Mittwoch, 25. Dezember 2013

Jonas Jonasson "Die Analphabetin, die rechnen konnte"


Nombeko arbeitet eigentlich als Latrinenträgerin, als sie als Jugendliche von einem Ingenieur mit dem Auto angefahren wird. Ein Gericht spricht sie schuldig, nicht genug aufgepasst zu haben, wohin dass Auto fuhr und als Strafe muss sie sieben Jahre als Angestellte des Ingenieurs arbeiten. Schnell stellt sich heraus, dass eben dieser für die Entwicklung des südafrikanischen Atomprogramms zuständig ist und Nombeko sehr viel klüger ist, als er vermutet hat. Sie kann mit Zahlen umgehen, wie sonst kaum jemand und so wird sie zur rechten Hand des Ingenieurs, während sie seine Fußböden schrubbt. Dass die von ihr mit entwickelte Atombombe sie den Rest ihres Lebens verfolgen soll - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes - hat sie damals nicht erwartet. 
Mit Nombeko hat Jonas Jonasson eine ebenso einzigartige und bewundernswerte Hauptfigur geschaffen wie in seinen „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Auch wenn die Story an Absurdität manchmal kaum zu überbieten ist und die Personen sich mit komischen bis blödsinnigen Einfällen gegenseitig übertrumpfen, hat man nie das Gefühl einen bemüht witzig konstruierten Roman zu lesen. Die Charaktere an sich liefern so viel Potential für Wendungen und Kapriolen, dass der Roman gar nicht langweilig werden kann. Spätestens wenn zwei schwedische Zwillinge auftauchen, von denen einer nicht existiert und die beide Holger heißen, fragt man sich als Leser, woher der Autor diese wahnsinnigen Ideen nimmt. Dabei setzt er diese um, ohne jemals ins Alberne oder anstrengend Blödsinnige abzurutschen. Nombeko bleibt trotz aller seltsamen Ereignisse eine bewundernswerte, intelligente junge Frau, die sich auf ihre spezielle Art mit dem Leben arrangiert. 
„Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist ein wunderbares Buch, das in seiner Art einzigartig ist. Wer Angst hatte, dass Jonas Jonasson nach „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ nur einen müden Abklatsch seines Debüts liefern würde, kann sich entspannt zurücklehnen und sich an seinen neuen Ideen erfreuen. 

Samstag, 14. Dezember 2013

Rachel Joyce "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry"


Harold Fry lebt ruhig und und zufrieden mit seiner Frau Maureen in Kingsbridge in England als er eines Tages den Brief seiner alten Kollegin Queenie bekommt. Sie liegt im Sterben und möchte sich mit dem Brief von ihm verabschieden. Harold schreibt eine kurze Antwort und will den Brief zum Briefkasten zu bringen, läuft dann jedoch einfach immer weiter. Im Laufe des Tages entscheidet er sich durch ganz England zu Queenie nach Berwick zu pilgern, wo diese in einem Hospiz liegt. Er lässt ihr ausrichten, sie müsse nur durchhalten, er sei auf dem Weg. Eine aufregende Reise beginnt für Harold und seine Frau, die überraschend alleine zurück bleibt.
 Die Reise zwingt Harold sich mit seiner eigenen Vergangenheit und seinem Leben auseinanderzusetzen, allein mit seinen Gedanken und hunderten Kilometern vor sich. Seine Ehe mit Maureen läuft nicht wirklich gut, das Verhältnis zu seinem Sohn David war immer schwierig. Er durchlebt viele Situationen und findet viele Fehler in seinem Verhalten, oft kommt vergangen geglaubte Verzweiflung auf. Aber er findet auch viel Hoffnung und Ermutigung in seinem Projekt und in den Menschen, die er auf seiner Pilgerreise trifft. Nur mit seinen Segelschuhen und ohne Wanderausrüstung wird er sogar zu einer medialen Sensation, was seinem Grundgedanken völlig zuwider läuft. Harold läuft um Queenie zu retten, sie soll überleben weil er diese Reise auf sich nimmt, das betrifft nur ihn und Queenie und vielleicht auch noch Maureen, aber sonst niemanden. Harold bewegt einen als Leser durch seinen Kampfgeist, seine Ehrlichkeit und auch durch seine Liebe zu seiner Frau, die mehr seine Partnerin ist als er selbst gedacht hätte. 
„Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ ist ein witziges, überraschendes und zugleich zutiefst bewegendes Buch über die Hoffnung und das Leben des Protagonisten, der einem sofort ans Herz wächst. Wer jetzt noch ein Weihnachtsgeschenk sucht ist damit ganz sicher gut beraten. 

Samstag, 30. November 2013

Jo Nesbø "Die Larve"


Nach seinem letzten Fall hatte Harry Hole sich nach Bangkok abgesetzt, er wollte nicht mehr zurück nach Oslo, nachdem er seine große Liebe Rakel verloren hatte und sein Job als Polizist ihn immer tiefer in die Welt von Kriminalität und Alkohol gezogen hatte. Was könnte ihn also dazu bringen, doch zurückzukommen? Nur Rakel und ihr Sohn Oleg natürlich. Als Oleg wegen Mordes an einem Junkie verhaftet wird, fliegt Harry zurück nach Oslo und versucht den Fall zu lösen. Dass sein ehemaliger Ziehsohn ein Mörder sein soll, kann er einfach nicht akzeptieren. Doch damit bringt er auch sich selbst in Gefahr, denn einige mächtige Kriminelle in Oslo wollen Harry tot sehen. Schnell rutscht er wieder in die düstere Welt ab, aus der er damals fliehen wollte.
Jo Nesbøs Krimis um den Kommissar Harry Hole sind an Spannung kaum zu überbieten. Auch in diesem Band sind die wieder so viele Menschen in die Taten verstrickt, dass man als Leser bis kurz vor Schluss im Unklaren ist, wer der eigentlich Mörder ist. Zu viele Personen des kriminellen Milieus zeigen sich auf der Bühne und hätten ein Motiv, die Gelegenheit und die kriminelle Energie, einen Mord zu begehen. Gleichzeitig rückt mit Rakel auch Harrys Privatleben wieder in den Vordergrund, was den Fall um so spannender Macht. Denn Harry würde alles tun, um Rakel den Schmerz ersparen, dass ihr Sohn einen Menschen umgebracht hat. Man kann gar nicht aufhören und muss immer weiterlesen, um endlich zu wissen, ob der ruhige und intelligente Oleg aus den früheren Harry Hole Krimis wirklich dieser kaputte und drogensüchtige junge Mann geworden ist. Dass sich auch noch die Drogenmafia Oslos in die Geschichte einschaltet, macht es umso spannender und auch bei der Polizei ist einem kaum noch klar, wer auf Seiten der Gerechtigkeit steht und wer alles geschmiert ist. 
„Die Larve“ ist ein hervorragender Krimi, spannend und mit detailliert gezeichneten Charakteren, die einen in die Geschichte reinziehen und einen nicht mehr loslassen. Absolut empfehlenswert!

Alex Capus "Léon und Louise"


Als Léon und Louise sich das erste mal begegnen, steht das Ende des ersten Weltkriegs kurz bevor. Beide sind in einem kleinen französischen Ort gelandet, um das Land in Kriegszeiten zu unterstützen. Während Louise im Bürgermeisterbüro arbeitet, ist Léon als Morseassistent bei der Bahn angestellt. Die beiden verlieben sich, doch bei einem Ausflug werden sie durch Granatenbeschuss verletzt und verlieren sich aus den Augen. Erst zehn Jahre später erfahren sie, dass der jeweils andere überlebt hat. Doch Léon ist bereits verheiratet und seine Frau erwartet ein Kind. So muss ihre Liebe in aller Stille leben, möglichst ohne die Menschen zu verletzen, die sie lieben. 
Doch auch der zweite Weltkrieg lässt sie einander wieder aus den Augen verlieren. Die Geschichte von Léon und Louise ist eine besondere Liebesgeschichte, da sie den größten Teil ihres Lebens nur in den Köpfen der Protagonisten stattfindet. Obwohl sie sich nicht sehen, lieben sie sich und wissen, dass der andere irgendwo in der Welt draußen ist und auch an den anderen denkt. Die Leidtragende dabei ist zumeist Léons Frau Yvonne, der von Anfang an klar ist, dass sie keine Chance gegen die fremde Frau, die Jugendliebe ihres Mannes hat. Und so schlüpft sie im Laufe ihres Lebens in alle möglichen Rollen, um ihn zu halten und dazu zu bringen auch sie auch zu lieben. Auf eine gewisse Weise tut er das auch, doch an die Liebe zu Louise reicht die Liebe nie heran. Louise fragt ihn an einer Stelle des Buches, ob es wohl funktioniert hätte, wenn sie damals mit 18 Jahren nicht getrennt worden wären, ob sie ein glückliches gemeinsames Leben geführt hätte. Und sie gibt ihm die Antwort gleich mit: Der Kopf sagt nein, aber das Herz sagt ja. Ich denke ihr Kopf hätte Recht behalten, ihre Liebe hat nur funktioniert, eben weil sie so wenig Zeit zusammen verbracht haben, ihnen der Kampf im Alltag erspart blieb und die Langeweile, die das Leben mit sich bringen kann. Insofern ist es Yvonne um so höher anzurechnen, dass sie ihren Mann bei sich hielt und mit ihm den Alltag bekämpfte, während Louise für ihn immer mehr ein Kopfabenteuer war als die Realität. 
Diese wunderbare Geschichte schreibt der Autor Alex Capus so sensibel und leise, dass man mit allen Figuren mitfühlt und leidet und seine Sympathien von einer Person zur anderen mitnimmt, ohne in dieser Geschichte Position beziehen zu müssen. Sie haben alle ihre Sichtweise und alle haben ein wenig Recht. Léon und Louise, die ihrer verpassten Liebe eine neue Chance geben wollen und auch Yvonne, die das dritte Rad an diesem Wagen ist und dennoch ihre Rolle fleißig weiter spielt. 
Mit „Léon und Louise“ ist Alex Capus eine faszinierende Liebesgeschichte gelungen, die völlig ohne Kitsch und übertriebene Romantik auskommt und nur vom Wesen ihrer Figuren zu leben scheint. 

