Berlin 1935:
Gereon Rath hat sich zwar von Unterweltboss Johann Marlow losgesagt, dennoch
pfuscht er ihm wieder ins Handwerk, wenn auch dieses Mal ungewollt. Rath wird
zu einem Verkehrsunfall gerufen, ein Fahrer ist frontal mit Vollgas gegen einen
Brückenpfeiler gefahren, er und sein Fahrgast sind tot. Als herauskommt, dass
der Fahrer an einer tödlichen Krankheit litt und Rath auch noch Geheimakten des
SD in dem Wagen findet, ahnt er, dass mehr hinter der Sache steckt. Auch
Charly, seine Frau, verstrickt sich mal wieder in Ungereimtheiten. Sie
ermittelt mit dem ehemaligen Polizisten Böhm inzwischen als Privatdetektivin
und in einer alten Geschichte scheint es Überschneidungen zu Gereons Fall zu
geben. Gibt es eventuell sogar einen gemeinsamen Drahtzieher zwischen dem
Unfall und dem Tod von Charlys Vater vor acht Jahren?
„Marlow“ ist der
inzwischen siebte Band rund um den Kriminalkommissar Gereon Rath und seine Frau
Charly, die eigentlich Rechtsanwältin werden wollte, sich inzwischen aber von
den Nazis ausgebremst sieht. Frauen gehören an den Herd und nicht ins Büro,
eine Karriere wird ihr so verbaut. Grundsätzlich merkt man dem ganzen Roman an,
dass die Stimmung sich immer dramatischer verändert. Während Gereon versucht,
sich immer hindurch zu schmuggeln, ohne wirklich bei den neuen Machthabern
anzuecken, macht Charly keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die
Nationalsozialisten, was für die beiden und ihren Pflegejungen Fritz viele Probleme
mit sich bringt. Das Personal des Romans ist größtenteils bekannt, es werden
hier kaum neue Figuren eingeführt, das ist für die Story aber auch unnötig. Es
ist die Vergangenheit von Charly, die etwas näher beleuchtet wird und als Leser
erfährt man endlich etwas mehr über diese faszinierende Frau. Von Gereon
wünscht man sich bei der Lektüre in vielen Fällen politisch etwas mehr Haltung
gegen die Nazis, aber gerade durch sein etwas schwammiges Verhalten ist er
vermutlich so typisch für die damalige Zeit. Es wird deutlich, wie groß der
Druck inzwischen ist, wie wenig Widerspruch noch geduldet wird. Bereits in
diesem Band deutet sich an, dass Charly und Böhm Verfolgten helfen, die aus
Deutschland fliehen wollen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie weit die
beiden in ihrem Widerstand gehen werden und ob das nicht letztendlich zu
weiteren Probleme zwischen Gereon und Charly führen wird.
So spannend die
historische Komponenten des Romans ist, so gelungen ist „Marlow“ auch als
Krimi. Natürlich lässt sich der Fall kaum losgelöst von den politischen
Entwicklungen sehen, denn Gereon Rath sieht sich immer wieder mit SD und SS
konfrontiert, doch auch unabhängig davon ist der Fall sehr spannend beschrieben
und lückenlos logisch aufgebaut. Es gibt viele überraschende Wendungen, die
einen mitreißen und die Geschichte zu einem wahren Schmöker machen, bei dem man
sich immer wieder dabei erwischt, mit dem Lesen einfach nicht aufhören zu
können. Die Mischung aus Kriminalfall und realistischer Beschreibung der
historischen Gegebenheiten ist dem Autor Volker Kutscher wieder auf geniale
Weise gelungen.
„Marlow“ ist ein großartiges Buch, das man
auch in der heutigen Zeit jedem ans Herz legen möchte. Es zeigt im Rahmen des
Kriminalromans sehr deutlich, welche Gefahren davon ausgehen, wenn Meinungen
aus Angst nicht mehr geäußert werden können und Menschen in einem politischen System
nicht mehr auf den Rechtstaat vertrauen können. Der Roman ist großartig
geschrieben, ein beeindruckendes Buch, das ich uneingeschränkt allen Leserinnen
und Lesern empfehlen kann.
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