Es ist 1944 und
Deutschland liegt im Chaos. Soldat Veit Kolbe ist verwundet und kommt auf
Erholungsurlaub nach Hause, nach Wien. Doch dort hält er es nicht aus, er fährt
in das kleine Örtchen Mondsee, wo sein Onkel als Polizist arbeitet. Da Dorf
liegt unter der Drachenwand, einem mächtigen Bergmassiv am See. Dort verliebt
sich Veit und auch um ihn herum geht das Leben weiter. Doch der Krieg prägt
auch weit ab von der Front die Menschen, wie er feststellen muss.
„Unter der
Drachenwand“ ist ein sehr bewegendes und aufrüttelndes Buch, denn es zeigt - wenn
auch in einer fiktiven Geschichte - wie omnipräsent der Krieg im Leben der
Menschen im Jahre 1944 war. Und wie selbstverständlich genau dies auch
teilweise schon. Dabei geht es nicht nur um das Leben des Soldaten, sondern
auch um das Mädchen Annemarie Schaller. Eigentlich sollte sie vor dem Krieg in
Sicherheit gebracht werden mit der Landverschickung aus Wien, doch genau in der
angeblichen Idylle wendet sich ihr Schicksal ins Tragische. Die Geschichte wird
größtenteils aus der Sicht des Soldaten erzählt, wechselt aber immer wieder die
Perspektive durch die Briefe, die die Menschen in Mondsee erreichen und die der
Autor Arno Geiger geschickt in die Erzählung einbringt, um das Leben in Mondsee
und den Städten wie Darmstadt und Wien gegenüber zu stellen. In Mondsee geht es
den Menschen noch recht gut, sie werden nicht ausgebombt, lediglich Überflüge
von alliierten Flugzeugen haben sie zu ertragen. Nahrungsmittel sind auf dem Land
zumindest eher vorhanden als in der Stadt, dafür kennt jeder jeden und die
Kontrollfunktion der Gesellschaft funktioniert ganz wunderbar. Jeder weiß, was
sein Nachbar sagt oder denkt und so geht es schnell ins Gefängnis, wenn man
Kritik äußert. Diese ganze Situation beschreibt Geiger so gut, dass man beim
Lesen das Gefühl bekommt, selbst in dieser Enge zu sitzen. Veit helfen nur
Medikamente gegen die Panik, die er aus dem Krieg mitgebracht hat, in den er
aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch wieder zurück muss. Als Leserin oder
Leser fühlt man unweigerlich mit Veit, wenn er seine Gefühle beschreibt, denn
er kommt einem sehr nah, trotz der nüchternen Sprache des Autors. Der
Protagonist nimmt die Leser direkt mit in den Krieg mit all seinen
Rahmenerscheinungen und das macht das Buch auch so beachtenswert, denn es lässt
einen einfach nicht los.
Arno Geiger ist
mit „Unter der Drachenwand“ ein bewegender Roman über Alltag und Krieg im Jahre
1944 gelungen, der dennoch eins deutlich macht: Die Protagonisten sind nicht
ohne Hoffnung, im Gegenteil, sie glauben fest daran, diese verlorene Zeit
endlich überwinden zu können, um erneut leben zu leben. Wie in einer Wartehalle
pausiert ihr Leben bis zum Kriegsende. Ein beeindruckendes Buch, das vollkommen
zurecht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2018 gestanden hat.
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