Montag, 25. Juni 2018

Zehn Fragen an Claire Winter

© Michael Scheel

Claire Winter hat gerade ihren neuen Roman „Die geliehene Schuld“ veröffentlicht, eine packende Geschichte über die unruhigen Zeiten im jungen Nachkriegsdeutschland. Die „Stunde null“, wie man sie im Geschichtsunterricht kennengelernt hat, war in der Realität nicht umsetzbar, zu viele Männer waren gefallen oder durch die Nazi-Zeit belastet, zu wenig Personal stand für unglaublich viele Posten zu Verfügung. Und so gab es an vielen Stellen Nazis, die sich über Umwege wieder in System geschmuggelt hatten oder auch durch Kooperation mit den Besatzungsmächten Vorteile bekamen. Claire Winter verbindet diesen Hintergrund mit der persönlichen Geschichte der Journalistin Vera, die in diesem Millieu recherchiert.
Für Sarahs Bücherregal hat Claire Winter jetzt den Fragebogen „Zehn Fragen an...“ beantwortet, damit die Leser die Autorin ein wenig besser kennenlernen können.

1) Am frühen Morgen - Kaffee oder Tee?
Kaffee – eindeutig, den brauche ich um wach zu werden. Am liebsten in der Cappuccino-Variante.

2) Wofür sind Sie dankbar?
Für unglaublich viel – dass ich meinen Mann kennengerlernt habe, dass wir gesund sind, für meine Familie und Freunde; dass ich das Schreiben zu meinem Beruf machen konnte, dass ich in einem Land geboren wurde, das demokratisch ist  und ich - anders als viele Menschen in anderen Gebieten dieser Welt - nie einen Krieg oder Hunger erleben musste ...

3) Urlaub - in die Berge oder an den Strand?
Ich mag beides, aber wenn ich wählen müsste, dann den Strand. Ich liebe das Meer und seine Weite und wenn ich lange nicht dort war – ich lebe ja in Berlin  - dann zieht es mich dorthin.

4) Ihr Lieblingsbuch?
Ehrlich gesagt habe ich das nicht – es gibt viele Bücher, die eine große Bedeutung für mich haben und mich geprägt haben und auch immer wieder neue Bücher, die das weiter tun. Ich bin außerdem auch jemand, der gerne die unterschiedlichsten Genres liest, je nach Stimmung und manchmal auch als Gegenpol zu meinem eigenen Schreiben.

5) Ihr Tipp, wenn es mal stressig wird?
Wenn es die Zeit erlaubt – raus und bewegen oder sogar Sport machen. Das hilft mir jedenfalls am besten, übrigens auch, wenn ich mal beim Schreiben nicht weiterkomme. Dabei habe ich oft neue Ideen, Eingebungen und Inspirationen.

6) Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch?
„Adressat Unbekannt“ von Kressmann Taylor und „Der Club“ von Takis Würger.

7) Welches Buch könnten Sie immer wieder lesen?
Ich lese ein Buch eigentlich selten zweimal. Einfach, weil es so viele tolle, spannende und wichtige Bücher gibt, da fällt mir die Wahl ohnehin schon schwer, weil die Zeit nie reicht, sie alle zu lesen ...

8) Ihr Berufswunsch als Kind?
Ärztin und später Ägyptologin.

9) Mit wem würden Sie gerne einen Tag Ihr Leben tauschen?
Spannende Frage. Mit der Queen, Barak Obama, als er Präsident war oder dem Dalai Lama wahrscheinlich. Noch lieber würde ich aber ehrlich gesagt gerne einen Tag in eine andere historische Zeit reisen können, um persönlich zu erleben, wie es sich angefühlt haben muss, damals zu leben – in die 20er Jahre zum Beispiel oder auch ins 18. Jahrhundert.

10) Und zum Abschluss: Sie haben drei Wünsche frei! Was wünschen Sie sich?
Dass die Dinge, für die ich dankbar bin, so bleiben; Frieden - und mehr Toleranz und Mitgefühl  in dieser Welt. Das sind strenggenommen vier Wünsche, aber Toleranz und Mitgefühl gehören für mich zusammen.

Vielen Dank für die Antworten an Claire Winter!

