Mittwoch, 13. März 2019

Corinna Mell "Marienfelde"


Berlin in den 50er Jahren: Der Krieg ist endlich vorbei und das Wirtschafts- wunder bringt Deutschland voran. So auch Sonjas Familie, ihr Vater erweitert den kleinen Fahrdienst und übernimmt ein VW Autohaus. Während es in Westdeutschland aufwärts geht, lebt Sonjas Onkel in Ostberlin und ist glühender SED-Anhänger. Mit dem Mauerbau reißt der Kontakt immer weiter ab, Sonja ist inzwischen verheiratet und hat zwei Kinder, als ihr Onkel sie um Hilfe bittet. Sie soll ihn und seine Familie aus Ostberlin rausholen, sie werden von der Stasi drangsaliert. Ihr Mann Jürgen sieht nicht, wieso sie ihrem Onkel helfen will und die Ehe steht auf der Kippe. Wird ihre Familie an dem Streit zwischen Ost- und Westdeutschland zerbrechen?
In ihrem Roman „Marienfelde“ schildert Corinna Mell das Leben in den 50er und 60er Jahren in Berlin und die besondere Situation durch Konfrontation von Sozialismus und Kapitalismus in einer Stadt. Sehr gut beschreibt sie die politische Lage, aber besonders auch das Leben der normalen Menschen und wie es durch die Verhältnisse beeinflusst wurde. Das geht bei der Teilung von Familien durch die Grenze los, die Angst vor einem Krieg und die damit verbundenen Vorsichtsmaßnahmen. Gleichzeitig geht es aber auch um den Alltag, die Veränderung der Mode, das Frauenbild und die Entwicklung des Wohlstandes am Beispiel des Autohauses. Mir hat die gesamte Konstruktion sehr gut gefallen, die Autorin liefert ein schönes Bild der Zeit mit sympathischen Figuren, die einen die Geschichte gut erleben lassen und mitnehmen. Man erlebt mit Sonja ihre Backfischzeit im Internat, ihre Zeit kurz vor der Ehe und ihr Leben als junge Mutter in den 60er Jahren, was ich sehr faszinierend fand. Ihr Selbstbild als Frau, die hinter ihrem  Mann zurückstehen muss und dafür zuständig ist, Heim und Kinder zusammenzuhalten und sonst keine Aufgaben hat, ist mir persönlich heute sehr fremd und wirkt regelrecht antiquiert. Hier zeigt sich deutlich, wie sehr sich das Frauenbild in den letzten Jahrzehnten weiter entwickelt hat. Auch wenn Sonja schon eine sehr selbstständige Frau ist, kommt sie oftmals gar nicht auf die Idee, diese Rolle zu hinterfragen.
Der Roman liefert ein Bild der Alltagssituation, was allerdings auch dazu führt, dass es zwar interessant zu lesen ist, ihm teilweise aber etwas der Spannungsbogen fehlt, der alles zusammenhält. Es sind eher einzelne Episoden in Sonjas Leben, die ohne größeren Rahmen erzählt werden, was dennoch unterhaltsam ist. Ich habe mich allerdings gefragt, ob der Verfasser des Klappentextes den Roman überhaupt wirklich gelesen hat, so unpassend erschien mir diese Kurzfassung im Verhältnis zum gesamten Roman.
„Marienfelde“ bildet das Leben der Menschen im Westberlin der 50er und 60er Jahre sehr umfassend ab und gibt dem Leser ein schönes Bild des Lebens der Protagonisten. Eine leichte Lektüre, die unterhaltsam ist und dennoch einen schönen historischen Überblick vermittelt.

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