Freitag, 30. Dezember 2011

Karen Grol "betörend!"


Der Band „betörend!“ ist eine Sammlung von Kurzgeschichten von unterschiedlichen Autoren, die sich alle auf unterschiedlichste Art mit dem Thema „Duft“ auseinandersetzen. Jede Geschichte ist sehr individuell und hat einen eigenen Charakter, was mir gut gefallen hat. Das Buch zeigt, wie vielfältig man ein und dasselbe Thema immer wieder aufgreifen und verarbeiten kann. 
Dennoch hatte ich ein Problem mit dem Lesen des Buches, da ich immer nur sehr wenig davon lesen konnte. Mir wurde es trotz der ganz unterschiedlichen Geschichten schnell langweilig immer wieder vom gleichen Thema zu lesen und daher bin ich nur sehr langsam durch das Buch gekommen und musste mich manchmal sehr aufraffen, weiter zu lesen. Ich denke, das ist aber auf meine persönliche Vorliebe bei Büchern zurückzuführen. Ich hatte bisher noch nie einen Geschichtenband, der sich nur mit einem Thema beschäftigt hat und weiß jetzt, dass mir das nicht wirklich liegt. 
Das tut den Geschichten in ihrer einzelnen Art aber keinen Abbruch, es sind sehr schöne dabei und die Autoren haben gute Ideen zum Thema „Duft“ gehabt, die sie großartig umgesetzt haben. 

Montag, 26. Dezember 2011

1,000 Besucher

Nachdem ich heute ja noch einige Rezensionen online stellen konnte, noch ein Nachtrag in eigener Sache. Heute hat es Besucher Nr. 1000 auf meine Seite geschafft, was mich natürlich sehr freut! Ich hoffe, einige Leute haben Freunde an meiner Seite und lesen vielleicht das ein oder andere Buch, dass ihnen sonst nicht über den Weg gelaufen wäre. Und natürlich freue ich mich über Kommentare und Anregungen von den anderen Leseratten und Bücherwürmern. 
Genießt die letzten 25 Minuten Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich hoffe, mein Bücherregal mit all den noch ungelesenen Büchern dann ein bisschen leeren zu können.

Anne Hertz "Wunschkonzert"


Stella Wundermann ist bei einer kleinen Plattenfirma zuständig für die Künstlerverträge, sie hat eine kleine Wohnung in Hamburg und eine anstrengende Mutter in Bremen. Eigentlich verläuft ihr Leben in geregelten Bahnen, mit den Reeperbahnjungs hofft sie, bald einen großen Coup unter Vertrag nehmen zu können und ihre Karriere weiter voranzutreiben. Doch plötzlich erklärt ihr Chef, dass die Firma an einen Konkurrenten verkauft wird und ihr neuer Vorgesetzter schickt alle Mitarbeiter zwecks Teambuilding in eine Jugendherberge in der Lüneburger Heide. Mit dabei ist auch Martin, ihr größter Konkurrent, der auch noch ärgerlich gut aussieht. Und dabei geht ihr der Sänger der Reeperbahnjungs, Tim Lievers, auch nicht aus dem Kopf....
 Dem Schwesternpaar mit dem Pseudonym Anne Hertz ist mit ihrem neuen Roman „Wunschkonzert“ wieder ein unterhaltsames Buch gelungen. Die Geschichte ist interessant, warmherzig geschrieben und kurzweilig zu lesen. Das liegt vor allem an der Hauptfigur Stella, die einige Kilos an seelischem Ballast mit sich rumschleppt, zum Beispiel die Erinnerung an ihren Vater, der sie mit sechs Jahren verlassen hat, worüber sie nie hinweg gekommen ist. In der Jugendherberge sieht sich plötzlich konfrontiert mit all ihren Macken und Kontrollticks, die ihren Kollegen schon länger auf die Nerven gehen. Und über all dem schwebt ihre ständige Angst, ihren Job zu verlieren. Kein Wunder also, dass Stella zu einer Vielzahl unüberlegter Entscheidungen neigt. Als Leser kann man sich sehr gut in Stella einfühlen und ihr durch die Geschichte folgen, man freut sich mit ihr und man leidet mit ihr. Ein sehr schönes Buch für diese dunklen, nassen Wintertage.