Montag, 25. November 2013

Lauren Weisberger "Die Rache trägt Prada"


Andrea Sachs ist zurück. Sie hat sich von der Arbeit bei "Runway" Chefin Miranda Priestly erholt und sich inzwischen mit ihrer ehemaligen Konkurrentin Emily selbstständig gemacht. Die beiden geben ein Hochglanzmagazin heraus, dass sich mit Hochzeiten und allem was dazu gehört beschäftigt und sind damit höchst erfolgreich. Doch dann tritt Elias-Clark, der Verlag dem Miranda Priestly als Chefin vorsteht, an sie heran und will ihr Magazin „The Plunge“ kaufen. Während Emily begeistert von der Idee ist, graust es Andrea vor dem Gedanken, wieder für Miranda arbeiten zu müssen. Auch einige private Veränderungen in ihrem Leben führen dazu, dass sie eigentlich nur ihren Frieden haben will. Doch dass man Miranda nicht unterschätzen darf, hat Andrea bereits im ersten Teil gelernt.
 Endlich ist der Nachfolger von „Der Teufel trägt Prada“ da und ist überraschend gelungen. Dieser Roman ist kein billiger Abklatsch des ersten Bandes, sondern genauso spannend und witzig. Miranda scheint tatsächlich eine Veränderung durchgemacht zu haben und Andreas Privatleben rückt in den Vordergrund. Mit „The Plunge“ bringt zudem endlich ein Produkt heraus, hinter dem sie Qualitativ und inhaltlich selber steht. Die Charaktere haben sich entwickelt und verändert, wenn auch nicht so sehr, wie ich es mir erhofft hatte. Gerade zum Ende hin fand ich die Entwicklung etwas vorhersehbar und enttäuschend. Mit Andys Mann tritt ein völlig neuer Charakter auf die Bildfläche, der ihr Verhalten mit beeinflussen will, weil er gleichzeitig ein wichtiger Investor der Zeitung ist. Die Verbindung von Geschäft und Privatleben erschwert Andrea eine unabhängige Entscheidung und lässt sie teilweise sehr passiv und schwach wirken.
 Das ändert aber nichts daran, dass auch „Die Rache trägt Prada“ ein sehr gut lesbarer und unterhaltsamer Roman ist, auf dessen Verfilmung man hoffen darf. Welcher Fan des ersten Teils würde nicht Meryl Streep gerne noch einmal als Miranda Priestly über die Kinoleinwand wüten sehen?

Marita A. Panzer "Englands Königinnen. Von den Tudors zu den Windsors"


In ihrem Werk „Englands Königinnen“ beschreibt Marita A. Panzer das Leben der englischen Königinnen beginnend mit Elisabeth von Yorck, die 1486 zur Königin gekrönt wurde und mit ihrem Mann Edward VII. nicht nur die Blutlinie der Tudors begründete, sondern auch Mutter des berühmten Königs Heinrich VIII. war. Nach dem Tod seines älteren Bruders Arthur wurde er König und nahm dessen Frau Katharina von Aragon zur Ehefrau. Sie war damit die erste von sechs Königinnen während der Regentschaft Heinrich VIII. Nach diesen Königinnen kamen deren Kinder an die Macht, unter anderem die bekannte Elisabeth I., die Zeit ihres Lebens nicht heiratete, um die Macht nicht teilen zu müssen, wie man vermutet.
Bis hin zur heutigen Queen Elisabeth II. beschreibt die Autorin die Eigenarten der Königinnen, ihre Zeit und die Herrschaftsverhältnisse. Obwohl es sich bei diesem Werk um ein reines Sachbuch handelt, ist es keineswegs langweilig oder trocken. Die Beschreibungen sind detailliert und spannend erzählt, was aber auch daran liegt, dass keine der Königinnen ein „normales“ Leben führte. Oft kannten sie ihren Ehemann nicht, bis sie nach England kamen, um dort verheiratet zu werden oder lebten unglücklich, weil der erwünschte Erbe ausblieb, der König sich anderweitig mit Frauen vergnügte oder die politischen Herrschaftsverhältnisse zwangen sie ins Exil. All dies hatten sie mit Würde zu ertragen und sich weiter freundlich dem Volk zu präsentieren. Ihre Aufgaben und Herausforderungen beschreibt Marita A. Panzer sehr anschaulich und menschlich, so dass man ein wenig das Gefühl bekommt, den Charakteren näher zu kommen und sie kennen zu lernen.
 „Englands Königinnen“ ist ein detailliert recherchiertes und lebendig geschriebenes Sachbuch, das einen fesseln kann und auf eine Reise durch die Zeit mitnimmt - von 1486 bis ins heutige Jahrtausend. 

Freitag, 8. November 2013

Sam Savage "Firmin - Ein Rattenleben"


Firmin kommt in Boston in einem Buchladen zur Welt - sein Schicksal ist damit eigentlich schon besiegelt. Die kleine Ratte Firmin ist das schwächste von 13 Kindern der dicken, saufenden Ratte Flo und wird von seinen Geschwistern weggejagt, wenn es Essen gibt. Um nicht zu hungern, fängt er an Bücher zu essen. Er futtert sich durch die Bücher wie ein Bücherwurm. Doch irgendwann beginnt er zu lesen, hier einen Absatz dort eine Seite, dann ganze Bücher. Die Bücher werden alles, was ihm etwas bedeutet und so kämpft er sich durch seine kleine, aber anstrengende Welt- alles aus der Rattenperspektive. Er muss lernen, dass die Menschen es nicht immer gut meinen mit ihm, dass aber nicht alle Menschen schlecht sind. Am Ende findet er sogar einen Freund, der ihn aufnimmt und ihn ein Stück durch sein Leben begleitet.
„Firmin“ wirkt auf den ersten Blick wie ein fröhlicher, witziger Tierroman, ist aber eigentlich eine traurige Geschichte über Einsamkeit, den Wunsch geliebt zu werden und die Suche nach einer Heimat. Firmin fühlt sich immer allein, als kämpfe er gegen die ganze Welt und kleine Hoffnungsschimmer werden meist schnell wieder vernichtet. Weil sein Leben ihm so düster und traurig erscheint, beginnt er, sich ein anderes Leben zu träumen, es immer wieder umzudichten, zu erweitern und zu verschönern. Daher weiß man als Leser auch gar nicht, welche Fassung dieser Dichtung man gerade liest. Ist es das Original, das wirkliche Leben von Firmin? Oder ist es schon erfunden? Welche Personen gab es wirklich in seinem Leben, welche hat er dazu gesponnen, um die düsteren Seite der Geschichte abzumildern? Der Roman ist sehr nachdenklich, doch stellenweise auch witzig, wenn zum Beispiel die Ratte uns Leser direkt anspricht, uns vorwirft, ihm nicht zu glauben, ihn auszulachen, Vorurteile zu haben. Wir sollen ihn so nehmen wie er ist und seine Geschichte so, wie er sie uns erzählt- ob wahr oder nicht, ist egal. Es ist sein Leben wie Firmin es haben will, und damit ist es für ihn so wichtig als wäre es die Wahrheit. 
Sam Savages Debütroman „Firmin“ kann man jedem empfehlen, der ein besonderes Buch sucht, etwas, das in Erinnerung bleibt und einen länger begleitet, weil es immer wieder gelesen wird. Vielleicht findet man zwischen den Zeilen dann irgendwann doch noch Firmins wahre Geschichte. 

