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Dienstag, 8. Dezember 2020

Volker Kutscher "Olympia"

 

Das politische Klima in Deutschland wird immer rauer und auch Gereon Rath kann sich nicht mehr völlig vom Einfluss der Nazis auf das Polizeisystem frei machen. Während der olympischen Spiele 1936 kommt es zu einem Mord auf einen amerikanischen Olympiadelegierten und die SS vermutet eine kommunistische Verschwörung, um die Spiele zu diskreditieren. Gereon Rath soll in ihrem Auftrag ermitteln und verhindern, dass etwas an die Öffentlichkeit kommt. Gleichzeitig muss er seinen ehemaligen Ziehsohn Fritze schützen, der mehr über den Todesfall weiß, als er sollte. Seine Frau Charly leidet die ganze Zeit sehr unter dem Olympia-Brimborium, die Präsentation Deutschlands in der Welt als friedliches Land ist ihr zuwider. Heimlich hilft sie Juden und anderen Feinden des Systems bei der Flucht aus Deutschland. Eine Gemengelage, die für Charly und Gereon sehr gefährlich werden könnte. 

„Olympia“ ist der lang ersehnte neue Fall für den Ermittler Gereon Rath und seine Frau Charly Ritter, die ebenfalls eine tragende Figur der Reihe ist. Wieder einmal sind die Hintergründe vom Autor Volker Kutscher großartig recherchiert, bis hin zu den hohen Preisen für das Kännchen Kaffee im olympischen Dorf hat man das Gefühl, direkt dabei zu sein und mit den Figuren dieses besondere Ereignis zu erleben. Großartig gelingt es Kutscher auch, die Gratwanderung zwischen Olympia-Begeisterung und dem völligen Abdriften des politischen Systems zu beschreiben, der ständige deutsche Gruß, die Hakenkreuz-Beflaggung, das Auftreten von Adolf Hitler bei den Wettkämpfen wirken bedrückend. Sehr deutlich wird, dass Deutschland eine bestimmte Rolle für die Welt spielen wollte, die Juden wurden weitestgehend in Ruhe gelassen, doch Charly Ritter sollte Recht behalten mit ihrer Vermutung, dass nach den Spielen alles sicher nur noch viel schlimmer werden würde. 

 Volker Kutscher schafft es mit „Olympia“ auf großartige Weise,historische Fakten mit einem spannenden Kriminalhandlung zu verweben und den Leserinnen und Lesern eine beeindruckende Geschichte zu präsentieren. Besonders die Verquickung von Politik und Kriminalistik wird in diesem Band besonders deutlich, die Entwicklung von den ersten Bänden der Reihe bis heute macht klar, wie sich das gesamte System entwickelte. Hochspannend und interessant von der ersten bis zu letzten Seite!

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Hier geht es zu weiteren Informationen des Piper Verlags. 

Donnerstag, 15. November 2018

Volker Kutscher "Marlow"