Haruki Murakami "Gefährliche Geliebte"


Hajime und Shimamoto lernen sich in der Grundschule kennen. Bis sie zwölf Jahre alt sind, sind sie beste Freunde, dann zieht Hajime in einen anderen Stadtteil und der Kontakt der beiden reißt ab. Hajime lernt in seinem Leben zahlreiche Frauen kennen, doch nur drei sind wirklich bedeutend: die Sandkastenfreundin Shimamoto, seine erste richtige Freundin Izumi und seine Ehefrau Yukiko. Durch Yukikos Vater kann er eine Bar eröffnen, er hat ein gutes Leben, ein Frau, die liebt, zwei wunderbare Töchter, das Geschäft läuft gut. Doch er kann Shimamoto nicht vergessen und in ihm bleibt immer eine Leere, die er nicht zu füllen weiß. Dann betritt eines Abends plötzlich Shimamoto seine Bar und bringt sein ganzes Leben durcheinander. 
Die ganze Geschichte baut auf dem Charakter von Hajime auf, der trotz allem oberflächlichen Glücks immer hilflos auf der Suche nach etwas anderem wirkt. Er stürzt sich in seine Aufgaben, geht diszipliniert seinem Sport und versucht, etwas in sich zu füllen, was er selbst nicht kennt. Das alles beschreibt Haruki Murakami mit einer einfachen Sprache, die die Komplexität der Charaktere Hajime und auch Shimamoto noch unterstreicht. Der Leser erhält einen Einblick in ihr Leben, wie ein Fenster, dass sich für kurze Zeit öffnet und dann wieder schließt. Ihr Leben scheint weiterzulaufen, auch wenn man das Buch eigentlich beendet hat. Und genauso lässt Shimamoto Hajime nur einen kurzen Augenblick in ihr Leben, einen Moment, der für ihn alles bedeutet und alles was er hat, auf die Probe zu stellen scheint. 
Mit „Gefährliche Geliebte“ ist Haruki Murakami eine großartige Geschichte gelungen, über Menschen, die auf der Suche sind und nie anzukommen scheinen. Und darüber, was wir eigentlich vom Leben wollen, damit es uns ausgefüllt erscheint. Diese Frage muss Hajime für sich beantworten, wenn er nicht in einem Strudel von Gefühlen und Menschen untergehen will. 

Arthur W. Upfield "Der Pfad des Teufels"


Kommissar Bonaparte, genannt Bony, ermittelt rund um das australische Melbourne in den unterschiedlichsten Fällen. Dieses Mal wird er in ein Gästehaus in den Bergen geschickt, um inkongnito einen Mann zu beobachten, der angeblich Kriegsgeheimnisse aus Deutschland schmuggelt. Doch kaum ist Bony da, ist der Mann tot und ihm folgen weitere Leichen. Was hat es mit diesen Morden auf sich? Geht es wirklich um Geheimwissen, das nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland weggeschafft werden soll? Und was hat der berühmte Autor, der zwei Häuser weiter wohnt, mit den Morden zu tun? Bony nutzt seine besondere Intuition und Fähigkeiten im Spurenlesen, die er während seiner Zeit im australischen Busch erworben hat, um die Morde aufzuklären. 
Das ganze Konzept erinnert sehr an die Detektivromane von Agatha Christie. Auch bei Arthur W. Upfield gibt es mit mit Bonaparte einen sympathischen, wenn auch eigenwilligen Ermittler, der durch besondere Beobachtungsgabe Fälle löst, bei denen die klassische Polizeiarbeit an ihre Grenzen kommt. Die Geschichten sind relativ kurz und lassen sich gut lesen und bis zum Schluss kann man als Leser rätseln, wer wohl der Täter ist und wie Bony ihn überführt. Ganz erreicht der Autor die Klasse von Agatha Christie nicht, dennoch ist "Der Pfad des Teufels" ein sehr guter Detektivroman, der sich besonders durch den Ort der Ermittlung von anderen unterscheidet. Geschichten, die in England spielen, gibt es viele, in Australien sind sie seltener angesiedelt. 

