Mittwoch, 21. November 2018

Timur Vermes "Die Hungrigen und die Satten"


In einer  Zeit, in der Europa seine Grenzen gnadenlos abgeriegelt hat und auch mit den korruptesten afrikanischen Staaten zusammenarbeitet um die Migration nach Europa zu verhindern, begibt sich ein bekanntes TV-Sternchen in ein Flüchtlingslager vor Ort um „den Menschen zu helfen“. Trotz des Erfolgs sind die Dreharbeiten irgendwann beendet, die Flüchtlinge ahnen, dass sie schnell in Vergessenheit geraten werden, besonders Lionel, der inzwischen eine Beziehung mit Nadeshe Hakenbusch, dem aufstrebenden Fernsehstar hat. Kurzerhand machen sie sich auf den Weg, zu Fuß nach Europa, live im Fernsehen. Der Politik in Deutschland wird mit Schaudern bewusst, was auf sie zukommt und versucht zu handeln – doch das Chaos ist bereits ausgebrochen.
Timur Vermes hat bereits mit „Er ist wieder da“ sein Talent für bitter-böse Satire bewiesen und genau damit glänzt er auch in seinem neuen Roman „Die Hungrigen und die Satten“. Schon der Titel ist bezogen auf die Handlung an Zynismus kaum zu überbieten und so beschreibt er das, was da passiert, auf eine Art und Weise, die im starken Gegensatz zur Handlung steht. Das Drama der Menschen, ihre Hoffnungslosigkeit und Angst erzählt er eben auf locker-leichte unterhaltsame Weise. Unterstrichen wird dies noch durch eingestreute Artikel aus der fiktiven Frauenzeitschrift „Evangeline“, deren Redakteurin Nadeshe Hackenbusch auf Schritt und Tritt begleitet. Völlig übertrieben und ins Absurde geführt, beschreibt sie das TV-Sternchen und ihre Erfahrungen auf eine Art und Weise, dass man überall Regenbogen und Glitzersternchen sieht, während fröhlich bunte Einhörner um den Flüchtlingstreck springen. Man könnte lachen, wenn es nicht so grausam wäre. Und dieses Gefühl bleibt einem auch über den gesamten Roman erhalten, der Wunsch zu lachen über diese Albernheiten, wenn man nicht im Bauch dieses Gefühl hätte. Ist das wirklich so absurd? Kann man sich das nicht wirklich auch vorstellen, dass es irgendwie so passieren würde? Würde die Regierung nicht vermutlich am Ende wirklich so reagieren wie in dieser Satire? Und dass man so zwischen Lachen und Grauen gefangen ist, macht das besondere Talent des Autors aus.
Timur Vermes hat sich seit seinem Debütroman viel Zeit gelassen, bis „Die Hungrigen und die Satten“ in diesem Jahr erschienen ist. Es hat sich gelohnt, ihm ist eine großartige Satire über das fröhliche Gutmenschentum auf der einen und die simple Radikalisierung von Fremdenfeindlichkeit auf der anderen Seite gelungen. Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre in der aktuellen Zeit, es unterhält und schafft es gleichzeitig, dass es einem eiskalt den Rücken herunterläuft, immer bitter-böse am Puls der Zeit. 

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