Berlin 1935: Gereon Rath hat sich zwar von Unterweltboss Johann Marlow losgesagt, dennoch pfuscht er ihm wieder ins Handwerk, wenn auch dieses Mal ungewollt. Rath wird zu einem Verkehrsunfall gerufen, ein Fahrer ist frontal mit Vollgas gegen einen Brückenpfeiler gefahren, er und sein Fahrgast sind tot. Als herauskommt, dass der Fahrer an einer tödlichen Krankheit litt und Rath auch noch Geheimakten des SD in dem Wagen findet, ahnt er, dass mehr hinter der Sache steckt. Auch Charly, seine Frau, verstrickt sich mal wieder in Ungereimtheiten. Sie ermittelt mit dem ehemaligen Polizisten Böhm inzwischen als Privatdetektivin und in einer alten Geschichte scheint es Überschneidungen zu Gereons Fall zu geben. Gibt es eventuell sogar einen gemeinsamen Drahtzieher zwischen dem Unfall und dem Tod von Charlys Vater vor acht Jahren?
„Marlow“ ist der inzwischen siebte Band rund um den Kriminalkommissar Gereon Rath und seine Frau Charly, die eigentlich Rechtsanwältin werden wollte, sich inzwischen aber von den Nazis ausgebremst sieht. Frauen gehören an den Herd und nicht ins Büro, eine Karriere wird ihr so verbaut. Grundsätzlich merkt man dem ganzen Roman an, dass die Stimmung sich immer dramatischer verändert. Während Gereon versucht, sich immer hindurch zu schmuggeln, ohne wirklich bei den neuen Machthabern anzuecken, macht Charly keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die Nationalsozialisten, was für die beiden und ihren Pflegejungen Fritz viele Probleme mit sich bringt. Das Personal des Romans ist größtenteils bekannt, es werden hier kaum neue Figuren eingeführt, das ist für die Story aber auch unnötig. Es ist die Vergangenheit von Charly, die etwas näher beleuchtet wird und als Leser erfährt man endlich etwas mehr über diese faszinierende Frau. Von Gereon wünscht man sich bei der Lektüre in vielen Fällen politisch etwas mehr Haltung gegen die Nazis, aber gerade durch sein etwas schwammiges Verhalten ist er vermutlich so typisch für die damalige Zeit. Es wird deutlich, wie groß der Druck inzwischen ist, wie wenig Widerspruch noch geduldet wird. Bereits in diesem Band deutet sich an, dass Charly und Böhm Verfolgten helfen, die aus Deutschland fliehen wollen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie weit die beiden in ihrem Widerstand gehen werden und ob das nicht letztendlich zu weiteren Probleme zwischen Gereon und Charly führen wird.
So spannend die historische Komponenten des Romans ist, so gelungen ist „Marlow“ auch als Krimi. Natürlich lässt sich der Fall kaum losgelöst von den politischen Entwicklungen sehen, denn Gereon Rath sieht sich immer wieder mit SD und SS konfrontiert, doch auch unabhängig davon ist der Fall sehr spannend beschrieben und lückenlos logisch aufgebaut. Es gibt viele überraschende Wendungen, die einen mitreißen und die Geschichte zu einem wahren Schmöker machen, bei dem man sich immer wieder dabei erwischt, mit dem Lesen einfach nicht aufhören zu können. Die Mischung aus Kriminalfall und realistischer Beschreibung der historischen Gegebenheiten ist dem Autor Volker Kutscher wieder auf geniale Weise gelungen.
 „Marlow“ ist ein großartiges Buch, das man auch in der heutigen Zeit jedem ans Herz legen möchte. Es zeigt im Rahmen des Kriminalromans sehr deutlich, welche Gefahren davon ausgehen, wenn Meinungen aus Angst nicht mehr geäußert werden können und Menschen in einem politischen System nicht mehr auf den Rechtstaat vertrauen können. Der Roman ist großartig geschrieben, ein beeindruckendes Buch, das ich uneingeschränkt allen Leserinnen und Lesern empfehlen kann.

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Montag, 30. Januar 2017

Volker Kutscher "Lunapark"

Inzwischen ist der sechste Band der Krimi-Reihe um Gereon Rath erschienen und „Lunapark“ spielt im Jahr 1934. Als ein SA-Mann tot aufgefunden wird und dazu noch eine kommunistische Parole über ihm an der Wand prangt, ist für das simple Schwarz-Weiß-Denken der Sicherheitspolizei sofort klar, dass hier Kommunisten gezielt Jagd auf –natürlich unschuldige-  SA-Männer machen. Rath muss in diesem Fall mit seinem alten Kollegen Gräf zusammen ermitteln, der inzwischen bei der Sicherheitspolizei arbeitet. Dies stellt Rath vor große Probleme, denn die simplen Verurteilungen der politischen Polizei kann er nicht akzeptieren und begibt sich, wie so oft, auf eigene Ermittlungen. Das bringt ihm einmal wieder mehr Ärger ein, als er eigentlich gedacht hatte und auch sein altes Feindbild Dr. Marlow taucht wieder auf.
Der neue Band von Volker Kutscher rund um den Berliner Kriminalkommissar Gereon Rath übertrifft meiner Meinung nach alle vorhergehenden Bände noch einmal an Qualität und besonders an historischer Auseinandersetzung mit dem Umfeld des Protagonisten. Mit viel Sinn für Details und Stimmungen beschreibt Kutscher, wie der Nationalsozialismus sich langsam auch in den Alltag der Familie Rath einschleicht. Neben der Kriminalermittlung nimmt dies den Hauptteil der Geschichte ein und macht auch den besonderen Reiz des Buches aus. Natürlich ist auch die Kriminalhandlung wieder spannend beschrieben, doch Raths Arbeit lässt sich nicht mehr losgelöst von der politischen Situation sehen, was für die Hauptfigur selbst am schwierigsten zu sein scheint. Er will eigentlich nur in Ruhe seiner Arbeit nachgehen, so das Gefühl beim Lesen, doch inzwischen ist alles politisch und besonders der Tod eines SA-Mannes ist nicht mehr objektiv zu untersuchen.