Rund um den Ermittler Bonaparte gibt es 28 Kriminalromane, so schnell geht der Lesestoff also nicht aus, wenn man die Bücher mag.

Sonntag, 25. Dezember 2011

Frohe Weihnachten

Ich wünsche allen Leseratten und Bücherwürmern frohe Weihnachten und viele Bücher auf dem Gabentisch. In den nächsten Tagen gibt es dann auch die Rezensionen zu Arthur W. Upfield "Der Pfad des Teufels" und zu Haruki Murakami "Gefährliche Geliebte". 

Freitag, 23. Dezember 2011

Camilla Macpherson "Am Tag und in der Nacht"


Claire und Rob haben gerade ihr Kind verloren, als sie von Robs Großmutter die Briefe ihrer Cousine Daisy erben. Daisy beschreibt ihr Leben während des Zweiten Weltkriegs in London, die Angst vor den Bomben und jeden Monat das Gemälde, dass in der National Gallery ausgestellt wird. Claire stürzt sich auf diese Briefe und beschließt, sich jeden Monat das Bild anzusehen, dass Daisy in einem Brief beschreibt. Was ursprünglich gedacht war, um ihrem Mann zu entfliehen, dem sie die Schuld am Tod ihres Sohnes gibt, wird schnell zum Symbol für Hoffnung, denn wenn Daisy sich von ihrem Leben im Krieg nicht unterkriegen lässt, muss es auch für Claire noch Hoffnung geben.
Camilla Macpherson ist mit ihrem Debutroman ein wunderbares Werk über Liebe, Hoffnung und Trauer gelungen. Die Bilder, die Claire Monat für Monat mit den Briefen von Daisy besucht, zeigen das Leben in all seinen Facetten, von der Geburt bis zum Tod, fröhliche und traurige Menschen, Kinder und alte, einsame Leute. Gleichzeitig verdeutlichen die Bilder die Entwicklung die Claire durchmacht, während die Monate vergehen, wie sie sich mit ihrem eigenen Schicksal auseinandersetzt. Immer wieder entdeckt sie parallelen zu Daisys Leben, gleichzeitig bewundert sie deren ungebrochenen Optimismus in einer Zeit, die bedeutend schwerer war als das, was sie alltäglich erlebt. Der Roman strahlt eine unglaubliche Wärme aus und die Liebe der Autorin zu diesen beiden Frauen, die ihr Leben auf so unterschiedliche Weise meistern und auch zu den Männern, die sie in ihrem Leben begleiten.
Ein wunderschönes Buch über zwei Frauen, die sich ähnlicher sind, als Claire am Anfang glauben mag.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Shari Low "Happy ohne Ende"

