu haben. Doch die Zeit vergeht, ihre Cousinen und ihre Schwester heiraten und der junge Mazzucchetti hat immer noch nicht um ihre Hand angehalten....
Der Roman „Ein Bräutigam fürs Leben“ von Marchesa Colombi erschien ursprünglich 1885 unter dem Titel „Eine Provinzheirat“ und wurde jetzt von Natalia Ginzburg mit einem Vorwort versehen und neu veröffentlicht. Dabei passt der alte Titel sehr viel besser zu der Romanhandlung als der neue, denn um das Leben in der italienischen Provinz geht es eigentlich. Der Stil der Autorin ist leicht und gut lesbar, so dass die 120 Seiten schnell verschlungen sind. Denza ist zwar mit ihrer unglaublichen Naivität fast schon anstrengend, doch gleichzeitig auch ein Bild der damaligen Zeit und des Frauenbildes. Die Vorstellung, ohne Ehemann als alte Jungfer zu enden, ist schlimmer, als einen fremden und vielleicht ungeliebten Mann zu heiraten. Durch den Stil der Autorin wird die Geschichte jedoch nie anstrengend und ein bisschen fühlt man mit Denza mit, ein bisschen belächelt man auch ihre provinzielle Gutgläubigkeit. 
Die in der editionfünf erschienene Neuauflage ist sehr schön gestaltet und damit ein absoluter Geschenketipp, wenn man jemandem etwas besonderes schenken will. Das Vorwort von Natalia Ginzburg macht einen neugierig auf den Roman, so dass man ihn gleich durchlesen möchte. „Ein Bräutigam fürs Leben“ ist ein wunderschönes Büchlein für Zwischendurch geworden, dass man wunderbar immer wieder lesen kann, um neue Seiten zu entdecken. 

Sonntag, 7. April 2013

Seitenzahl im März

Es geht bergab mit den gelesenen Seiten. Diesen Monat habe ich nur drei Bücher geschafft und damit 1 072 Seiten. Also auf in den April, der wird sicher besser!

Samstag, 16. März 2013

Sophie Senoner "Nachtaktiv"


Heloise ist jung, Studentin und lebt in Berlin. Sie geht feiern mit ihren Freundinnen und arbeitet nebenbei bei einem Magazin, bei dem sie eine eigene Kolumne hat. Doch sie hat wie ihre Freundinnen auch ein Problem: Sie ist Single und alle Männer scheinen von einem anderen Stern zu stammen, verstehen tut sie sie nämlich nicht. Die Autorin  Sophie  Senoner beschreibt in dem Roman das Leben von Heloise und ihren Freundinnen Mia und Luise auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens. 
Der Roman erinnert von der Story am Anfang etwas zu sehr an „Sex and the City“ und beim Lesen hatte ich  öfter den Gedanken, dass die Story schon einmal zu oft erzählt wurde, um eigentlich noch neues zu bieten. Und so läuft das Leben von Heloise an einem vorbei, ohne einen wirklich mitzureißen. Doch der Stil von Sophie Senoner ist unterhaltsam und so lässt sich das Buch gut lesen und man hat trotz der relativ beliebigen Handlung Spaß dabei. Ich hätte mir gewünscht, dass die Personen etwas eigenwilliger und charakteristischer gewesen wäre. Es fehlte etwas die herausragende Idee, doch der junge und freche Stil der Autorin macht einiges aus. Und so bleibt das abschließende Urteil: ein durchaus empfehlenswerter Roman über das junge Berlin. 

Dienstag, 12. März 2013

J.R. Moehringer "Knapp am Herz vorbei"