Dienstag, 5. November 2013

Hilary Mantel "Falken"


Thomas Cromwell ist zurück und mit ihm auch Henry VIII. und Anne Boleyn. Mit „Falken“ veröffentlicht Hilary Mantel den zweiten Band über das Leben des ausschweifenden englischen Königs und seinen Vertrauten Cromwell, der dem ersten in nichts nachsteht. Anne konnte dem König immer noch keinen Sohn schenken und sinkt in seinem Ansehen immer weiter, Intrigen werden gegen sie gesponnen und sie wird immer verzweifelter. Gleichzeitig taucht scheinbar ihr komplettes Gegenstück in Henrys Leben auf. Jane Semyour ist zurückhaltend, schüchtern und keusch, sie scheint ein Engel zu sein, auf den sich die volle Aufmerksamkeit des Königs richtet. Cromwell bekommt die Aufgabe, einen Weg aus für Henry aus der Ehe mit Anne Boleyn zu finden, um erneut heiraten zu können und endlich einen Sohn zu bekommen. 
„Falken“ ist ebenso großartig recherchiert und brillant geschrieben wie der Vorgänger „Wölfe“. Hilary Mantel steckt viel Zeit in die Entwicklung der Charaktere, ihre Eigenheiten, Verbindungen bei Hofe, Wünsche und Ziele, die sie in ihrem Handeln antreiben  und motivieren. Die Veränderung von Anne macht dies besonders deutlich. Sie wird immer ruhiger und verunsicherter, je mehr sich der König von ihr abwendet. War sie am Anfang noch die laut auftretende, selbstbewusste Königin, scheint sie am Ende nur ein Schatten zu sein, der sich an eine sinnlose Hoffnung auf Gnade klammert. Cromwells Charakter wird in diesem Band ebenfalls von einer anderen Seite gezeigt. Seine Rolle ist es nicht mehr nur, den König zu unterstützen. Seine eigenen Interessen und Ziele rücken in den Vordergrund. Mehr als einmal wird klar, dass er auch Unschuldige verurteilen lässt, wenn dies zu seinem Vorteil oder zum Vorteil des Königs ist. Er scheint keine Skrupel mehr zu kennen und tut alles, um in der Gesellschaft voranzukommen und seine politischen Ziele zu verwirklichen. Die Momente, in denen er zur Ruhe kommt und um seine Familie trauert, sind selten geworden, er scheint ganz und gar der politische Cromwell zu sein. 
Wer einen historischen Roman sucht, der völlig ohne oberflächliche Klischeecharaktere auskommt und vielmehr die wahren Menschen zu zeigen scheint, der sollte unbedingt zu den Werken von Hilary Mantel greifen. Sie sind an Präzision, Spannung und Ehrlichkeit kaum zu überbieten. 

Samstag, 19. Oktober 2013

Noam Shpancer "Der glücklose Therapeut"


David Winter ist Therapeut, er behandelt Hausfrauen mit Depressionen und Menschen, die mit dem ein oder anderen Problem zu ihm kommen. Barry ist für ihn ein ganz besonderer Patient. David diagnostiziert zunächst eine Depression, dann wird jedoch klar, dass sein Patient an Schizophrenie leidet. Eigentlich müsste er den Patienten abgeben, er weiß zu wenig von der aktuellen Forschung und den Methoden auf diesem Gebiet. Doch irgend etwas hält ihn davon ab, er fühlt sich Barry verbunden und versucht immer weiter, ihm zu helfen.
Parallel wird Davids Privatleben beschrieben, seine Tochter ist aus dem Haus und am College, sie will heiraten. Seine Frau verlässt ihn und scheint ein völlig neues, aktives Leben aufzunehmen, als hätte er sie all die Jahre nur gebremst. Diese Geschichte beschreibt der Autor auf eine eindringliche, aber auch sehr zurückhaltende Art. Keine übertriebenen Spannungsbögen leiten die Geschichte, kein atemloses Seitenumblättern hält einen bis spät ihn die Nacht mit dem Buch gefangen. Doch gerade das macht Noam Shpancers Buch so außergewöhnlich, denn auch wenn die Protagonisten nicht auf eine Katastrophe oder ein Happy End am Ende der Geschichte hinjagen, nimmt einen das Leben von David Winter gefangen, seine Ängste und Probleme und sein sehr menschlicher Wunsch, einfach zu helfen. Dass er damit gerade die beiden Menschen verliert, die ihm am meisten bedeuten, nämlich seine Tochter und seine Frau, gibt ihm einen schon fast tragischen Charakterzug. 
„Der glücklose Therapeut“ ist ein wunderbares Buch, dass sich von der lauten und bunten Belletristik, die sich so oft auf den Bestsellerlisten herumtreibt, positiv abhebt und an einem ruhigen und etwas nachdenklichen Abend den perfekten Begleiter darstellt. 

Montag, 14. Oktober 2013

J.R.R. Tolkien "Der kleine Hobbit"


Bilbo Beutlin ist ein sehr häuslicher und ruhiger Hobbit. Er mag seine Wohnhöhle, seine Küche und er schätzt eine schöne Mahlzeit. Bis eines Tages der Zauberer Gandalf mit 13 Zwergen vor seiner Tür steht, die ihn auf ein Abenteuer mitziehen. Sie wollen den Drachen Smaug besiegen, der die Zwerge vor Jahrhunderten aus ihrem angestammte Berg vertrieben hat und seitdem auf ihren gesamten Reichtümern sitzend in diesem Berg lebt. Im Laufe der Reise wird schnell klar, dass Bilbo dafür geschaffen zu sein scheint, den Zwergen immer wieder aus der Patsche zu helfen und Pläne zu schmieden, wie sie ihrem Ziel näher kommen könnten. 
Der Autor Tolkien schafft in „Der kleine Hobbit“ eine magische Märchenwelt mit Figuren, die man sich kaum ausdenken kann, so bunt und vielfältig sind ihre Arten und auch Eigenarten. Zwerge, Orks, Hobbits und Elben besiedeln diese Welt, deren Natur ähnlich abwechslusgsreich ist wie ihre Bewohner. Man fühlt sich beim Lesen, als würde man eine Reise in eine fremde Welt antreten, so wie auch Bilbo eine Reise antritt, deren Verlauf er nicht einmal erahnen kann. Gemeinsam erlebt man mit Bilbo und den Zwergen Abenteuer, die einen manchmal zum Lachen bringen und manchmal zum Gruseln und Innehalten, wenn die Situation wieder einmal völlig ausweglos scheint. Man muss wirklich kein Fan von Fantasy sein, um „Der kleine Hobbit“ begeistert zu lesen, denn die Figuren scheinen so real, dass man kaum darüber nachdenkt, dass sie dem fantasiereichen Kopf eines großartigen Autors entsprungen sind. 
Der Roman lässt sich mit den berühmten Fantasyreihen „Harry Potter“ oder auch „Die Tribute von Panem“ überhaupt nicht vergleichen und ist dennoch absolut empfehlenswert. Die Figuren sind mit einer solchen Liebe zum Detail und auch Liebe zu den Figuren selber entworfen, dass man sie am liebsten auf der Straße treffen und sie persönlich kennen lernen möchte. 

Donnerstag, 26. September 2013

Kate Atkinson "Die Unvollendete"


Wie oft würde wir gerne die Zeit zurückdrehen und Dinge noch einmal ganz anders angehen. Ursula kann etwas sehr ähnliches, sie kriegt immer neue Chancen für ihr Leben, trifft an wichtigen Kreuzungen neue Entscheidungen, hält sich an andere Menschen und andere Orte und kann so viel Leid vermeiden. Dennoch zeigt ihr Beispiel, dass es das perfekte Leben nicht gibt, obwohl sie so viel neu beginnen kann, erlebt sie viel Schreckliches und lebt auch ständig mit einer unklaren Angst. Sie weiß, dass etwas schlimmes passieren wird, kann jedoch nicht erklären was und wann genau. 
Kate Atkinson ist mit „Die Unvollständige“ ein großartiger Roman gelungen, der nachdenklich stimmt und einen trotzdem mitreißt. Ursula lebt in turbulenten Zeiten während des Ersten und Zweite Weltkriegs und je nachdem welche sie Entscheidung sie trifft, ist sie entweder eine alleinstehende Frau im Londoner Bombenhagel oder lebt verheiratet mit Kind in Deutschland und gehört sogar zum Bekanntenkreis von Eva Braun und Adolf Hitler. Die kleinsten Rädchen, die sie umstellt, verändern ihr gesamtes Leben und auch Sterben. Die ganze Geschichte beschreibt die Autorin auf eine spannende Art und Weise, ohne dass einem das Gefühl vermittelt wird, in den Bereich Fantasy oder Science Fiction abzugleiten. Auch die Charakterstärke von Ursula variiert je nach Lebensentwurf und Situation, mal schwächlich zurückhaltend an anderen Stellen selbstbewusst und moralisch sehr geprägt, trifft sie Entscheidungen neu und rettet sich so ein ums andere Mal das Leben, ohne es wirklich zu wissen. Denn ihr ist diese Fähigkeit immer neu zu beginnen gar nicht wirklich bewusst wie es scheint, sie hat nur Ahnungen und verschwommene Instinkte, die von Dingen abraten. 
„Die Unvollständige“ ist ein großartiger Roman, der von Stil und Spannung sehr an „Die Frau des Zeitreisenden“ von Audrey Niffenegger erinnert. Diesen Vergleich muss die Autorin jedoch nicht scheuen, ist ihr Roman doch genauso großartig gelungen wie „Die Frau des Zeitreisenden“.

