Wir befinden uns in Berlin 1922, Leo Wechsler ist Kriminalkommissar und lebt mit seinen zwei Kindern und seiner Schwester in Berlin. Seine Frau ist vor einiger Zeit verstorben und seine Schwester hilft ihm im Haushalt und mit den Kindern. Als ein Wunderheiler erschlagen in seiner Wohnung gefunden wird und eine Prostituierte mit ihrem eigenen Schal erdrosselt wird, hat er mehr Arbeit als ihm Lieb ist und muss seine Familie mit ihren Problemen sich selbst überlassen und sich in die Ermittlungen stürzen. Er ist der einzige der fest daran glaubt, dass die beiden Fälle eine Verbindung haben. Doch wo die liegen könnte, kann er nicht wirklich erklären. Da hilft es nur, immer tiefer zu bohren bei den Zeugen und viel Staub aufzuwühlen.
Auf den ersten Blick scheinen die Romane von Susanne Goga und Volker Kutscher sich ähnlich zu sein. Ein Ermittler im Berlin der 20er und 30er Jahre, der sich mit vollem Einsatz durch seine Fälle gräbt. Doch schnell zeigt sich, dass man den Geschichten nicht gerecht wird, wenn man sie eine Schublade steckt. Leo Wechsler ist ein gänzlich anderer Charakter als Gereon Rath, er ist eigentlich ein Familienmensch, hat viel Verantwortung und kann nicht als einsamer Wolf durch die Gegend ziehen. Dadurch ist seine Ermittlung auch eine ganz andere. Er verlässt sich auf Kollegen, arbeitet mit seinem Team und ist dementsprechend persönlich getroffen, wenn Mitarbeiter ihm Informationen vorenthalten. Auch zeitgeschichtliche Elemente spielen eine wichtige Rolle, die fortschreitende Inflation und die damit zusammenhängende Lebensmittelknappheit betreffen die Familie Wechsler durch dessen Beamtenstatus zwar nur wenig, in ihrem Umfeld können sie jedoch eine deutliche Verschlechterung der Lebensumstände wahrnehmen. Die Gewalt nimmt zu und ungewollt wird Leo Zeuge, wie ein Nachbar seine Frau erschlägt und das Kind alleine zurückbleibt. Leo Wechsler ist sehr viel dichter dran an sozialen Problemen als Gereon Rath, der mit seiner Verlobten feudal essen geht und sich in Unterhaltungslokalen herum treibt. All dies kann er sich auch leisten, weil er finanziell mit der Berliner Unterwelt verbunden ist. Dies wäre bei Leo Wechsler und seiner klaren Vorstellung von Gut und Böse gar nicht vorstellbar.
Die Hauptfigur von Susanne Goga ist vielschichtig, glaubwürdig gestaltet und kann die Handlung der Geschichte problemlos tragen. Obwohl in private Probleme quälen, ermittelt er gewissenhaft und steckt viel Energie in die Arbeit. Die Handlung ist absolut spannend. Durch eingeschobene Passagen, in denen der Täter einen an seinen Gedanken teilhaben lässt, ohne dass der Leser weiß, wer er ist, erhöhen dies noch und bringen einen zum Grübeln, welcher der Charaktere diese schon als psychotisch zu bezeichnenden Gedanken hegt.
Mit „Leo Berlin“ ist Susanne Goga ein spannender und logisch konstruierter Krimi gelungen, der einem gleichzeitig zeitgeschichtlich hochinteressante Einblicke bietet. Ein absolutes Muss für historisch interessierte Krimifans.
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