Carly ist verheiratet und hat zwei Söhne, Mac und Benny, die sie über alles liebt. Doch eines Tages merkt sie, wie öde sie doch in ihrem Alltagstrott aus Mutter, Ehefrau und Autorin festhängt. Das Angebot ihres Freundes Sam nach Los Angeles zu kommen, um dort ihren ersten Roman als Drehbuch zu vermarkten, kommt ihr da gerade recht und ohne Nachzudenken bucht sie für die ganze Familie einen Flug. Doch ihr Ehemann Mark ist alles andere als begeistert von der Kurzschlusshandlung seiner geliebten Frau und bleibt in England. So muss Carly allein mit ihren Kindern ins große Abenteuer aufbrechen...
Die Geschichte von Carly ist die Fortsetzung von Shari Lows Roman "Torschlusspanik" und beschreibt, wie ihr Leben weitergeht. Der Roman ist wunderbar komisch, unterhaltsam und hält sich nicht mit dem üblichen Kitsch der meisten Frauenromane auf. Carly ist eine durch und durch sympathische Figur, die zwar ziemlich naiv an ihr Leben geht, aber dem Leser damit nicht auf die Nerven fällt. Die ganze Geschichte ist locker zu lesen und macht Spaß. Natürlich dürfen auch hier einige Klischees nicht fehlen, wie der übertrieben freundliche bis aufdringliche Studioboss in Los Angeles und der Freund, der natürlich ein reicher berühmter Schauspieler ist. Doch Carlys Konflikt zwischen dem Wunsch, die perfekte Ehefrau und Mutter zu sein und sich trotzdem selbst verwirklichen zu können ist glaubhaft erzählt und unterscheidet den Roman von vielen anderen der Kategorie "rosaroter Frauenroman".

Sonntag, 18. Dezember 2011

Dietrich Faber "Toter geht's nicht"

 
Henning Bröhmann ist Kommissar, aber nicht aus Leidenschaft oder Überzeugung, sondern weil man das halt so macht im Vogelsberg, wenn der Vater schon Polizeipräsident war. Eigentlich läuft sein Leben ganz bedächtig dahin, zwei Kinder, eine Ehefrau und wenig wirklich kriminelle Fälle bei der Arbeit. Doch dann überschlägt sich in seinem Leben alles, seine Frau lässt ihn mit den Kindern allein, fährt auf unbestimmte Zeit weg und gleichzeitig wird beim örtlichen Faschingsumzug ein Mann erschlagen. Eindeutig zuviel auf einmal für den lethargischen Kommissar, der sich selbst unbeschwert als „Memme“ bezeichnet und dem Leser langatmig erläutert, wo der Unterschied zwischen „memmen“ und „sich selbst bemitleiden“ liegt. 
Leider konzentriert sich der Autor in diesem humorvoll angelegten Regionalkrimi so stark auf die familiären Probleme mit der pubertären Tochter und den anderen Eltern im basisdemokratischen Kindergarten Schlumpfloch, dass der Mord völlig in den Hintergrund gerät. Dieses Verhältnis verschiebt sich im Verlauf der Geschichte noch ein wenig, hat mich aber grundsätzlich enttäuscht. Ich hatte eigentlich einen Krimi mit lustiger Hintergrundgeschichte erwartet, es war aber eher eine etwas anstrengende Familiengeschichte mit Mord im Hintergrund. Erst am Ende des Buches kommt die Ermittlung endlich in Fahrt und es passiert etwas jenseits von Bröhmanns „Ach ich kann nicht und ich weiß doch auch nicht was ich hier tue...“ 
Das Buch ist leicht zu lesen und hat einige unterhaltsame Stellen, so dass ich nicht grundsätzlich davon abraten würde das Buch zu lesen. Eine Krimi sollte man jedoch auf keinen Fall erwarten, wenn man nicht enttäuscht werden will. 

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Hjorth & Rosenfeldt "Der Mann, der kein Mörder war"