Dienstag, 17. September 2013

Arthur Conan Doyle "Das Tal des Grauen"


Eine Leiche liegt in der Bibliothek eines Herrenhauses, die Ehefrau des Opfers ist mit dem Nerven am Ende und der beste Freund bleibt überraschen ruhig angesichts des Mordes. Sherlock ermittelt in diesem Fall und findet schnell einige Ungereimtheiten, die die Identität  des Opfers in Frage stellen. Der Krimi "Das Tal des Grauen“ von Arthur Conan Doyle ist klar in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil ermittelt Sherlock mit seinem Assistenten Watson, im zweiten erzählt das vermeintliche Opfer die Geschichte seiner Vergangenheit. Bereits Jahre bevor er nach England kam, geschah etwas, das ihn zwang, eine neue Identität anzunehmen und neu anzufangen. 
Das Buch ist zwar gut zu lesen und Sherlocks Ermittlungsmethoden und seine Aufmerksamkeit sind interessant, die Spannung, die ein Krimi normalerweise auszeichnet, habe ich aber vermisst. Dies liegt nicht daran, dass moderne Ermittlungsmethoden noch nicht existierten, sondern schlichtweg an der Zweiteilung der Story. Der Kriminalfall ist schon nach wenigen Seiten gelöst, danach folgt zwar der Hintergrund, doch auch diesem fehlt stellenweise jegliche Spannung.
Ich war etwas enttäuscht von meinem ersten Sherlock Holmes Krimi. Gut geschrieben ist es dennoch und vielleicht braucht es einen weiteren Krimi von Arthur Conan Doyle, um mich von seinem Stil endgültig zu überzeugen. 

Montag, 16. September 2013

Germán Kratochwil "río puro"


Was kann sich der Autor nur dabei gedacht haben? Zwei alternde, dickliche Männer jagen durch Patagonien, bei dem einen (Franz Melan) ist der Grund dafür bis zur letzten Seite unklar, der andere (Leopold Kainzer) wird von des ersten Ehefrau geschickt, den wildgewordenen Mann wieder einzufangen, der mit den gesamten Ersparnissen durchzubrennen scheint.
 Die ganze Geschichte ist ein Armutszeugnis für die Männer und auch für alle Frauen, die sie umgeben und sich ihnen jederzeit bedingungslos hingeben, um sie danach entweder anzubeten oder sie der Vergewaltigung zu bezichtigen. Insgesamt scheint sich das Verhältnis von Mann und Frau in diesem Roman grundsätzlich auf zwei Dinge zu beschränken: Der Mann hat Sex mit der Frau oder die Frau macht den Haushalt beziehungsweise kocht. Auch die wissenschaftliche Assistentin des durchbrennenden Patagonientouristen ist lediglich dazu da, die Männer zu unterhalten und zu belustigen. 
All dies erzählt der Autor in einer derart plumpen und farblosen Sprache, dass die Geschichte an Belanglosigkeit kaum zu überbieten ist. Die anfangs entstehende Spannung durch die scheinbar grundlose Abreise Melans wird schon dadurch zunichte gemacht, dass es an keinem Punkt weitergeht, nie klarer wird, was die Motivation der Handelnden eigentlich ist. 
Was der Autor sich gedacht hat oder was auch die Absicht der Geschichte war, kann man also auch nach Abschluss der Lektüre nicht sagen. Man kann jedoch allen raten, dieses Buch nicht zu lesen und die Zeit sinnvoller zu nutzen. 

Mittwoch, 11. September 2013

Annie Sanders "Jetzt kann ich's dir ja sagen"


Was würden wir nicht alles gerne tun, wenn wir wüssten, dass uns die Folgen nicht treffen können? Dem Chef mal die Meinung sagen, der besten Freundin endlich sagen, dass ihr Mann ein Arsch ist oder seiner großen Liebe endlich die Gefühle gestehen? Als ein Guru Lucy voraussagt, dass sie in einer Woche sterben wird, krempelt sie ihr Leben um und tut alles, was sie sich nie getraut hätte. Doch ihr Todestag kommt, verstreicht und sie ist immer noch das blühende Leben. Was ihr bleibt ist das Chaos, das sie in einer Woche angerichtet hat, davon ausgehend, dass es sie nicht mehr betreffen würde. 
Mit „Jetzt kann ich‘s dir ja sagen“ ist der Autorin Annie Sanders ein locker-leichter Roman gelungen, der aber nicht so oberflächlich ist, wie er am Anfang scheint. Denn Lucy sagt nicht einfach allen Menschen die Meinung, sie überdenkt ihr Leben, fragt sich, was sie ändern würde, wenn sie es noch könnte und hat endlich den Mut, die kleinen und großen Dinge anzugehen, die sie sich sonst nie getraut hätte. Zum Beispiel eine Liebesbeziehung zu ihrem besten Freund aufzubauen und sich die Haare raspelkurz zu schneiden- beides äußerst einschneidende Veränderungen. Während sie mit den Haaren jedoch auch nach ihrem nicht stattfindenden Tod glücklich ist, scheint ihre Freundschaft zu Richard zerstört und nur schwer wieder zu kitten. Was will sie wirklich von ihm, nur Freundschaft oder doch mehr? Lucy muss sich plötzlich ganz neuen Fragen stellen, es geht nicht darum, was sie gerne einmal machen möchte, sondern wie sie damit lebt, es getan zu haben. 
Dieser Roman von Annie Sanders ist wieder einmal empfehlenswert für alle, die ein wenig abtauchen und sich in einer Geschichte verlieren wollen. Optimal, um den beginnenden Herbst bei einer Tasse Tee auf dem Sofa auszublenden. 

Donnerstag, 15. August 2013

Ina Linger / Cina Bard "Imperfect Match- Liebe ist eigenwillig"


Emma hat eine beste Freundin gefunden- und zwar im Chat. Anna versteht sie einfach und die beiden können alle Geheimnisse austauschen. Doch Anna weiß nicht, dass sie eigentlich eine Frau ist, im Chat nennt sie sich Colin, wie ihr Mitbewohner und Schwarm. Als sie nach London fährt, besteht ihr Chatpartner darauf, sich mit ihr zu treffen und so muss kurzerhand der echte Colin einspringen und so tun, als hätte er die ganze Zeit am Computer gesessen. Viele Verwicklungen sind da vorprogrammiert.
 „Imperfect Match“ ist ein locker-leichter Liebesroman, der sich wunderbar lesen lässt und von den sympathischen und einfachen Charakteren lebt. Emma gibt sich gerne Schwärmereien hin, während Colin der klassische Aufreißertyp ist, der mit einer Frau nach der anderen anbandelt. Als auch noch Annas Bruder Ben mit ins Spiel kommt, der den klassischen liebevollen Sunnyboy vertritt, sind eigentlich alle klassischen Charaktere für einen unterhaltsamen Frauenroman erfüllt. Und so ist hier ein völlig unkompliziertes und fröhliches Werk entstanden, das einen beim Lesen und unterhält und Spaß macht. 
Für Fans von Janet Evanovich und Susan Elizabeth Phillips absolut empfehlenswert!

Montag, 5. August 2013

Marian Keyes "Glücksfall"


Bei Marian Keyes weiß man einfach immer, was man hat. Es ist komisch, es ist ernst und es ist so gut geschrieben, dass man einfach immer weiter lesen will. Ihr neuster Roman „Glücksfall“ ist da keine Ausnahme. Im Mittelpunkt steht dieses mal eine der jüngeren Walsh-Schwestern, nämlich Helen, die als Privatdetektivin arbeitet und kurz davor ist pleite zu gehen. Als sie den Auftrag bekommt, das verschwundene Mitglied einer 90er Jahre Boygroup zu suchen, die kurz vor ihrer großen Comeback Show steht, ergreift sie die Chance und macht sich an die Arbeit. Doch ihre psychischen Probleme und eine wiederkehrende Depression erschweren ihr die Arbeit erheblich.
 Dieser Roman von Marian Keyes ist zwar ernster und ruhiger als die bisherigen, muss aber keineswegs hinter den Geschichten über die anderen Walsh-Schwestern aus Irland zurückstecken. Helen schildert die gesamte Geschichte aus ihrer Perspektive und ihr Sarkasmus und ihr schwarzer Humor verhindern oft, dass das Schicksal der Hauptfigur einen zu sehr mitnimmt. Im Gegenteil, durch alles blitzt ein Witz und Charme, der die Geschichte am Laufen hält. Selbst wenn die Suche nach dem Sänger Wayne mal etwas zäh und langatmig wird, nimmt Helen Walsh den Leser noch mit und schafft es, das man Seite um Seite weiterliest und dann doch überrascht ist, dass die fast 500 Seiten schon ausgelesen sind. 
Mit „Glücksfall“ ist Marian Keyes wieder ein guter Roman der leichten Unterhaltung gelungen, ideal für entspannte Sonntage auf dem Sofa. Das man dabei noch ein bisschen mit Detektivspielen darf ist dabei noch ein kleiner Bonuspunkt. 

Mittwoch, 24. Juli 2013

Annie Sanders "Mister Mädchen für alles"


Alex ist eine viel beschäftigte Managerin bei einem Sportartikelhersteller und schafft es allein schon kaum, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Zum Einkaufen kommt sie selten bis nie und eine vernünftige Mahlzeit bekommt sie eigentlich nur, wenn ihre gute Freundin Saff - selbst leidenschaftliche Hausfrau und Mutter- sie zum Essen einlädt. Doch als Alex‘ Mutter stürzt und mit gebrochenem Arm bei ihr zu Hause einzieht, gibt es nur noch eine Lösung- eine Haushälterin muss her. Alex stellt die junge Ella ein - ohne zu wissen, dass eigentlich deren Bruder den Job schmeißt, während Alex bei der Arbeit ist.
Annie Sanders hat schon bei „Gucci und Gummistiefel“ mit leichter Unterhaltung geglänzt und ebenso gelungen ist nun auch „Mister Mädchen für alles“. Locker, fröhlich und unkompliziert und damit perfekt für einen warmen Sommertag auf dem Balkon mit einem kalten Getränk neben sich und der Sonnenbrille auf der Nase. Die Geschichte ist sehr gradlinig geschrieben und geht ohne große Umwege voran, man ahnt zwar schnell, wie sich am Ende alles auflösen wird, dennoch bleiben ein paar Überraschungen, die die Autorin für ihre Leserinnen bereithält. Die Charaktere sind dabei durchweg sympathisch und ziehen einen schnell in die Geschichte, so dass man mit ihnen leidet und lacht, je nachdem, was Annie Sanders sich als Herausforderung für sie ausgedacht hat. 
Alles in allem die perfekte leichte Lektüre mit ein bisschen Liebe und viel Spaß. 

