Auf Geschäftsreise in Australien entdeckt ein deutscher Rechtsanwalt im Museum ein Bild wieder, das vor Jahrzehnten sein Leben veränderte, „Die Frau auf der Treppe“. Eben in diese Frau hatte er sich damals verliebt, wurde jedoch, wie auch ihr Ehemann und der Maler selbst, von ihr betrogen und benutzt. Jetzt treffen die vier nach langer Zeit wieder aufeinander und wieder beginnt ein ungleicher Kampf um die Aufmerksamkeit der portraitierten Frau.
Bernhard Schlink beschreibt in seinem Roman „Die Frau auf der Treppe“ den Wunsch nach einer Illusion. Nach Jahren wird die Hauptfigur wieder beherrscht vom Gedanken des „Was wäre wenn“, wenn er damals nicht auf die Frau hereingefallen wäre, wenn es doch funktioniert hätte, wenn sie beide einfach jemand anders gewesen wären. Das Bild ist dabei für ihn wie auch für die beiden anderen Männern ein Fixpunkt, der sie nicht loslässt. Von Irene, der Frau auf dem Bild, wie in Köder im Museum aufgehängt, kommen ihre Opfer brav herangeflogen und müssen, wie schon Jahre zuvor, wieder ihr Spielchen spielen. Sie hat die Macht und die Fäden in der Hand. Dies zu beobachten ist für den Leser äußerst spannend, kann er doch sein voyeuristisches Bedürfnis befriedigen und wie durch ein kleines Schlüsselloch in der Tür dabei zusehen, wie sich die älteren Herren lächerlich machen und mit sich spielen lassen. Doch während zwei schnell die Reißleine ziehen, bleibt einer bei Irene zurück. Ob er es doch noch schafft, sich in eine gleichberechtigte Position zu begeben oder weiter nur wie eine Marionette an langen Seilen agiert, müssen die Leser selbst herausfinden.
„Die Frau auf der Treppe“ von Bernhard Schlink hat mir außerordentlich gut gefallen, es ist zugleich amüsant und ernsthaft und zeigt uns, wie schnell ein Mensch sich, ob aus finanziellen oder emotionalen Gründen, selbst zum Spielball von Anderen macht. Man merkt dem Autor eine große Faszination von Menschen und ihren Abgründen an und eben das macht auch die Lektüre zu unterhaltsam. Daher kann ich diesen Roman nur allen weiterempfehlen, die Beobachter spielen und einen Blick durch dieses Schlüsselloch werfen wollen.
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