Dienstag, 25. Juni 2013

Eugen Ruge "In Zeiten des abnehmenden Lichts"


Drei Generationen im 20. Jahrhundert: Während Charlotte und Wilhelm nach dem zweiten Weltkrieg nach Mexiko fliehen und von dort auf eine Möglichkeit warten, in der neu gegründeten DDR die Zukunft mitzubestimmen, lebt ihr Sohn Kurt in Verbannung hinter dem Ural in der Sowjetunion und heiratet die Russin Irina. Später kehren alle zurück nach Deutschland, in die DDR und versuchen dort Fuß zu fassen. Kurts Sohn Alexander wächst bereits in der DDR auf und muss versuchen, sich in die Realität einzufügen. Drei Generationen - und drei Sichtweisen auf ein politisches System im Verfall.
Eugen Ruge ist ein generationsübergreifender Familienroman gelungen, der sich besonders durch das anachronische Erzählen der Ereignisse auszeichnet, die alle im wieder zu einem Punkt zurückkehren, dem 90. Geburtstag von Wilhelm. Dadurch gelingt es Eugen Ruge besondere Verbindungslinien in den Perspektiven der Figuren und ihren Beziehungen aufzuzeigen, ohne sie Wort für Wort formulieren zu müssen. Die Charaktere entbehren nicht einer gewissen traurigen Komik, wie sie an einem am Boden liegenden System festhalten oder sich an den anderen Familienmitgliedern reiben. Jeder scheint sich in der Realität seine eigene Welt gebaut zu haben, die nur stückweise in das wirkliche Leben passt. 
Der Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ wurde von der ZEIT-Redakteurin Iris Radisch als „Der große DDR-Buddenbrooks-Roman“ bezeichnet. Diese Beschreibung passt nicht nur großartig wegen der groß angelegten generationenübergreifenden Erzählung, sondern besonders wegen des Untertitels, den Thomas Mann seinem Werk gab. Bei ihm heißt es „Verfall einer Familie“ und beschreibt den Untergang einer Kaufmannsfamilie, die sich selbst in den Abgrund stürzt und einem Wandel der Zeit nicht gewachsen scheint. Auch bei der Familie Umnitzer scheint ein Verfall der Familie zusammen mit dem Verfall des politischen Systems der DDR stattzufinden, alle sind gezeichnet von Alter, Alkoholismus, Krankheit und enttäuschten Träumen.
 Einen Hoffnungsschimmer lässt Eugen Ruge seinen Lesern dennoch, indem der letzte existierende Nachkomme der Familie, Markus, in dem Buch nur als Kind kurz Erwähnung findet. Wie sein Weg in der deutschen Einheit aussieht, bleibt letztlich dem Leser überlassen. So bleibt der Verfall der Familie doch nicht so abgeschlossen, wie es auf den ersten Blick scheint, während der Verfall des politischen Systems mit der Einheit seinen Abschluss gefunden hat. Eugen Ruge ist mit „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ ein großartiger und stark autobiographisch fundierter Familienroman vor politischer Kulisse gelungen, der 2011 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. 