 Ich konnte von ihr bereits zwei Romane lesen und rezensieren. Einmal "Die geliehene Schuld" (meine Rezension findet ihr hier) und dann "Die verbotene Zeit", ebenfalls ein sehr spannender Roman über eine starke Frauenfigur mit viel historischem Hintergrund. Hier könnt ihr meine Rezension nachlesen. Beide Romane sind im Diana Verlag erschienen.


Freitag, 22. Juni 2018

Manuela Inusa "Der zauberhafte Trödelladen"


Ruby hat es nicht wirklich leicht im Leben, lässt sich aber auch nicht unterkriegen. Sie lebt gemeinsam mit ihrem etwas wunderlichen Vater und führt den Antiquitätenladen ihrer verstorbenen Mutter in der wunderbaren Valerie Lane im Studentenstädtchen Oxford. Obwohl ihre Freundinnen in der Ladenstraße alles versuchen, um ihr zu helfen, läuft das Geschäft einfach nicht gut und Ruby droht Pleite zu gehen. Und dann ist da ja auch noch Gary, ein Obdachloser aus der Straße, dem Ruby immer wieder zu helfen versucht und den sie sehr mag. Ob daraus mehr werden könnte?
„Der zauberhafte Trödelladen“ von Manuela Inusa ist der neueste Band der Valerie-Lane-Reihe, in der die Leser langsam alle Ladenbetreiber näher kennen lernen und sie ein Stück weit auf ihrer Lebensreise begleiten darf. Und wie die vorherigen Bände überzeugt die Autorin mit einer kurzweiligen und schönen Geschichte, die wie ein kleiner Urlaub vom Alltag wirkt. Ruby ist die scheuste der Frauen aus der Valerie Lane und so hat man in den bisherigen Romanen auch nur wenig über sie erfahren können. Doch in diesem Band dreht sich alles um Ruby und so erklärt sich auch ihr bisheriges Verhalten. Sie ist sehr zurückgezogen und glaubt nicht daran, jemals eine glückliche Beziehung zu führen, weil ihr Vater immer ihre Hilfe braucht und ihre gesamte Energie verbraucht. Gemeinsam mit dem Laden nimmt ihr das jede Hoffnung. Doch jetzt wird sie endlich aktiv, ändert ihr Ladenkonzept und lässt zu, dass sich aucj ihr Leben verändert. Das macht auch beim Lesen viel Spaß und der flüssige Schreibstil von Manuela Inusa nimmt einen schnell mit auf eine neue Reise in der Valerie Lane.
Für mich ist „Der zauberhafte Trödelladen“ eine tolle Ergänzung zu den bisher erschienen Büchern aus der Valerie Lane. Dass man neben der Geschichte um Ruby auch erfährt wie es bei Laurie und Mrs. Witherspoon weitergeht, wenn auch nur in Nebenhandlungen, finde ich großartig und ich hatte wieder viel Freude bei der Lektüre.

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des blanvalet Verlags. 

Wer mehr über Manuela Inusa erfahren möchte, kann hier das Kurzinterview lesen, das sie Sarahs Bücherregal gegeben hat. 

Mittwoch, 20. Juni 2018

Mikael Bergstrand "Der Apfelblütenguru"


Göran Borg ist in den 50ern seines Lebens angekommen, arbeitslos und dem Alkohol – das gibt er selber zu- nicht so abgeneigt, wie er es vielleicht sein sollte. Als er alles stehen und liegen lässt, um zur Hochzeit seines Freundes Yogi nach Indien zu fliegen, ist Freundin Karin daher wenig begeistert. Nach seiner Rückkehr versucht Göran sein Leben neu zu ordnen. Ein Besuch von Yogi und ihm im Apfelgebiet Schwedens bringt den beiden einen großartigen Sommer – und viele Ideen, wie es für Göran weitergehen könnte.
Dies ist der inzwischen dritte und damit letzte Band der Romanreihe von Mikael Bergstrand über Göran Berg und seinen Freund Yogi mit verrückten Reisen und witzigen Geschäftsideen und immer einem Hauch Nachdenklichkeit, der über Göran und seinem Leben schwebt. Für mich ist „Der Apfelblütenguru“ das schwächste der drei Bücher, die Geschichte hat einfach nicht mehr den Witz und die Leichtigkeit der vorherigen Geschichten und konnte mich dadurch nicht so mitnehmen. Die Idee, die Geschichte jetzt von Indien schwerpunktmäßig von Indien nach Schweden zu verlagern um der Story eine neue Wendung zu geben fand ich zwar sehr gut, die Umsetzung konnte mich aber nicht überzeugen. Yogi war schon immer ein sehr extrovertierter und auffälliger Typ, konfrontiert mit der schwedischen Nüchternheit entsteht daraus jedoch nicht der gewünschte Witz sondern zwischenzeitlich ein komisches Gefühl, dass das jetzt alles nicht zusammenpasst. Dennoch ist der Schreibstil von Mikael Bergstrand wieder sehr flüssig und leicht, so dass man das Buch gut und zügig lesen kann. Es bleibt jedoch wenig zurück von dieser Geschichte außer dem Gefühl, dass irgendetwas gefehlt hat.
Mich konnte „Der Apfelblütenguru“ von Mikael Bergstrand leider nicht richtig überzeugen. Zwar macht es Freude die beiden Protagonisten Yogi und Göran wiederzutreffen, die Geschichte an sich fand ich aber etwas holprig. Vielleicht hätte Yogi die kluge und freche Lakshmi mit nach Schweden bringen sollen, sie hat schon in Band zwei die Handlung außerordentlich bereichert.