Als in Västerås der 16 Jahre alte Roger Eriksson verschwindet, ist die örtliche Polizei schnell überfodert. Erst nach drei Tagen beginnt die Suche nach dem Jungen und als seine Leiche gefunden wird, wird die Reichsmordkommission eingeschaltet. Die Suche nach dem Mörder im Umfeld des Jungen führt die Ermittler und es Psychologen Sebastian Bergmann immer wieder an das Elitegymnasium Palmlövska, auf das auch Roger ging. Doch was haben der perfekte Direktor oder die Lehrerin von Roger wirklich mit dem Mord zu tun? Und warum hat der Junge, nachdem er an seiner alten Schule gemobbt wurde, auch an dieser Schule scheinbar keine Freunde gefunden? Die Suche nach dem Mörder von Roger gestaltet sich schwierig, scheint es über den Schüler doch kaum Informationen zu geben. 
Unterlegt wird die Kriminalgeschichte mit zahlreichen persönlichen Geschichten des Ermittlerteams rund um den Kommissar Torkel. Sebastian Bergmann ist ein alter Bekannter von ihm und als Torkel ihn bittet, bei dem Fall zu helfen, bringt er sein ganzes Team gegen sich auf, denn Sebastian ist alles andere als eine sympathische umgängliche Person. Seit er seine Frau und seine Tochter verloren hat, ist er ständig auf der Suche nach unverbindlichem Sex und macht auch vor in den Fall verwickelten Frauen nicht halt. Er wirkt arrogant, behandelt die anderen Ermittler herablassen und besserwisserisch. Kaum einer hält es mit ihm aus, dennoch kann er den Fall entscheidend vorantreiben. 
Der Krimi lebt von all diesen zwischenmenschlichen Beziehungen, die das schwedische Autorenduo so detailliert darlegt, dass einem die Personen schnell ans Herz wachsen. Je mehr man sie kennt, desto eher versteht man ihre Art, an den Mord heranzugehen und die Ermittlungen zu führen. Das unterscheidet diesen Krimi auch deutlich von den zahlreichen anderen skandinavischen Krimis, die in den letzten Jahren den Buchmarkt geflutet haben, er ist weitaus persönlicher und menschlicher ausgerichtet als es es bei einer reinen Täterjagd möglich wäre. Dadurch ist Hjorth und Rosenfeldt ein sehr gutes Buch gelungen, desssen Tempo zum Ende hin immer weiter steigt, so dass man es bei den letzten 100 Seiten wirklich nicht mehr aus der Hand legen kann. 
Das schwedische Fernsehen verfilmt den Roman in Kooperation mit dem ZDF, man darf also gespannt darauf sein, Torkel, Vanja und Sebastian bald über den Bildschirm flimmern zu sehen. Eine sehr gute Vorlage haben Hjorth und Rosenfeldt auf jeden Fall geliefert!

Montag, 12. Dezember 2011

Laurence Gonzales "Lucy"


Lucy wurde im Dschungel der Demokratischen Republik Kongo geboren und ist fünfzehn, als sie nach Amerika kommt. Ihr Vater ist Forscher und wird während der Unruhen des Bürgerkriegs erschossen, Lucy wird von der Primatenforscherin Jenny gerettet, die ihr Lager zwei Tagesmärsche entfernt aufgeschlagen hat und mit ihr gemeinsam flieht. Sie nimmt das Mädchen mit nach Amerika und will ihre Familie ausfindig machen. Doch schnell muss sie erkennen, dass Lucy kein normales Mädchen ist. Sie ist das Ergebnis eines Experiments ihres Vaters, der beweisen wollte, dass man durch die Kreuzung von Bonobos und Menschen eine neue, bessere Art des Menschen schaffen könnte. 
Der Roman von Laurence Gonzales unterscheidet sich von allem, was ich bisher gelesen habe, er ist wahnsinnig spannend und gleichzeitig irritierend. Es werden grundlegende bioethische Fragen aufgeworfen: Was darf der Mensch überhaupt im Rahmen der Forschung tun? Und wie geht man mit dem Ergebnis um, das nun einmal vorhanden ist, ohne selbst schuld daran zu sein? Über allem schwebt die Suche danach, wozu der Mensch letztendlich fähig ist in seinem Wunsch, die Natur endgültig zu beherrschen und die gleichzeitige Angst davor, wie man mit dem Ergebnis dieser Forschung umgehen soll. Politik und Medien veranstalten eine Hetzjagd auf Lucy, religiöse Eiferer wollen sie tot sehen, Forscher sehen in ihr eine einzigartige Möglichkeit der Erforschung von Primaten. Doch bei allem ist Lucy einfach ein amerikanischer Teenager geworden, der auf den Abschlussball geht und mit ihrer besten Freundin auf Facebook und YouTube aktiv ist. 
 „Lucy“ ist ein faszinierender Roman, der Autor scheut sich nicht, zentrale Fragen des Menschen aufzuwerfen und sich ihnen in der fiktiven Geschichte zu stellen. Was macht einen Menschen eigentlich aus? Seine DNA? Seine Fähigkeit zu sprechen, mit anderen Menschen zu fühlen, aufrecht zu gehen? Eine abschließende Antwort gibt er dem Leser jedoch nicht, jeder muss sich selbst mit Lucy auseinandersetzen. Ein außergewöhnlicher Roman, den man gelesen haben muss!

