Ingunn lebt als Tochter des
Händlers Sigmund im Jahr 1044 in Haithabu, einem dänischen Handelsstützpunkt. Ihr
Leben ist geprägt von den Kämpfen zwischen dem dänischen König Sven und dem
norwegischen König Harald, der die Dänen immer wieder angreift und auch
Haithabu nicht verschont. Sie ist ein noch ein junges Mädchen und verliebt in
den Krieger Torge, der in England kämpft und auf den sie warten will. Doch ihr
Leben verläuft anders als erwartet und bringt für Ingunn mehr, als ein Leben
als Hausfrau und Mutter. Schon früh muss sie beweisen, dass auch als Frau
selbständig sein und sich durchsetzen kann.
Martha Sophie Marcus beschreibt in
ihrem Roman „Herrin des Nordens“ eine spannende Zeit des Übergangs in der
Geschichte der nordischen Völker. Das Christentum breitet sich immer weiter aus
und drängt den Glauben an die alten Götter wie Freya, Odin und Thor zurück.
Auch Ingunn muss erfahren, dass die gläubigen Christen ihren Gott als einzig
wahren ansehen und kein Verständnis für die rückständigen „Heiden“ haben.
Ingunns Mutter wendet sich nach dem frühen Tod ihrer anderen Kinder dem
Christentum zu, so dass die junge Ingunn sich ständig mit der Enttäuschung
ihrer Mutter über ihren falschen Glauben konfrontiert sieht. Ihr Vater jedoch
schätzt sie als Mensch und fördert sie, wo er kann, obwohl sie eine Frau ist.
Er bildet sie zur Händlerin aus, lässt sie nützliche Sprachen lernen und
fordert von ihr, eine selbständige starke Frau zu werden. Jedoch nicht um die Geschäfte
später selbst zu führen, sondern um ihrem Mann zur Seite stehen zu können, der natürlich das Geschäft übernehmen
soll.
Die Konfrontation der Religionen
und die starke Rolle der Frauen in der Gesellschaft haben mich an diesem Roman
am meisten fasziniert. Die Autorin schafft es, das Leben in der damaligen Zeit
sehr detailliert und lebensnah zu beschreiben, so dass einem die Sitten und Gebräuche
schnell vertraut sind und man die Personen in ihren Handlungen besser versteht.
Die Geschichte beginnt sehr ruhig, nimmt dann aber Fahrt auf und wird immer
spannender, so dass ich das Buch gegen Ende gar nicht mehr aus der Hand legen
mochte. Der Roman hebt sich von vielen anderen historischen Romanen auch
dadurch ab, dass er nicht im späteren Mittelalter spielt, sondern sich mit dem
Beginn der Verbreitung des Christentums im Norden und der Zeit der späten Wikinger
auseinandersetzt. Zudem spielt Ingunns Liebesgeschichte zu einem Mann zwar eine
Rolle, ist aber nicht der einzige Zweck der Erzählung, vielmehr geht es um eine
gute Darstellung der damaligen Zeit, was mir sehr gut gefallen hat. Martha
Sophie Marcus ist ein sehr guter historischer Roman gelungen, der sich positiv
von vielen anderen Geschichten in dem Genre abhebt.
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