Nach Ende des
Zweiten Weltkriegs muss Josef Mengele nach Südamerika fliehen. Als Kriegsverbrecher
gesucht, taucht er dort in einer Gemeinschaft aus Alt-Nazis unter, die sich
unter dem Schutz von Péron in Argentinien ein angenehmes Leben machen. Doch mit
den Jahren nimmt der Druck immer weiter zu, die Gemeinschaft löst sich auf und
Mengele fühlt sich immer verfolgter, auch Scheinexistenzen und die
Unterstützung seiner Familie aus Deutschland sind kaum noch eine Hilfe. Doch
bis zum Schluss zeigt er sich uneinsichtig und sieht sein Handeln als großen
Vaterlandsdienst an.
„Das
Verschwinden des Josef Mengele“ ist ein unglaublich spannendes, frustrierendes
und gleichzeitig wichtiges Buch. Es zeigt sehr deutlich, wenn auch in
fiktionaler Form, dass es in den 40er und 50er Jahren kaum Bemühungen gab, die
Nazi-Verbrecher zu fassen, viele wurden sogar direkt wieder in das politische System
integriert. Gleichzeitig gibt der Autor Olivier Guez einen Einblick in das
mögliche Denken des Kriegsverbrechers Mengele, der zahlreiche grausame
Experimente an lebenden Menschen durchführte, nur um sie am Ende direkt
umzubringen. Es bedarf schon einer unglaublichen Kaltblütigkeit, um dieses
Handeln auch Jahrzehnte später noch immer vor sich selbst als wichtig und nötig
zu rechtfertigen. An vielen Stellen lässt einem die Geschichte eine Gänsehaut
über den Rücken laufen angesichts des Grauens, oft hat mich das Buch aber auch
wütend und frustriert zurückgelassen. Wie leicht wurde es den Mördern gemacht,
in Südamerika unterzutauchen, wie wenig wurde getan, um sie einer gerechten Strafe
zuzuführen. Auch über 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz müssen wir
darüber diskutieren, warum ein Josef Mengele so lange untertauchen konnte,
warum so wenig getan wurde, um ihn und viele andere zu finden.
Dieses so
schwierige Thema hat Olivier Guez dennoch auf schon fast leichte Art umgesetzt,
seine Sprache ist wunderbar flüssig, auch wenn der Roman stilistisch fast wie
ein Sachbuch daherkommt. Doch kleine Elemente genügen, um einen immer wieder
von der sachlichen auf die emotionale Ebene zu bringen, so nennt er bei der
Einführung neuer Personen häufig eine Zahl von ihnen ermordeter Personen direkt
in Klammern hinter dem Namen. Eigentlich eine Kleinigkeit, doch die Zahlen sind
in ihrer Nüchternheit so beklemmend, dass man erst einmal durchatmen muss, um
weiterlesen zu können.
Bei der Lektüre
von „Das Verschwinden des Josef Mengele“ schwankte ich ununterbrochen zwischen
Neugier und Grauen, war gefangen zwischen Spannung und Abscheu und konnte das
Buch nur schwer aus der Hand legen. Ein großartiges Buch, dessen Thema
in der heutigen Zeit absolut relevant ist und unbedingt gelesen werden sollte.
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