Sonntag, 11. Dezember 2011

Anne Enright "Anatomie einer Affäre"


Als Gina und Seán sich das erste Mal sehen, ist es auf einer Gartenparty und hat eigentlich keine weiteren Folgen. Es ist keine Liebe auf den ersten Blick und auch keine unglaubliche Anziehung, die die beiden verspüren. Gina ist verheiratet, Séan ebenfalls, zudem hat er eine Tochter, Evie. Doch schon als sie sich das nächste mal auf einer Konferenz treffen, schlafen sie miteinander, und so beginnt ihre Affäre, die Jahre dauert und zwischen Liebe, Schmerz und Leidenschaft schwankt. 
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Gina, die sich an ihre Affäre erinnert und dabei scheinbar wahllos von verschiedenen Stationen ihrer Beziehung berichtet und sich dabei an keine chronologische Ordnung hält. Mal ist sie am Beginn der Geschichte, dann wieder scheint sie in der Gegenwart zu sein. Über allem schwebt immer die Frage danach, was diese Beziehung, diese Affäre der beiden eigentlich ist. Ist es nur Ablenkung? Ist es doch Liebe, wie Gina an einer Stelle sagt? Oder ist es Sex und der Wunsch etwas Neues, Verbotenes zu probieren? 
Anne Enright lässt Gina diese Geschichte manchmal hochemotional und an anderen Stellen wieder so kühl und distanziert erzählen, dass es schwer ist, die Charaktere zu packen und sich ein wirkliches Urteil zu erlauben. Fasziniert beobachtet man sie bei ihrem Tun und fragt sich, was die beiden eigentlich zusammenhält. Denn im Verlauf der Zeit wird immer deutlicher wie ungesund die Beziehung für Gina ist, in was für eine starke Abhängigkeit sie sich von Seán begeben hat und wie diese Abhängigkeit sie gleichzeitig immer einsamer werden lässt. 

Wir verbringen unsere Abende nicht in Restaurants und dinieren auch nicht mehr bei Kerzenlicht, meist essen wir nicht einmal gemeinsam. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Dass keine Quittungen abgeheftet werden müssen oder dass es keine schiefen Küchenschränke mehr gibt oder dass Seán beim Betreten eines Zimmers die kleine Wandleuchte anknipst, statt auf den Schalter für das Deckenlicht zu drücken. Seán existiert. Er kommt, er geht.(S. 240) 

"Anatomie einer Affäre“ ist ein großartiger, sehr atmosphärischer Roman über eine Affäre und darüber, wie unterschiedlich Liebe sich den Menschen darstellen kann. 

Donnerstag, 8. Dezember 2011

David Safier "Mieses Karma"