Volker Kutscher zeigt in „Lunapark“ auf eindrucksvolle Weise, wie der Nationalsozialismus sich immer weiter verbreitet und wie er das Leben aller Menschen beeinflusst. Diese gesellschaftlichen Veränderungen packt er dabei in einen spannenden Krimi, den man einfach nicht mehr aus der Hand legen kann. Ein großartiger Roman, der weit mehr ist als ein Krimi, sondern uns einen detaillierten Blick auf die gesellschaftlichen Umbrüche der 30er Jahre werfen lässt. 

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Donnerstag, 9. Januar 2014

Volker Kutscher "Die Akte Vaterland"

Gereon Rath ermittelt wieder, und dieses Mal nicht nur in Berlin sondern auch in Ostpreußen. Die Polizei findet eine Leiche, die auf außergewöhnliche Art und Weise gestorben ist. Im „Haus Vaterland“, dem Vergnügungstempel am Potsdamer Platz in den 30er Jahren, wurde der Mann im Fahrstuhl zunächst mit einem seltenen Gift betäubt und dann ertränkt. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich hier um einen Serientäter handelt. Gereon Rath und seine Kollegen vermuten die Hintergründe im Alkoholschmuggel und der Kommissar reist nach Ostpreußen, um im Umfeld der Firma „Mathée Luisenbrand“ und des Chefs Wengler zu ermitteln. 
Der neuste Krimi von Volker Kutscher ist spannend und mitreißend wie schon die Vorgänger. Endlich spielt auch Charly Ritter eine größere Rolle, da sie ihre Ausbildung abgeschlossen hat und als Kommissaranwärterin in der Burg am Alexanderplatz arbeitet. Eigentlich ist sie der Inspektion G zugeteilt, wo alle Frauen arbeiten, doch für den aktuellen Fall wird sie an die Mordinspektion ausgeliehen. Wieder einmal kommt es zu Reibereien mit Gereons lockerer Art und seiner Unzuverlässigkeit. All dies geschieht vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen Anfang der 30er Jahre, die vor der Polizei nicht Halt machen. Die mörderischen Kämpfe zwischen Sozialisten und SS-Truppen verstärken sich und auch die Führungsebene des Polizeipräsidiums wird geradezu weggeputscht. All dies beeinflusst die Arbeit von Gereon und Charly jedoch noch wenig, da ihr Fall wenig politischen Bezüge hat. Ein großes Thema ist auch die Teilung Deutschlands durch die Entstehung des Staates Polen und die Abgrenzung Ostpreußens vom Deutschen Reich. Die ausgeprägte Antipolnische Stimmung und das überall präsente nationale Gedankengut schockieren Gereon Rath und behindern gleichzeitig seine Ermittlungen, da es in dem kleinen ostpreußischen Dorf keiner wagt, gegen Mitglieder von SS oder NSDAP auszusagen.
 Volker Kutscher zeichnet in seinem Roman ein graues und bedrückendes Bild von den politischen Verhältnissen, die den Hintergrund bilden für Gereon Raths Mordermittlungen bilden. Das gesamte Buch ist so spannend aufgebaut und hervorragend recherchiert, das man es unmöglich aus der Hand legen kann. Ein absolutes Muss für Krimifans. 