Donnerstag, 20. Juni 2013

F. Scott Fitzgerald "Der große Gatsby"


Jay Gatsby lebt in einem großen Haus am Meer und jeden Samstag gehen die Menschen bei seinen Partys ein und aus, der Alkohol fließt in Strömen, es wird getanzt und geraucht. Gatsby müsste ein glücklicher Mann sein, denkt man sich, das ganze Geld und die vielen Freunde. Doch all dies ist nur Schein und bei dem Versuch seine erste Liebe Daisy zurück zu gewinnen, die inzwischen verheiratet ist, geht er ohne es zu merken viel zu weit. 
Fitzgerald beschreibt in seinem Roman „Der große Gatsby“ das laute Leben der Goldenen Zwanziger, die Suche nach dem Glück, dem großen Geld und dem amerikanischen Traum. Mit Jay Gatsby hat er dabei eine Projektionsfläche für all das geschaffen, was heute als Inbegriff des damaligen Lebens gilt, das lockere Leben, viele Party und vielleicht auch Gedankenlosigkeit. Der Roman gibt einen Überblick über das gesellschaftliche Panorama und verdeutlicht gleichzeitig die unglaubliche Oberflächlichkeit. Die „roaring twenties“ sind bei Fitzgerald eine Scheinwelt, in der blasse Menschen agieren, die sich selbst täglich den gerade passenden Anstrich verpassen. Ehrlich und wahr scheint nichts zu sein, wie auch der Erzähler schockiert feststellen muss, nachdem er in Gatsbys Welt gelandet ist.
 „Der große Gatsby“ gilt nicht ohne Grund als einer größten Romane seiner Epoche und bietet einen spannenden Blick die Zeit und die Menschen, die versuchen in ihr zu leben. 

Dienstag, 11. Juni 2013

Christian v. Ditfurth "Mit Blindheit geschlagen"


Zwei Jahre nachdem der Historiker Stachelmann der Hamburger Polizei bei der Lösung eines Mordfalls geholfen hat, gerät er selbst in das Visier der Mordkommission. Nach einer Berlinfahrt findet er in seinem Kofferraum die Leiche des neuen Kollegen am historischen Seminar Professor Wolfgang Griesbach. Da er einen One Night Stand mit dessen Ehefrau Ines hatte, scheint das Motiv klar. Doch Stachelmann ermittelt auf eigene Faust, um seine Unschuld zu beweisen und recherchiert in der Vergangenheit des toten Kollegen. Dabei gerät er tiefer in die Machenschaften der früheren Stasi, als ihm lieb ist. 
Wie schon „Mann ohne Makel“ lebt auch der zweite Band um den Lübecker Historiker stark von dem Protagonisten. Er ist sympathisch und ein wenig eigen, man wünscht ihm einfach, dass ihm nichts Böses passiert und er den eigentlichen Mörder findet. Der Krimi ist nicht so spannend, dass man Seite um Seite umblättert ohne nachzudenken, sondern beeindruckt eher durch die ruhigen Töne. Stachelmann grübelt viel nach, kombiniert und sucht nach logischen Schlüssen. Das Fehlen von blutrünstigen Mordserien und Verfolgungsjagden ist hier also durchaus positiv zu werten, gibt es dem Leser doch die Möglichkeit, die ganze Geschichte sehr reflektiert zu betrachten. Dies fordert vom Autor automatisch ein größere Genauigkeit und Logik, was für Christian v. Ditfurth jedoch kein Problem ist. Die Geschichte ist klar und realistisch erzählt und dennoch spannend und kreativ umgesetzt. Trotzdem lässt der Autor sich einen spannenden Showdown rund um Stachelmann nicht nehmen, so dass der Schluss doch noch zu einem klassischen Pageturner wird.
 „Mit Blindheit geschlagen“ ist ein absolut empfehlenswerter intelligenter Krimi mit historischem Hintergrund. Wer Wolfgang Schorlau und Volker Kutscher mag, wird auch Christian v. Ditfurths Krimis verschlingen. 

Sonntag, 9. Juni 2013

Christian v. Ditfurth "Mann ohne Makel"