Donnerstag, 18. Juli 2013

Julian Barnes "Vom Ende einer Geschichte"


In „Vom Ende einer Geschichte“ erinnert sich Tony an sein Leben, seine Jugendzeit mit seinen Freunden, seine erste Liebe und einen Freund, der sich immer von den anderen abgehoben hatte, nämlich Adrian. Gemeinsam waren sie zur Schule gegangen, später trennten sich ihre Wege, als sie an unterschiedlichen Colleges studierten. Als Adrian mit Tonys erster Freundin eine Beziehung anfängt, bricht die Freundschaft ab. Tony heiratet, bekommt eine Tochter und lebt trotz späterer Scheidung ein glückliches und ruhiges Leben. Bis plötzlich der Brief eines Anwalts auftaucht und er das Tagebuch seines Jugendfreundes erben soll. 
Julian Barnes beschreibt die Erinnerungen von Tony Webster ebenso eindringlich wie die Selbsttäuschung, der der Protagonist aufsitzt. Konfrontiert mit den Charakteren seiner Vergangenheit und ihrer Version seiner Lebensgeschichte wird ihm klar, wie subjektiv er seine Erinnerung verklärt und sich selbst ins richtige, weil schönere Licht gerückt hat. Ein alter Brief, den er damals geschrieben hat, zeigt ihm, wie unbarmherzig er doch mit anderen Menschen ins Gericht gegangen ist, ohne sich selbst kritisch zu hinterfragen und eigene Fehler einzugestehen. Die Geschichte um Tony und sein Leben nimmt einen mit auf eine Reise, die einen auch selbst hinterfragt. Denn jeder speichert seine Erinnerungen subjektiv ab, doch inwieweit verfälschen wir die Tatsachen dabei wirklich? Handelt es sich wirklich nur um Schönheitskorrekturen oder lügen wir uns an einigen Stellen nicht sogar unseren ganzen Lebensentwurf schön? Tony muss sich plötzlich mit diesen Fragen auseinandersetzen, an einem Punkt seines Lebens, an dem er eigentlich keine Abzweigungen oder Aufregungen mehr erwartet hatte. 
All dies erzählt Julian Barnes mit einer Leichtigkeit, die einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt. Zu sehr will man wissen, was wirklich hinter dem Ende von Adrians und Tonys Freundschaft steckt, zu spannend ist die Frage, welche Rolle eine Frau dabei wirklich gespielt hat - und vor allem welche Frau. Die ganze Geschichte basiert auf den fein gestrickten Charakteren, die sich aneinander reiben, sobald sie aufeinander treffen. Dabei geht es auch um Menschen, die gerade deshalb Probleme haben obwohl sie eigentlich belanglos nebeneinander leben, ohne Konflikte auszutragen. 
"Vom Ende einer Geschichte“ ist ein wunderbares nachdenkliches Buch, dass Fragen aufwirft, die sich auch der Leser stellen sollte. Für Tony lautet die wichtigste Frage „Wie war eigentlich mein Leben?“, denn seine Erinnerung scheint ihm einige -beschönigende- Streiche zu spielen. 

Donnerstag, 11. Juli 2013

Jörg Maurer "Föhnlage"


Ein klassisches Klavierkonzert in einem beschaulichen bayrischen Kurort, da rechnet doch niemand mit etwas Bösem, schon gar nicht mit Leichen! Doch plötzlich fällt ein Mann durch die marode Decke des Konzerthauses und erschlägt dabei noch einen Zuschauer, der dem Piano lauscht. Nach einigem Chaos rückt die Kriminalpolizei an. Kommissar Jennerwein und sein Team müssen herausfinden, was es mit diesen seltsamen Todesfällen auf sich hat. 
Mit „Föhnlage“ veröffentlichte Jörg Maurer den ersten Krimi rund um das Team von Kommissar Jennerwein und schafft damit fast ein eigenes Genre, eine Art bayrischer Klüngel-Comedy-Krimi. Das ganze Ambiente ist so klischeebeladen bayrisch, dass man dem Autor nicht glauben kann, dass er dies ohne ironischen Seitenblick geschrieben hat. Zwar gibt es eine durchaus solide Kriminalhandlung, diese kann aber an viele hochklassige Krimis nicht heranreichen. Doch durch den ironisch-humoristischen Stil von Jörg Maurer wirkt dies nicht störend, sondern unterstützt eher das Schmunzeln, dass einem die ganze Zeit im Mundwinkel steckt, während die Kommissare durch die bayrische Provinz stapfen und zum zünftigen Abschluss sogar gemeinsam Bergwandern - für die Städter verständlicherweise eine erbauliche Abwechslung. 
Jörg Maurers Erstlingskrimi hat mir sehr gut gefallen, wenn auch vielleicht nicht als Krimi sondern eher komischer Blick auf das dörfliche Leben und die vertretenen Stereotypen. Die reinsten Mafiamethoden kommen ans Licht, während die Polizei ermittelt, was für einen hübschen Kurort in Süddeutschland doch etwas kurios wirkt. „Föhnlage“ ist als kurzweilige Unterhaltung absolut empfehlenswert. 

Freitag, 5. Juli 2013

Ursula Poznanski "Fünf"


Die Kommissare Beatrice Kaspary und Florin Wenninger haben schon einiges gesehen, doch eine Leiche, der jemand Koordinaten in die Fußsohlen tätowiert hat, ist auch für sie neu. Als sie die Koordinaten erreichen, finden sie dort Körperteile von einer anderen Leiche und eine Nachricht. Der Mörder beginnt ein perfides Spiel und treibt die Ermittler wie beim Geocaching, einer Art Schatzsuche nach Koordinaten durch das Salzburger Land. Doch er scheint es nicht nur auf Unbekannte abgesehen zu haben, die Ermittlerin Beatrice Kaspary nimmt er persönlich ins Visier. Es wird klar, dass er mehr über sie und ihre Geschichte weiß, als sie den meisten Menschen jemals über sich preisgeben würde.
Dabei entwickelt die Autorin Ursula Poznanski nicht nur ein außerordentlich sympathisches Ermittlerteam rund um die von privaten Problemen geplagte Beatrice Kaspary, sondern eine spannende Jagd auf einen psychisch anscheinend völlig gestörten Mörder. Das private Umfeld der Ermittler spielt zwar eine Rolle, wird aber nicht lange breit getreten, sondern eher am Rande eingestreut. Die Spannung entsteht besonders dadurch, dass die Erzählposition nicht wechselt, sondern konstant aus Sicht der Kommissarin Kaspary erzählt wird. Der Leser ist den Ermittlern dadurch nie voraus oder beginnt etwa durch eingeschobene Episoden aus Sicht des Mörders auf anderer Grundlage zu rätseln als die Polizei. Dies führt dazu, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann, mit Gruseln erwartet man den „Cache“, den nächsten Fund, den der Täter versteckt hat, das nächste Opfer, dass das ganze Bild nur verwirrender zu machen scheint. Lange tappen Leser und Ermittler im Dunkeln, weil sich keine Struktur einstellen will, welche Verbindung die Opfer haben. Die Auflösung am Ende ist genauso grausam wie logisch, ein großes Lob an die Autorin für die Konstruktion dieses Thrillers. 
Ursula Poznanskis erster Thriller „Fünf“ ist das beste, was ich seit langem gelesen habe! 

Donnerstag, 4. Juli 2013

Christian v. Ditfurth "Schatten des Wahns"


Der bereits bekannte Historiker Dr. Josef Maria Stachelmann ermittelt wieder einmal auf eigene Faust. Sein Freund aus Studien- und Revolutionstagen in Heidelberg, Ossi Winter, soll sich mit einem neuen Insulinspray und Schmerzmitteln umgebracht haben. Doch Stachelmann kann das nicht glauben, sein Freund war niemand, der sich selbst das Leben nehmen würde. Neben der Leiche lagen Ausschnitte aus ihrer Zeit in Heidelberg, bei Demos und Streiks, und der Bericht über einen Mord, der damals nicht aufgeklärt werden konnte. Also vermutet Stachelmann Ossis Mörder in diesem Umfeld und reist nach Heidelberg- und damit auch in seine eigene Vergangenheit. 
Selten erschien einem als Leser der Historiker Stachelmann so verdreht und auf Abwegen wie „Schatten des Wahns“. Diesem Wahn scheint er selber aufgesessen, so viele Hinweise sprechen dafür, dass er einfach falsch liegt mit seinen Ermittlungen. Dass er von der Polizei nicht ernst genommen wird, ist er inzwischen gewohnt, doch dieses mal kann ihn auch der Leser kaum ernst nehmen. Liiert mit einer Kollegin, fängt er etwas mit der Freundin des toten Freundes an, um dann einer Italienerin hinterher zu weinen, die er nur kurz kennen lernt. In diesem Band wirkt Stachelmann realitätsferner und verweichlichter als je zuvor. Geplagt von der Habilitation (die auch in Band drei immer noch nicht fertig ist) und seiner Arthritis stolpert er durchs Leben. Anrechnen muss dem Autor Christian v. Ditfurth bei dieser wirren Konstruktion jedoch, dass dem Protagonisten die Absurdität seines Handelns immer wieder bewusst wird, ohne dass er jedoch versucht, daraus auszubrechen. Eine richtige Krimi-Spannung will hier nicht aufkommen, so sehr steht Stachelmann im Fokus und nicht die Mordermittlung. Dies liegt sicher auch daran, dass er mit Ossis Vergangenheit auch seine eigene wieder ausgräbt. Der Schluss ist dann doch noch sehr gut gelungen, wenn vielleicht auch etwas knapp, und entschädigt für vorhergehende Wirrheiten des Herrn Doktor auf der Mörderjagd. 
Christian v. Ditfurth hat mit „Schatten des Wahns“ ein solides Stück Literatur abgeliefert, ohne so stark zu überzeugen wie in den ersten beiden Büchern. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht kontinuierlich bergab geht mit Stachelmann- und dass im vierten Band seine Habilitationsschrift endlich fertig hat! 

