„Wir sind dann
wohl die Angehörigen“, dieser Satz schoss Johann Scheerer durch den Kopf, als
sich die Angehörigenbetreuer der Polizei nach der Entführung seines Vaters bei
ihm vorstellen. Und wie es für die Angehörigen war, die berühmte „Reemtsma-Entführung“
hautnah mit- zuerleben und wie sich die 33 Tage auf das Leben seines Sohnes
auswirkte, beschreibt dieser in dem Buch mit dem gleichen Titel.
Das Besondere an
dem Buch ist, dass Johann Scheerer es schafft, seine persönliche Perspektive
aus der Sicht eines Jungen wiederzugeben, ohne mit dem heutigen Wissen zu
verurteilen oder zu verändern. Er beschreibt sehr sachlich seine Wahrnehmung,
das Gefühl, dass die Polizei die ganze Sache nicht im Griff hat und wie langsam
die Zeit vergeht, wenn man das Haus kaum noch verlassen kann und nichts mehr mit
sich anzufangen weiß. Die Spannung im Haus ist greifbar, während er seine
Geschichte erzählt und all das geht einem als Leser sehr nahe, denn für Johann
steht zwischendurch eigentlich schon fest, dass sein Vater entweder bereits tot
ist oder bald getötet werden wird. Er will sich keine Hoffnungen machen, die
enttäuscht werden könnten. Und gleichzeitig hat er nur den Wunsch, dass alles
wieder so ist wie vorher. Doch ihm ist klar, dass es in dieses „vorher“ wohl
nie zurückgehen wird, egal wie die Entführung endet.
Johann Scheerer
hat mit „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ eine ganz neue Perspektive auf
eine der berühmtesten Entführungen der deutschen Geschichte geschaffen. Das
Buch ist bei all seiner Sachlichkeit und Nüchternheit im Erzählstil hoch
emotional und bewegend, spannend zu lesen und mitreißend von Anfang bis Ende –
ich kann es nur weiterempfehlen.
✮✮✮✮✰
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