Der in London
lebende Psychologe Robert Hendricks erhält per Brief eine überraschende
Einladung von einem ihm unbekannten Mann. Der alte Herr, früher im gleichen
Beruf tätig wie Hendricks, lädt ihn auf eine winzige Insel vor der
französischen Küste ein und bietet an, ihm etwas über Hendricks Vater zu
erzählen, der im ersten Weltkrieg verstarb, als er selbst noch ein Kleinkind
war. Soll Robert Hendricks sich auf das seltsame Angebot des Unbekannten
einlassen und damit vielleicht auch seine eigenen Kriegserinnerungen an den
Zweiten Weltkrieg wieder aufleben lassen?
»Das Leben eines
Menschen besteht nicht aus dem, was geschehen ist, sondern aus seiner
Erinnerung daran und der Art und Weise, wie er sich erinnert.« (S. 332)
Dieser Satz ist
symptomatisch für das Leben von Robert Hendricks, der seine eigene Erinnerung
tief vergraben hat, um all die erfahrenen Verletzungen und Erlebnisse zu
verdrängen und so ein recht tristes und freudloses Leben führt. Er glaubt nicht
an die Liebe, distanziert sich von allen und besonders von Menschen, die ihm zu
nahe kommen können und wirkt auf mich an Anfang fast roboterhaft. Sebastian
Faulks beschreibt seine Hauptfigur in „Der große Wahn“ sehr eindringlich, so
dass einen Henricks Erinnerungen an den Krieg unweigerlich bewegen. Seine
Reaktion darauf, sich nicht erinnern zu wollen, wird immer verständlicher.
Faulks Roman ist keine leichte Lektüre, die man nebenbei lesen sollte, auf
Robert Hendricks Erinnerungen sollte man sich voll und ganz einlassen, dann
wird sein Leben einen wirklich erreichen und auch bewegen können.
Ich war bis zum
Schluss indifferent, ob ich diese Hauptfigur jetzt eigentlich mag, die der
Autor mir da vorgesetzt hat. Doch das spielte keine große Rolle, denn Faulks
sucht nicht nach Sympathie für seinen Protagonisten, sondern für Verständnis,
so meine Wahrnehmung der Geschichte. Und verstehen konnte ich ihn am Ende sehr
gut, was das besondere des Buches für mich ausgemacht hat. Hendricks, der sich
doch so dagegen wehrt, Nähe zuzulassen, kommt dem Leser ganz nah und Faulks hat
mich mit seiner Darstellung der Kriegserlebnisse ebenso fasziniert wie mit den Entwicklungen
in der psychologischen Arbeit. Ein absolut lesenswertes Buch.
✮✮✮✮✰
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