Dienstag, 2. Juli 2013

Adrian McKinty "Der katholische Bulle"

Sergeant Duffy wird mitten in das Gebiet der nordirischen Unruhen im Jahr 1981 versetzt und muss ich gleich mit einem ungewöhnlichen Fall rumschlagen. Statt im politischen Umfeld zu ermitteln, muss er einen Serienmörder suchen, der es auf Schwule abgesehen hat. Er hinterlässt den Ermittlern subtile Hinweise auf Postkarten und Notenblättern. Diese scheinen jedoch nicht zum Täter zu führen, sondern immer weiter weg. Sergeant Duffy steht unter Druck, denn in seinem ersten Fall will er auf keinen Fall versagen.
„Der katholische Bulle“ spielt rund um das Milieu der Kämpfe in Nordirland und die Hungerstreiks von politischen Gefangenen. Als katholischer Polizist muss Sergeant Duffy besonders aufpassen, ist auf ihn zusätzlich ein Kopfgeld ausgesetzt. Doch statt sich um seine persönliche Sicherheit zu sorgen, stürzt er sich von einem Drama in das nächste. Durch das Personal und den politischen Hintergrund ist dem Autor ein Krimi gelungen, der sich positiv vom Mainstream abhebt und durch Intelligenz und Witz überzeugt. Sergeant Duffy vereint zwar einige typische Mordermittler-Klischees auf sich - er ist Eigenbrödler, verstößt gegen Vorschriften und ist einem Glas Alkohol nie abgeneigt-, diese stehen jedoch nicht im Vordergrund, im Gegensatz zu seiner Liebe zur Musik, besonders klassischer, und seine Belesenheit. So bezieht er sich unter anderem auf James Joyce und Petrarca. Dabei geht jedoch keineswegs die Spannung bei der Mörderjagd verloren, sondern lediglich das Identifikationspotential mit dem Protagonisten erhöht. Schnell wünscht man als Leser dem jungen Sergeant einen Ermittlungserfolg. Seite um Seite zieht es einen tiefer in die Geschichte Nordirlands und es wird klar, dass die politische Szene vielleicht doch nicht unbeteiligt ist an den Schwulenmorden. 

Mit „Der katholische Bulle“ ist Adrian McKinty ein großartiger, intelligenter historischer Krimi mit Suchtpotential gelungen.

Dienstag, 25. Juni 2013

Eugen Ruge "In Zeiten des abnehmenden Lichts"


Drei Generationen im 20. Jahrhundert: Während Charlotte und Wilhelm nach dem zweiten Weltkrieg nach Mexiko fliehen und von dort auf eine Möglichkeit warten, in der neu gegründeten DDR die Zukunft mitzubestimmen, lebt ihr Sohn Kurt in Verbannung hinter dem Ural in der Sowjetunion und heiratet die Russin Irina. Später kehren alle zurück nach Deutschland, in die DDR und versuchen dort Fuß zu fassen. Kurts Sohn Alexander wächst bereits in der DDR auf und muss versuchen, sich in die Realität einzufügen. Drei Generationen - und drei Sichtweisen auf ein politisches System im Verfall.
Eugen Ruge ist ein generationsübergreifender Familienroman gelungen, der sich besonders durch das anachronische Erzählen der Ereignisse auszeichnet, die alle im wieder zu einem Punkt zurückkehren, dem 90. Geburtstag von Wilhelm. Dadurch gelingt es Eugen Ruge besondere Verbindungslinien in den Perspektiven der Figuren und ihren Beziehungen aufzuzeigen, ohne sie Wort für Wort formulieren zu müssen. Die Charaktere entbehren nicht einer gewissen traurigen Komik, wie sie an einem am Boden liegenden System festhalten oder sich an den anderen Familienmitgliedern reiben. Jeder scheint sich in der Realität seine eigene Welt gebaut zu haben, die nur stückweise in das wirkliche Leben passt. 
Der Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ wurde von der ZEIT-Redakteurin Iris Radisch als „Der große DDR-Buddenbrooks-Roman“ bezeichnet. Diese Beschreibung passt nicht nur großartig wegen der groß angelegten generationenübergreifenden Erzählung, sondern besonders wegen des Untertitels, den Thomas Mann seinem Werk gab. Bei ihm heißt es „Verfall einer Familie“ und beschreibt den Untergang einer Kaufmannsfamilie, die sich selbst in den Abgrund stürzt und einem Wandel der Zeit nicht gewachsen scheint. Auch bei der Familie Umnitzer scheint ein Verfall der Familie zusammen mit dem Verfall des politischen Systems der DDR stattzufinden, alle sind gezeichnet von Alter, Alkoholismus, Krankheit und enttäuschten Träumen.
 Einen Hoffnungsschimmer lässt Eugen Ruge seinen Lesern dennoch, indem der letzte existierende Nachkomme der Familie, Markus, in dem Buch nur als Kind kurz Erwähnung findet. Wie sein Weg in der deutschen Einheit aussieht, bleibt letztlich dem Leser überlassen. So bleibt der Verfall der Familie doch nicht so abgeschlossen, wie es auf den ersten Blick scheint, während der Verfall des politischen Systems mit der Einheit seinen Abschluss gefunden hat. Eugen Ruge ist mit „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ ein großartiger und stark autobiographisch fundierter Familienroman vor politischer Kulisse gelungen, der 2011 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. 

Donnerstag, 20. Juni 2013

F. Scott Fitzgerald "Der große Gatsby"


Jay Gatsby lebt in einem großen Haus am Meer und jeden Samstag gehen die Menschen bei seinen Partys ein und aus, der Alkohol fließt in Strömen, es wird getanzt und geraucht. Gatsby müsste ein glücklicher Mann sein, denkt man sich, das ganze Geld und die vielen Freunde. Doch all dies ist nur Schein und bei dem Versuch seine erste Liebe Daisy zurück zu gewinnen, die inzwischen verheiratet ist, geht er ohne es zu merken viel zu weit. 
Fitzgerald beschreibt in seinem Roman „Der große Gatsby“ das laute Leben der Goldenen Zwanziger, die Suche nach dem Glück, dem großen Geld und dem amerikanischen Traum. Mit Jay Gatsby hat er dabei eine Projektionsfläche für all das geschaffen, was heute als Inbegriff des damaligen Lebens gilt, das lockere Leben, viele Party und vielleicht auch Gedankenlosigkeit. Der Roman gibt einen Überblick über das gesellschaftliche Panorama und verdeutlicht gleichzeitig die unglaubliche Oberflächlichkeit. Die „roaring twenties“ sind bei Fitzgerald eine Scheinwelt, in der blasse Menschen agieren, die sich selbst täglich den gerade passenden Anstrich verpassen. Ehrlich und wahr scheint nichts zu sein, wie auch der Erzähler schockiert feststellen muss, nachdem er in Gatsbys Welt gelandet ist.
 „Der große Gatsby“ gilt nicht ohne Grund als einer größten Romane seiner Epoche und bietet einen spannenden Blick die Zeit und die Menschen, die versuchen in ihr zu leben. 

