Johannas Leben
war bewegt, und doch irgendwie durchschnittlich. Als Baby von ihrer
überforderten Mutter an die Großeltern abgegeben, wägst sie in einem
beschaulichen Dorf in Schwaben auf, der Großvater Dorfschullehrer, die
Großmutter immer da, wenn sie gebraucht wird. Jetzt kehrt Johanna zurück in die
Heimat, die Großeltern leben nicht mehr, doch das Haus gehört ihr. Nach einem
Schlaganfall kann sie kaum sprechen, sich schwer bewegen und dennoch zieht es
sie in die Einsamkeit des leerstehenden Hauses, ohne Hilfe. Es wird eine Reise
in die Vergangenheit, auch für die Dorfbewohner, denn Johannas Anwesenheit ist
auch für sie nicht immer leicht zu akzeptieren.
Verena Boos
überzeugt in ihrem Roman „Kirchberg“ gerade durch die Beschreibung der
Normalität, die einen als Leser sofort fasziniert. Es ist nichts Spektakuläres
am Leben der Protagonistin, und doch fesselt einen Johannas Geschichte sofort. Die
Sprachlosigkeit mit der sie kämpft ist gerade für sie, die doch als
Wissenschaftlerin an der Uni arbeitet und immer gelesen und geschrieben hat,
furchtbar zu akzeptieren. Sie sucht die Einsamkeit, doch stattdessen findet sie
alte Freunde und eine Dorfgemeinschaft, die sie nicht ausstößt, obwohl sie
immer ein Dorn im Auge aller war. Das Kind ohne Vater, aufgezogen von den
Großeltern, wo gibt es denn sowas? Sicher eine schwierige Ausgangssituation für
eine junge Frau in einem konservativen Dorf, wo man dies und jenes nicht tut,
aber immer genau weiß, was der Nachbar gerade macht. Die Beschreibungen und
Rückblenden, mit denen Verena Boos dem Leser das Leben ihrer Hauptfigur langsam
entblättert, gehen sehr Nahe und lassen einen nicht los. Der Autorin ist es
großartig gelungen, einen mit der Geschichte zu berühren, ohne um Mitleid für Johanna
zu heischen oder um Mitgefühl zu betteln. Sie ist eine starke Person und wird
ernst genommen, sowohl vor als auch nach dem alles verändernden Schlaganfall.
Mit „Kirchberg“
hat Verena Boos einen bewegenden Roman vorgelegt, der gar keine Extravaganzen
oder spektakuläre Überraschungen braucht, um den Leser tief zu bewegen. Es ist
die Hauptfigur selbst, die uns beim Lesen immer dichter rückt und bis ins Innerste
berührt mit ihrem Kampf, ihrer Suche und ihrer Verzweiflung. Ein starkes Buch
über eine starke Frau.
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