Montag, 21. Januar 2013

Volker Kutscher "Goldstein"

Der amerikanische Kriminelle Abraham Goldstein ist in Berlin und statt an einer Mordermittlung teilnehmen zu dürfen, muss Gereon Rath den windigen Kriminellen auf Schritt und Tritt beschatten. Seine Freundin Charly Ritter hat inzwischen ihren Vorbereitungsdienst am Gericht angetreten und muss sich mit kriminellen Jugendlichen rumärgern, die ihr dann auch noch aus dem Büro abhauen. Gleichzeitig beginnt ein Kleinkrieg zwischen den konkurrierenden Ringverbänden der Berolina und den Nordpiraten, das Chaos scheint sich in der Berliner Unterwelt breit zu machen. Über all dem liegt die politisch angespannte Stimmung der gerade begonnenen 30er Jahre mit Antisemitismus und SA-Aufmärschen auf dem Kurfürstendamm. 
Der dritte Band um Gereon Rath ist meiner Meinung nach bisher der gelungenste, endlich kommt er ein wenig Weg von seinem totalen Individualismus, arbeitet mehr mit seinen Kollegen zusammen und so entsteht auch ein in sich viel flüssigerer Krimi. Außerdem bekommt Charly Ritter in diesem Band eine sehr viel größere Rolle, die sie großartig ausfüllt. Ihr Charakter wird von Volker Kutscher endlich weiter ausgearbeitet und durch ihre neue Arbeit kommt sie auf einer ganz anderen Ebene in Kontakt mit Gereon Rath. Dadurch erhält ihre Beziehung sehr viel mehr Tiefe und Charly muss sich aktiv mit der Rolle der Frau Anfang der 30er Jahre auseinander setzen. Will sie heiraten und zu Hause bleiben oder doch Karriere machen? Kann sie nicht beides haben? Das sind Fragen, die sie sich stellen muss, während sie gleichzeitig vom Chef der Mordkommission Gennart in halboffzielle Ermittlungen reingezogen wird. 
Insgesamt hat der dritte Band von Gereon Rath sehr viel mehr Substanz und Tiefe als die ersten beiden Bände, die schon sehr gut waren. Die zeitgeschichtlichen Elemente rücken immer mehr in den Vordergrund und beginnen, das Leben der bekannten Charaktere zu beeinflussen. Es bleibt spannend, wie es für Gereon und Charly angesichts der Machtgewinnung der Nazis weitergeht, wie sie damit umgehen und was für Fälle dadurch noch ihren Weg kreuzen. „Goldstein“ ist bisher der beste Roman von Volker Kutscher, man darf gespannt sein, wie es weitergeht!

Sonntag, 30. Dezember 2012

Volker Kutscher "Der stumme Tod"


Im zweiten Band der Krimireihe von Volker Kutscher trifft Gereon Rath auf einen alten Bekannten aus dem ersten Band, den Filmproduzenten Oppenberg. Rath muss in seinem neuen Fall in Berlin rund um das Milieu des neu entstehenden Tonfilms ermitteln, nachdem eine Schauspielerin von einem Scheinwerfer erschlagen wurde. Ein Unfall scheint dies jedoch nicht gewesen zu sein, vielmehr steckte Sabotage hinter dem Anschlag auf die Schauspielerin zu stecken. Doch mit seinen eigenmächtigen Ermittlungsmethoden macht sich Rath auch dieses Mal keine Freunde.
Wie im ersten Band auch glänzt das Werk von Volker Kutscher durch detaillierte Beschreibungen des Berlins der 30er Jahre und großartige Rechercheleistung. Selten war ein historischer Roman so glaubwürdig und realistisch geschrieben und die Figuren gleichzeitig so interessant und schillernd in allen Facetten. Mit Gereon Rath ist dem Autor eine Figur gelungen, die durch seine Probleme und eigenwilligen Methoden sicher noch Grundlage für zahlreiche Krimis sein kann, ebenso seine Kollegen am Alex in der Mordinspektion. Das Zusammenspiel der Charaktere sorgt dafür, dass die Geschichte auf keiner Seite langweilig wird.
Neben der eigentlichen Krimihandlung gelingt Kutscher dabei eine großartige Beschreibung einer spannenden Epoche, der Wechsel vom Stummfilm zum Tonfilm mit den Herausforderungen für Schauspieler und Produzenten wird von ihm eindrucksvoll und glaubwürdig beschrieben. Stellenweise fühlte ich mich ein wenig an den Film „The Artist“ erinnert, der mit zahlreichen Oscars ausgezeichnet wurde.
Wie schon der erste Band ist auch „Der stumme Tod“ uneingeschränkt zu empfehlen.