Dienstag, 11. Juni 2013

Christian v. Ditfurth "Mit Blindheit geschlagen"


Zwei Jahre nachdem der Historiker Stachelmann der Hamburger Polizei bei der Lösung eines Mordfalls geholfen hat, gerät er selbst in das Visier der Mordkommission. Nach einer Berlinfahrt findet er in seinem Kofferraum die Leiche des neuen Kollegen am historischen Seminar Professor Wolfgang Griesbach. Da er einen One Night Stand mit dessen Ehefrau Ines hatte, scheint das Motiv klar. Doch Stachelmann ermittelt auf eigene Faust, um seine Unschuld zu beweisen und recherchiert in der Vergangenheit des toten Kollegen. Dabei gerät er tiefer in die Machenschaften der früheren Stasi, als ihm lieb ist. 
Wie schon „Mann ohne Makel“ lebt auch der zweite Band um den Lübecker Historiker stark von dem Protagonisten. Er ist sympathisch und ein wenig eigen, man wünscht ihm einfach, dass ihm nichts Böses passiert und er den eigentlichen Mörder findet. Der Krimi ist nicht so spannend, dass man Seite um Seite umblättert ohne nachzudenken, sondern beeindruckt eher durch die ruhigen Töne. Stachelmann grübelt viel nach, kombiniert und sucht nach logischen Schlüssen. Das Fehlen von blutrünstigen Mordserien und Verfolgungsjagden ist hier also durchaus positiv zu werten, gibt es dem Leser doch die Möglichkeit, die ganze Geschichte sehr reflektiert zu betrachten. Dies fordert vom Autor automatisch ein größere Genauigkeit und Logik, was für Christian v. Ditfurth jedoch kein Problem ist. Die Geschichte ist klar und realistisch erzählt und dennoch spannend und kreativ umgesetzt. Trotzdem lässt der Autor sich einen spannenden Showdown rund um Stachelmann nicht nehmen, so dass der Schluss doch noch zu einem klassischen Pageturner wird.
 „Mit Blindheit geschlagen“ ist ein absolut empfehlenswerter intelligenter Krimi mit historischem Hintergrund. Wer Wolfgang Schorlau und Volker Kutscher mag, wird auch Christian v. Ditfurths Krimis verschlingen. 

Sonntag, 9. Juni 2013

Christian v. Ditfurth "Mann ohne Makel"


Der Immobilienmakler Holler scheint ein Mann ohne Makel zu sein, reich und doch sympathisch, spendet er für alle, die es nicht so gut haben wie er und versucht dabei außerdem, nicht mit seinem Engagement in den Medien zu stehen. Dennoch hat es jemand auf ihn abgesehen. Im Abstand von immer einem Jahr wurden zuerst seine Frau und dann zwei seiner drei Kinder ermordet. Der ermittelnde Hamburger Polizist Ossi Winter holt einen alten Studienfreund mit ins Boot, als die Ermittlungen die Vergangenheit der Familie Holler beleuchten. Der Hamburger Historiker Josef Stachelmann soll herausfinden, ob das Motiv bis in die Zeit die Nationalsozialismus zurückreichen könnte und verstrickt sich schnell in der Geschichte.
Der Krimi „Mann ohne Makel“ ist der erste von bisher sechs Bänden um den Historiker Stachelmann. Mit dieser Figur ist Christian v. Ditfurth eine sympathische und dennoch eigenwillige Hauptfigur gelungen, der man gerne durch die Ermittlungen folgt. Er hat zwar seine Macken und ist auch nicht ganz fit, dennoch ist er mit viel Einsatz dabei und ermittelt auch noch weiter, als die Hamburger Polizei die Spur längst für kalt erklärt hat. Die Idee, dass ein Historiker Kriminalfälle löst, deren Ursache schon weit zurück liegt, hebt sich von anderen Krimireihen ab, so dass einem nicht alles bereits bekannt vorkommt und neue Motive in den Vordergrund rücken. Zudem hat man nicht den Eindruck, schon nach wenigen Seiten zu wissen, wer der Täter ist, sondern muss gemeinsam mit dem Historiker tief in die Geschichte der Personen eintauchen, um die Lösung für die Morde zu finden. 
Mit „Mann ohne Makel“ ist Christian v. Ditfurth ein besonderer und absolut empfehlenswerter Kriminalroman gelungen, der einen durch neue Lösungsansätze überrascht und einfach Spaß macht. 

Sonntag, 2. Juni 2013

Corina Bomann "Der Mondscheingarten"


Lilly Kaiser betreibt einen Antiquitätenladen in Berlin und führt seit dem Tod ihres Mannes ein ausgesprochen ruhiges Leben. Bis plötzlich ein Fremder ihren Laden betritt und ihr eine Geige alte überlässt. Diese solle angeblich ihr gehören und hat neben einer eingebrannten Rose noch ein Notenblatt mit dem Titel „Der Mondscheingarten“ als Besonderheit im Geigenkoffer. Lilly macht sich auf die Suche nach Hinweisen, wieso der Fremde gerade zu ihr kam und fährt nach London zu ihrer Freundin Ellen, die sich mit alten Musikinstrumenten auskennt. Gemeinsam versuchen sie, die Geschichte der Geige zu ergründen. 
Die Handlung wird abwechselnd im Jahr 2011 aus der Sicht Lilly Kaisers und im Jahr 1902 in Padang auf Sumatra von Rose erzählt, einer berühmten Geigenvirtuosin. Was als Idee auf den ersten Blick spannend erscheint, wird jedoch beim Lesen schnell ermüdend. Die mitreißende Story, die Corina Bomann bei der „Die Schmetterlingsinsel“ noch so großartig gelungen war, will einfach nicht in Gang kommen. Zudem beginnt bereits alles sehr kitschig, schon im Flieger nach London lernt sie einen Mann kennen, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht, während sie bis zum Flug doch noch unglaublich um ihren Mann getrauert hat. Die ganze Geschichte bleibt einfach zu flach und auch dem Teil der Story, der den Leser ins koloniale Sumatra entführt, fehlen die detaillierten Beschreibungen und Ideen, die die Phantasie des Lesers anregen sollten. Lillys ganze Suche hängt von Zufällen ab und es fehlt einem die Logik, die sie ans Ziel führt. Überall tauchen plötzlich alte Dokumente auf, obwohl der Leiter eines Musikinstituts in London doch angeblich so lange erfolglos versuchte, etwas über Geigerin aus Sumatra herauszufinden. 
Alles in allem handelt es sich bei „Der Mondscheingarten“ zwar um ein nettes, aber sehr seichtes Buch. Wer eine leichte Unterhaltung mit ein bisschen Geheimnis und Historie sucht, ist mit diesem Roman sicher gut beraten. Das Niveau des Vorgängers „Die Schmetterlingsinsel“ der Autorin sollte man jedoch nicht erwarten. 

Sonntag, 19. Mai 2013

Dan Brown "Inferno"


Mit großer Spannung wurde der neue Roman von Dan Brown erwartet und seit diese Woche ist er im Buchhandel zu bekommen. Wer Dan Brown kennt erwartet von „Inferno“ Hochspannung auf jeder Seite, eine sympathische Hauptfigur und ein bisschen Verschwörungstheorie im Hintergrund.
In „Inferno“ befindet sich Robert Langdon in Florenz auf den Spuren von Dantes „Göttlicher Komödie“. Er wacht in einem Krankenhaus auf, ohne sich zu erinnern, warum er in Florenz ist und was er dort machen soll. Doch schnell wird klar, dass er verfolgt wird. In seiner Jackentasche findet er ein altes Rollsiegel, in dem ein Bild von einer Darstellung von Dantes Vorstellung der Hölle versteckt ist- jedoch mit einigen entscheidenden Veränderungen. Er begibt sich auf die Suche nach dem Sinn hinter dieser Veränderung und gerät in einen Kreis aus Verrat und Gefahr. 
Dan Browns neuestes Buch beginnt spannend und interessant, als Leser jagt man mit dem Kunsthistoriker Langdon und seiner Ärztin Sienna Brooks nach seinen Erinnerungen und dem Sinn hinter seinem Fund. Doch leider steigert sich die Spannung nicht weiter, das Buch läuft auf einem guten, aber nicht herausragenden Niveau dahin, ohne einen wirklich mitzureißen. Die Idee hinter „Inferno“ ist zwar sehr gut, doch meiner Meinung nach verzettelt sich der Autor in zu vielen Details und Hinweisen. Ständig bleibt Langdon bewundernd stehen und erklärt die Geschichte und den Hintergrund von Kunstwerken, obwohl er doch eigentlich auf der Flucht ist. Hier hatte der Autor anscheinend den Wunsch, das Maximum seiner Recherche auch in den Roman einfließen zu lassen, was für den Leser etwas anstrengend wird. 
Zudem wird jedem, der schon einmal in Florenz war, beim Lesen schnell klar, dass Dan Brown die Stadt zu seinen Gunsten umgemodelt hat. Gebäude stehen woanders, Straßen verlaufen plötzlich zu anderen Plätzen und auch das ein oder andere Kunstwerk hat seinen Weg an einen anderen Ort gefunden. Das hatte Dan Brown bereits in vorgehenden Büchern mit Rom gemacht, als störend empfindet man es beim Lesen dennoch, wenn einem ein falsches Stadtbild vorgegaukelt wird. 
Dem Ende des Romans hingegen hätten etwas mehr Stoff und Recherche gut getan wie ich finde, doch das sollte jeder nach dem Lesen selber für sich entscheiden. Alles in allem ist Dan Brown mit „Inferno“ ein spannender Roman gelungen, der aber nicht an die Vorgänger heranreichen kann. 