Kim Lange hat alles erreicht, was sie wollte: Sie ist verheiratet, hat eine wunderbare kleine Tochter und als Moderatorin ist sie so erfolgreich, dass sie den Deutschen Fernsehpreis bekommt. Doch als sie plötzlich stirbt, teilt Buddha ihr mit, dass ihr vermeintlich wunderbares Leben vor allem zu einem geführt hat, nämlich jeder Menge miesem Karma. Und so muss sie sich zunächst als Ameise durch Leben quälen, während sie dabei zusehen kann, wir ihre Freundin Nina sich an ihren Mann heranmacht. Wütend beschließt sie, ab sofort nur noch gutes Karma zu sammeln und sich auf der Reinkarnationsleiter so weit nach oben zu arbeiten, dass sie wieder als Mensch mit ihrer Familie leben kann. 
David Safiers Roman ist äußerst unterhaltsam und kurzweilig geschrieben, egal ob Kim als Ameise, als Meerschweinchen oder Hund durchs Leben wandert, ihr Blick auf die Welt ist immer geprägt von ihrer tierischen Perspektive. Besonders witzig wird dies durch die Fußnoten, die von den Erlebnissen von Casanova berichten, den sie als Ameise kennen lernt und dem sie hilft, durch gutes Karma zum Säugetier zu werden und wieder voll und ganz als verführender Frauenheld zu leben. 
An einigen Stellen hätte ich mir vielleicht noch eine stärkere Selbstreflexion der wiedergeborenen Kim Lange gewünscht, etwas, das über „Ich will aber meine Familie zurück“ hinausgeht. Schließlich geht es der auch ohne sie ziemlich gut, sogar ihre Mutter hat ihre Alkoholsucht bekämpft. Vielleicht wäre das für dieses Buch aber auch zu ernst gewesen, legt David Safier hier doch besonders viel Wert auf die leichte Fröhlichkeit und Unterhaltsamkeit, mit der die Geschichte einhergeht. Mir hat das Buch alles in allem sehr gut gefallen.

Dienstag, 6. Dezember 2011

Simon Beckett "Leichenblässe"

David Hunter ist Forensiker und hat schon einiges erlebt. Gerade ist er fast erstochen worden, seine Familie hat er verloren und er ist sich nicht sicher, ob er in seinem Beruf überhaupt weiterarbeiten will. Zu diesem Zeitpunkt bekommt er eine Einladung von einem Freund in die USA, auf der Body Farm mitzuarbeiten, um den Verwesungsprozess von Leichen zu erforschen. Er nimmt die Einladung an und ist plötzlich ungewollt Bestandteil einer großen Mordermittlung, als in einer Jagdhütte eine bis zur Unkenntlichkeit verweste Leiche gefunden wird.
Der dritte Roman von Simon Beckett mit dem eigenwilligen Charakter David Hunter als Hauptfigur ist ein großartiger Krimi, teilweise düster und gruselig, aber immer so spannend, das man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Obwohl dies mein erstes Buch von dem Autor ist, fehlte mir die Vorgeschichte aus den anderen beiden Romanen nicht. Die Figur des David Hunter ist sehr gut gestaltet und seine Geschichte lässt einen als Leser mitfühlen. Die Mordserie, an der er ungewollt mitarbeiten muss, konfrontiert ihn immer wieder mit seiner Vergangenheit und der Frage, ob dieser Beruf wirklich das Richtige für ihn ist, die beständige Selbstreflexion bringt ihn dem Leser sehr nahe und steigert die Spannung noch weiter. Denn plötzlich scheint auch sein Leben in Gefahr zu sein und die örtliche Polizei scheint wenig Interesse an seiner Hilfe und möglicherweise auch an seiner Sicherheit aufzubringen. Die Jagd nach dem Mörder wird immer irrwitziger, scheint er doch allen immer einen Schritt voraus zu sein. 
Simon Beckett brilliert in diesem Krimi mit völlig überraschenden Wendungen und starken Charakteren bis in die kleinsten Nebenfiguren. Das perfekte Buch, wenn es auch mal etwas gruseliger zugehen darf. 

Montag, 5. Dezember 2011

Wo ist nur die Zeit geblieben?

Jetzt ist es schon über eine Woche her, seit ich mich hier zu Wort gemeldet habe. Ich hatte weder wirklich Zeit zum Lesen noch zum Schreiben, doch das werde ich in den nächsten Tagen nachholen. Bald werden hier die Rezensionen von "Leichenblässe" (Simon Beckett), "Anatomie einer Affäre" (Anne Enright) und "Mieses Karma" (David Safier) zu lesen sein. Und dann auch wieder regelmäßig neue Beiträge.