Carl hat ein
schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern. Die berühmten Künstler hatten selten
Zeit für ihn, früh kam er auf ein Internat und hat sich später in der Kunstszene
unter anderem Namen selbst durchgesetzt. Als seine Mutter erkrankt und sein
Vater sich das Leben nimmt, kommt Carl zurück nach „Leinsee“ und beginnt, das
Refugium seiner Eltern für sich zu entdecken. Dabei lernt er Tanja kennen, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, die ihn mit ihrer besonderen Art fasziniert.
Anne Reineckes
erster Roman „Leinsee“ setzt sich intensiv mit Carls Beziehung zu seinen Eltern
und deren Aufarbeitung auseinander. Das idyllische Haus am Leinsee, in dem
seine erfolgreichen Eltern lebten und arbeiteten, steht dabei fast sinnbildlich
für eine Welt, aus der er als Sohn stets ausgeschlossen blieb. Der Kontakt war
nur spärlich, die Eltern hatten einfach kein Interesse an dem Sohn, die Kunst
war weit wichtiger und ihr Erfolg überragend. Das kritische Kinderauge
analysierte schon damals mit bitterem Blick die Oberflächlichkeit, die sich
hinter der Inszenierung der Eltern verbarg, doch als Erwachsener sieht sich
Carl dennoch in der Pflicht und kann sich nicht von der kranken Mutter
abwenden. Anne Reinecke beschreibt Carls Gedanken und Gefühle sehr intensiv und
lässt einen als Leser ganz nah heran an die Figur und ihre
Auseinandersetzungen. Dabei würde ich Carl keineswegs als uneingeschränkt
sympathische Hauptfigur bezeichnen, er ist teilweise sehr egoistisch und
verschroben und macht es seinem Umfeld sehr schwer, an ihn heranzukommen. Doch
für den Leser ebnet Reinecke diesen Weg, der seiner Freundin Mara
beispielsweise versperrt bleibt und so erfährt man mit Carl gemeinsam wie es
für ihn ist, das neue Verhältnis zu seiner Mutter aufzubauen, das zunächst
seltsam anmutet, dann aber wie eine zweite Chance für die beiden erscheint. Und auch mit Tanja gibt es neue Chancen, ihre faszinierende Beziehung erwachsen werden zu lassen.
„Leinsee“ ist
ein faszinierender Roman, auf den man sich von der ersten Seite an einlassen
muss, um sich von Carl bewegen und mitziehen zu lassen in seine Welt am
Leinsee, die so anders sein soll als die seiner Eltern. Ein tolles Buch und ein
äußerst gelungenes Debüt.
✮✮✮✮✰
Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Diogenes Verlags.
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