Der Immobilienmakler Holler scheint ein Mann ohne Makel zu sein, reich und doch sympathisch, spendet er für alle, die es nicht so gut haben wie er und versucht dabei außerdem, nicht mit seinem Engagement in den Medien zu stehen. Dennoch hat es jemand auf ihn abgesehen. Im Abstand von immer einem Jahr wurden zuerst seine Frau und dann zwei seiner drei Kinder ermordet. Der ermittelnde Hamburger Polizist Ossi Winter holt einen alten Studienfreund mit ins Boot, als die Ermittlungen die Vergangenheit der Familie Holler beleuchten. Der Hamburger Historiker Josef Stachelmann soll herausfinden, ob das Motiv bis in die Zeit die Nationalsozialismus zurückreichen könnte und verstrickt sich schnell in der Geschichte.
Der Krimi „Mann ohne Makel“ ist der erste von bisher sechs Bänden um den Historiker Stachelmann. Mit dieser Figur ist Christian v. Ditfurth eine sympathische und dennoch eigenwillige Hauptfigur gelungen, der man gerne durch die Ermittlungen folgt. Er hat zwar seine Macken und ist auch nicht ganz fit, dennoch ist er mit viel Einsatz dabei und ermittelt auch noch weiter, als die Hamburger Polizei die Spur längst für kalt erklärt hat. Die Idee, dass ein Historiker Kriminalfälle löst, deren Ursache schon weit zurück liegt, hebt sich von anderen Krimireihen ab, so dass einem nicht alles bereits bekannt vorkommt und neue Motive in den Vordergrund rücken. Zudem hat man nicht den Eindruck, schon nach wenigen Seiten zu wissen, wer der Täter ist, sondern muss gemeinsam mit dem Historiker tief in die Geschichte der Personen eintauchen, um die Lösung für die Morde zu finden. 
Mit „Mann ohne Makel“ ist Christian v. Ditfurth ein besonderer und absolut empfehlenswerter Kriminalroman gelungen, der einen durch neue Lösungsansätze überrascht und einfach Spaß macht. 

Sonntag, 2. Juni 2013

Corina Bomann "Der Mondscheingarten"


Lilly Kaiser betreibt einen Antiquitätenladen in Berlin und führt seit dem Tod ihres Mannes ein ausgesprochen ruhiges Leben. Bis plötzlich ein Fremder ihren Laden betritt und ihr eine Geige alte überlässt. Diese solle angeblich ihr gehören und hat neben einer eingebrannten Rose noch ein Notenblatt mit dem Titel „Der Mondscheingarten“ als Besonderheit im Geigenkoffer. Lilly macht sich auf die Suche nach Hinweisen, wieso der Fremde gerade zu ihr kam und fährt nach London zu ihrer Freundin Ellen, die sich mit alten Musikinstrumenten auskennt. Gemeinsam versuchen sie, die Geschichte der Geige zu ergründen. 
Die Handlung wird abwechselnd im Jahr 2011 aus der Sicht Lilly Kaisers und im Jahr 1902 in Padang auf Sumatra von Rose erzählt, einer berühmten Geigenvirtuosin. Was als Idee auf den ersten Blick spannend erscheint, wird jedoch beim Lesen schnell ermüdend. Die mitreißende Story, die Corina Bomann bei der „Die Schmetterlingsinsel“ noch so großartig gelungen war, will einfach nicht in Gang kommen. Zudem beginnt bereits alles sehr kitschig, schon im Flieger nach London lernt sie einen Mann kennen, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht, während sie bis zum Flug doch noch unglaublich um ihren Mann getrauert hat. Die ganze Geschichte bleibt einfach zu flach und auch dem Teil der Story, der den Leser ins koloniale Sumatra entführt, fehlen die detaillierten Beschreibungen und Ideen, die die Phantasie des Lesers anregen sollten. Lillys ganze Suche hängt von Zufällen ab und es fehlt einem die Logik, die sie ans Ziel führt. Überall tauchen plötzlich alte Dokumente auf, obwohl der Leiter eines Musikinstituts in London doch angeblich so lange erfolglos versuchte, etwas über Geigerin aus Sumatra herauszufinden. 
Alles in allem handelt es sich bei „Der Mondscheingarten“ zwar um ein nettes, aber sehr seichtes Buch. Wer eine leichte Unterhaltung mit ein bisschen Geheimnis und Historie sucht, ist mit diesem Roman sicher gut beraten. Das Niveau des Vorgängers „Die Schmetterlingsinsel“ der Autorin sollte man jedoch nicht erwarten.