Donnerstag, 16. Mai 2013

Wolfgang Schorlau "Die letzte Flucht"

Ein hochangesehener Arzt der Charité in Berlin wird verdächtigt, ein neunjähriges Mädchen vergewaltigt und brutal erschlagen zu haben. Die Beweise scheinen erdrückend, der Anwalt des Arztes glaubt jedoch nicht an dessen Schuld und zieht den Stuttgarter Ermittler Georg Dengler hinzu. Während der in Berlin ermittelt, ist sein Sohn aktiv in der Bewegung gegen Stuttgart 21, so dass die Hintergründe rund um den Bahnhofsbau immer mit in die Geschichte eingestreut werden. Der zweite Handlungsstrang beschreibt den Pharmaboss Assmuss, der von einem scheinbar verrückten Mann entführt wurde, der ihn in seinem Gefängnis täglich mit Fragen über die Pharmabranche konfrontiert. 
Fast bis zum Schluss werden die beiden Handlungsstränge nicht miteinander verbunden, was das Lesen zum Teil etwas schwierig werden lässt, da völlig unabhängig erscheinende Geschichten nebeneinander stehen. Doch die Jagd von Dengler nach dem Mörder des Mädchens und seine Faktensuche sind spannend und aufregend wie immer, so dass der Krimi kaum darunter leidet. Die Informationen, die Assmuss seinem Entführer gibt und die der Autor Wolfgang Schorlau gemäß seinem Nachwort genauestens recherchiert hat, offenbares Grausiges: Für die meisten Krankheiten wird gar nicht mehr geforscht, weil es sich finanziell nicht lohnt, es werden lediglich abgewandelte Medikamente von alten Produkten auf den Markt geworfen. Erst ganz zum Schluss wird aufgeklärt, was diese Informationen mit dem Mord an dem Mädchen und dem renommierten Arzt zu tun haben könnten.
Auch wenn ich diesen Band rund um den Ermittler Georg Dengler nicht ganz so spannend fand wie die letzten, ist er immer noch großartig zu lesen, besonders durch die Aktualität des Themas und dem Hintergrundwissen, das Wolfgang Schorlau recherchiert hat und an den Leser weitergibt. 

Dienstag, 14. Mai 2013

Hilary Mantel "Wölfe"


Heinrich VIII. ist  der wohl bekannteste englische König. Um sich von seiner Frau scheiden zu lassen, brach er mit der katholischen Kirche und hatte nacheinander mehrere Ehefrauen, von denen einige sogar auf dem Schafott landeten, wenn er sich zu einer anderen hingezogen fühlte. Doch wer ist der Mann an seiner Seite, der in ihn bei allen rechtlichen und privaten Problemen zur Seite stand? Thomas Cromwell wurde als armer Sohn eines Schmieds in Wales geboren, floh vor seinem gewalttätigen Vater durch ganz Europa, lerne Recht und Wirtschaft kennen und wurde später zum Berater von Heinrichs Feind in der Kirche, Kardinal Wolsey. Nach dessen Tod arbeitet er sich bis zum engsten Berater und Vertrauten des Königs hoch.
Hilary Mantel beschreibt in diesem Buch detailliert den Aufstieg von Thomas Cromwell, seine Rolle bei der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche und den gleichzeitigen Aufstieg von Anne Boleyn zur Königin von England. Dieser historische Roman unterscheidet sich von den meisten anderen nicht nur durch die großartige Rechercher und die detailreiche Beschreibung, sondern auch durch den völligen Verzicht  auf Kitsch und die romantische Verklärung von vergangenen Zeiten. Der nüchterne Stil der Booker-Preisträgerin von 2009 passt zum kühl denkenden Analytiker Thomas Cromwell, der immer zwei Schritte weiter zu denken scheint, als alle in seinem Umfeld. Während alte Vertraute des Königs in Ungnade fallen, arbeitet er sich konstant immer dichter an das direkte Umfeld des Königs heran.
„Wölfe“ ist ein herausragender historischer Roman, von dessen Umfang (immerhin 760 Seiten) man sich keinesfalls abschrecken lassen sollte. Die Autorin näherte sich Heinrich VIII. aus einem neuen Blickwinkel, was das Buch auch für Leser, die sich schon viel mit seiner Geschichte beschäftigt haben, durchaus interessant werden lässt. Und mit „Falken“ ist bereits der zweite Band ins Deutsche übersetzte worden, auch für diesen erhielt Hilary Mantel 2012 den Booker Prize. Die Geschichte um Thomas Cromwell und eigenwilligen englischen König geht also weiter. 

Sonntag, 12. Mai 2013

Ein wirklich dickes Buch....

Hier war es im letzten Monat sehr ruhig, weil ich für das letzte Buch wirklich lange gebraucht habe. "Wölfe" von Hillary Mantel hat zwar viel Zeit in Anspruch genommen, war aber auch wirklich großartig. Die Rezension folgt morgen!

Mittwoch, 17. April 2013

S.G. Browne "Pechvogel"


Nick Monday ist ein besonderer Mensch: er ist Glücksjäger. Allein durch das Ergreifen der Hand kann er Menschen ihnen ihr Glück abnehmen und es dann für viel Geld verkaufen. Das Jagen von Glück kann man nicht erlernen, denn diese Fähigkeit wird vererbt. Doch plötzlich hat Nick selbst überhaupt kein Glück mehr. Die chinesische Mafia zwingt ihn für sie zu arbeiten, gleichzeitig haben ihn Regierungsorganisationen auf dem Radar, seine Schwester wird bedroht und die Frau, die ihm einen Auftrag erteilt hat, hat plötzlich eine Doppelgängerin. Alles gerät durcheinander und Nick hat keine Ahnung was da eigentlich passiert. 
S.G Brownes voriger Roman „Schicksal“ hatte mich so begeistert, dass die Erwartungen an„Pechvogel“ sehr groß waren. Diese wurden leider enttäuscht. Zwar ist das Buch durchaus unterhaltsam und die Idee an sich genauso gut wie schon bei Brownes erstem Roman - total skurril und dennoch witzig. Aber in der Umsetzung bleibt der Witz leider etwas auf der Strecke. Nick Monday geht mit einer derartigen Arroganz durchs Leben, dass man ihm ab einem gewissen Punkt schon fast wünscht, er möge ruhig wieder auf die Nase fallen und so fällt es schwer, sich mit dem Protagonisten in irgendeiner Form zu solidarisieren. Man bleibt als Leser bei diesem Roman außen vor, man beobachtet zwar, wird aber nicht mitgerissen, dafür fehlen einfach die Charaktere, die einen emotional ansprechen könnten. 
Gleichzeitig passiert an einem Tag in der Handlung so unglaublich viel, dass es schwer fällt zu verfolgen, wer ihn jetzt gerade entführt hat, unter Drogen setzt, erpresst oder droht seine Schwester und ihre Familie umzubringen. Meiner Meinung nach hätte eine etwas stärker organisierte Handlung und ein paar sympathische Charakterzüge der Hauptfigur diesem Buch gut getan.
 Es ist dennoch nicht alles schlecht, da der Stil von Browne sehr gut lesbar ist und einzelne Szenen einen komischen Effekt haben, der einem das Grinsen hin und wieder dann doch ins Gesicht treibt. An "Schicksal" kann „Pechvogel“ dennoch nicht heranreichen. 

Dienstag, 16. April 2013

Joanne Harris "Himmlische Träume"


Nach acht Jahren kehrt Vianne Rocher nach Lansquenet zurück. Ein alter Brief ihrer toten Freundin bringt sie dazu, Paris den Rücken zu kehren und mit ihren Kindern Anouk und Rosette in das Dorf zurückzufahren, das sie einst vehement bekämpft und vertrieben hat. Dort trifft sie auf alte Freunde und alte Feinde. Doch der Pfarrer, der einst gegen sie hetzte, scheint selber Probleme zu haben und ist auf ihre Hilfe angewiesen. Und die maghrebinische Gemeinde im Ort hat sich vergrößert und mit Inès eine starke Persönlichkeit gewonnen, die der Gemeinde viel Ärger bereitet. Vianne muss herausfinden, was eigentlich passiert ist, das diese Feindschaften sät.
 „Himmlische Träume“ ist der dritte Band der Romanreihe um Vianne Rocher, die mit „Chocolat“ einen weltberühmten Anfang hat. Dieser Roman von Joanne Harris ist großartig zu lesen, auch ohne die ersten beiden Bände gelesen zu haben. Die Geschichte hat etwas märchenhaftes, die Figuren aus 1001 Nacht treffen auf ein scheinbares südfranzösisches Dorfidyll, dessen Fassade schon völlig zerbröckelt scheint. Francis Reynaud, der Pfarrer der Gemeinde, wird beschuldigt gegen die Maghrebiner zu hetzen, intolerant und fremdenfeindlich zu sein und wird durch einen anderen Pfarrer ersetzt. Hilflos kämpft er gegen diese Vorurteile und macht damit alles nur noch schlimmer. Vianne, früher seine erbitterte Gegnerin, sieht sich plötzlich in der Position, ihm helfen zu müssen.
Der Stil der Autorin bei all dem ist sehr farbig, die Geschichte voller Fantasie und märchenhaft anmutender Szenen. Dabei wird dennoch ein hochaktuelles Thema der französischen Gesellschaft thematisiert, das Zusammenleben mit Zuwanderern, die nicht nur eine andere Kultur und Traditionen sondern auch eine den Menschen persönlich  wenig bekannte Religion mitbringen. Dabei nimmt Joanne Harris die Leser von der ersten Seite mit auf diese besondere Reise und verliert sie an keiner Stelle, denn die Beschreibungen sind so detailliert, das man wunderbar folgen kann und lassen dennoch Raum für die eigene Fantasie und Gedankenspielereien.
 „Himmlische Träume“ ist ein wunderbares Buch darüber, was das Eigene und das Fremde in einer kleinen Dorfwelt bedeuten können und wie die Menschen damit umgehen. Absolut für empfehlenswert für jeden, der eine ganz besondere Geschichte sucht.