In einer Zeit, in der Europa seine Grenzen gnadenlos
abgeriegelt hat und auch mit den korruptesten afrikanischen Staaten
zusammenarbeitet um die Migration nach Europa zu verhindern, begibt sich ein
bekanntes TV-Sternchen in ein Flüchtlingslager vor Ort um „den Menschen zu
helfen“. Trotz des Erfolgs sind die Dreharbeiten irgendwann beendet, die
Flüchtlinge ahnen, dass sie schnell in Vergessenheit geraten werden, besonders
Lionel, der inzwischen eine Beziehung mit Nadeshe Hakenbusch, dem aufstrebenden
Fernsehstar hat. Kurzerhand machen sie sich auf den Weg, zu Fuß nach Europa,
live im Fernsehen. Der Politik in Deutschland wird mit Schaudern bewusst, was
auf sie zukommt und versucht zu handeln – doch das Chaos ist bereits ausgebrochen.
Timur Vermes hat
bereits mit „Er ist wieder da“ sein Talent für bitter-böse Satire bewiesen und
genau damit glänzt er auch in seinem neuen Roman „Die Hungrigen und die Satten“.
Schon der Titel ist bezogen auf die Handlung an Zynismus kaum zu überbieten und
so beschreibt er das, was da passiert, auf eine Art und Weise, die im starken
Gegensatz zur Handlung steht. Das Drama der Menschen, ihre Hoffnungslosigkeit
und Angst erzählt er eben auf locker-leichte unterhaltsame Weise. Unterstrichen
wird dies noch durch eingestreute Artikel aus der fiktiven Frauenzeitschrift „Evangeline“,
deren Redakteurin Nadeshe Hackenbusch auf Schritt und Tritt begleitet. Völlig
übertrieben und ins Absurde geführt, beschreibt sie das TV-Sternchen und ihre
Erfahrungen auf eine Art und Weise, dass man überall Regenbogen und
Glitzersternchen sieht, während fröhlich bunte Einhörner um den
Flüchtlingstreck springen. Man könnte lachen, wenn es nicht so grausam wäre.
Und dieses Gefühl bleibt einem auch über den gesamten Roman erhalten, der
Wunsch zu lachen über diese Albernheiten, wenn man nicht im Bauch dieses Gefühl
hätte. Ist das wirklich so absurd? Kann man sich das nicht wirklich auch
vorstellen, dass es irgendwie so passieren würde? Würde die Regierung nicht vermutlich
am Ende wirklich so reagieren wie in dieser Satire? Und dass man so zwischen
Lachen und Grauen gefangen ist, macht das besondere Talent des Autors aus.
Timur Vermes hat
sich seit seinem Debütroman viel Zeit gelassen, bis „Die Hungrigen und die
Satten“ in diesem Jahr erschienen ist. Es hat sich gelohnt, ihm ist eine
großartige Satire über das fröhliche Gutmenschentum auf der einen und die simple
Radikalisierung von Fremdenfeindlichkeit auf der anderen Seite gelungen. Dieses
Buch ist eine Pflichtlektüre in der aktuellen Zeit, es unterhält und schafft es
gleichzeitig, dass es einem eiskalt den Rücken herunterläuft, immer bitter-böse
am Puls der Zeit.
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