William Sutton ist ein kranker alter Mann, als er nach jahrelanger Haft aus dem Gefängnis entlassen wird. Doch als „Willie the Actor“ ist er der bekannteste Bankräuber Amerikas, zahlreiche Banken hat er ausgeraubt, ohne jemals seine Waffe zu benutzen. Zwei Journalisten begleiten William in diesem Buch auf seine Erinnerungsreise, seine Kindheit und Jugend in New York als Nachfahre irischer Einwanderer Anfang des 20. Jahrhunderts, seine ersten Überfälle, Verurteilungen und Ausbrüche aus Hochsicherheitsgefängnissen. Und immer wieder kommen sie zu Bess, der Frau, mit der alles anfing.
Der Roman besticht durch seine Nähe zu der Hauptfigur, die der Autor J.D. Moehringer durch die persönlichen Erinnerungen von William Sutton herstellt. Die Erzählzeit springt zwischen seinen Erinnerungen und der Gegenwart hin und her, in der er mit Schreiber und Knipser durch New York fährt und die Spuren seines Lebens ergründet. Obwohl einem klar ist, dass das, was William tut eigentlich falsch ist, kann man als Leser nicht anders, als mit ihm zu fühlen und im immer wieder Glück zu wünschen, in der Liebe, bei seinen Überfällen und auch, wenn er mal wieder versucht aus einem Gefängnis zu entwischen, aus dem es eigentlich keinen Ausweg gibt. Die ganze Geschichte ist durchzogen von seinen Gefühlen für Bess, die er eigentlich nur kurz kannte und für die er seinen ersten Raub begangen hat. Egal wo er ist, die Erinnerung an Bess hält ihn aufrecht. Dabei ist nicht immer klar, ob er sich wirklich erinnert oder Wunschträume spinnt, wie es hätte sein sollen zwischen ihnen.
 J.R. Moehringer ist eine großartige fiktionale Biographie eines Bankräubers gelungen, den es wirklich gab. Der „wahre“ William Sutton raubte in seinem Leben um die zwei Millionen Dollar. Auch die Gewaltlosigkeit des Räubers entstammt nicht der Fantasie des Autors, in einem Interview gab William Sutton, dass die Waffe, die er trug, nie geladen gewesen wäre. Die Umsetzung der Geschichte in dem Roman „Knapp am Herz vorbei“ ist dem Autor wunderbar gelungen und er erzählt das Leben von William Sutton so nah und mitreißend, dass man ihn nur ungern wieder verlässt. 

Dienstag, 5. März 2013

Wolfgang Schorlau "Das München-Komplott"


Oktoberfest 1980 in München: Eine Bombe explodiert in einem Mülleimer, zahlreiche Menschen sterben und werden verletzt, es ist der schwerste Terrorschlag in der deutschen Geschichte. Schnell einigt sich die Polizei darauf, dass es ein rechtsradikaler Einzeltäter war, der den Anschlag ausgeführt hat und dabei zu Tode kam. Doch einige Zeugen sagen aus, dass sie mehrere Männer kurz vor dem Anschlag an besagtem Mülleimer gesehen haben. Der Privatermittler Georg Dengler wird vom neuen Chef des BKA beauftragt, den Fall neu aufzurollen. Dabei schickt er ihn und seine Freunde in große Gefahr, ohne davon zu wissen. Denn der Fall zieht weite Kreise in LKA, BKA, Verfassungsschutz und sogar ausländischen Geheimdiensten.
Dieser Krimi von Wolfgang Schorlau ist der bisher unheimlichste, wenn man davon ausgeht, dass seine Spekulationen wahr sein könnten. Was wäre, wenn die Polizei nicht immer nur zum Schutz der Bevölkerung agiert, sondern vielmehr Teile vollkommen korrupt sind und die gesellschaftliche Meinung beeinflussen wollen? Gleichzeitig geht er Spuren der V-Leute in der NPD und der rechtsradikalen Szene nach und sein Ermittler Dengler deckt unangenehme Zusammenhänge auf. Dennoch ist es schwer vorstellbar, was Dengler dort ermittelt und so muss man sich immer wieder klar machen, dass die Romane vor allem eines sind: Kriminalromane, also Fiktion. Kein Tatsachenbericht, keine journalistische investigative Recherche. Dies tut den Büchern jedoch keinen Abbruch, sie bleiben spannend und hochpolitisch. Die Hauptfigur Georg Dengler und auch seine Freunde agieren sympathisch wie immer, dieses mal steht der Horoskopeschreiber Klein mit ihm im Mittelpunkt, eine ungewollt komische Figur in der Truppe um den ehemaligen BKA-Beamten.
Auch wenn dieser Krimi manchmal eine leichte Tendenz zur Verschwörungstheorie zu entwickeln scheint, ist er handwerklich großartig gemacht, logisch aufgebaut und hochgradig spannend bis zur letzten Seite.