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des btb Verlags. 

Dienstag, 19. Juni 2018

Anne Reinecke "Leinsee"


Carl hat ein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern. Die berühmten Künstler hatten selten Zeit für ihn, früh kam er auf ein Internat und hat sich später in der Kunstszene unter anderem Namen selbst durchgesetzt. Als seine Mutter erkrankt und sein Vater sich das Leben nimmt, kommt Carl zurück nach „Leinsee“ und beginnt, das Refugium seiner Eltern für sich zu entdecken. Dabei lernt er Tanja kennen, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, die ihn mit ihrer besonderen Art fasziniert.
Anne Reineckes erster Roman „Leinsee“ setzt sich intensiv mit Carls Beziehung zu seinen Eltern und deren Aufarbeitung auseinander. Das idyllische Haus am Leinsee, in dem seine erfolgreichen Eltern lebten und arbeiteten, steht dabei fast sinnbildlich für eine Welt, aus der er als Sohn stets ausgeschlossen blieb. Der Kontakt war nur spärlich, die Eltern hatten einfach kein Interesse an dem Sohn, die Kunst war weit wichtiger und ihr Erfolg überragend. Das kritische Kinderauge analysierte schon damals mit bitterem Blick die Oberflächlichkeit, die sich hinter der Inszenierung der Eltern verbarg, doch als Erwachsener sieht sich Carl dennoch in der Pflicht und kann sich nicht von der kranken Mutter abwenden. Anne Reinecke beschreibt Carls Gedanken und Gefühle sehr intensiv und lässt einen als Leser ganz nah heran an die Figur und ihre Auseinandersetzungen. Dabei würde ich Carl keineswegs als uneingeschränkt sympathische Hauptfigur bezeichnen, er ist teilweise sehr egoistisch und verschroben und macht es seinem Umfeld sehr schwer, an ihn heranzukommen. Doch für den Leser ebnet Reinecke diesen Weg, der seiner Freundin Mara beispielsweise versperrt bleibt und so erfährt man mit Carl gemeinsam wie es für ihn ist, das neue Verhältnis zu seiner Mutter aufzubauen, das zunächst seltsam anmutet, dann aber wie eine zweite Chance für die beiden erscheint. Und auch mit Tanja gibt es neue Chancen, ihre faszinierende Beziehung erwachsen werden zu lassen. 
„Leinsee“ ist ein faszinierender Roman, auf den man sich von der ersten Seite an einlassen muss, um sich von Carl bewegen und mitziehen zu lassen in seine Welt am Leinsee, die so anders sein soll als die seiner Eltern. Ein tolles Buch und ein äußerst gelungenes Debüt.


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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Diogenes Verlags. 

Freitag, 15. Juni 2018

Krischan Koch "Rollmopskommando"


Bei Polizist Thies Detlefsen in Fredenbüll droht Langeweile auszubrechen, zudem muss er die Existenz seiner Polizeistation immer wieder rechtfertigen. Dringend bräuchte er einen ordentlichen Kriminalfall! Und das geht schneller als erwartet: Ein Banküberfall und eine ermordete Geisel bringen ordentlich Schwung in des Alltag von Thies. Und natürlich eilt auch Kommissarin Stappenbeck aus Kiel wieder zu Hilfe, um ihn bei den schwierigen Ermittlungen zu unterstützen und von Kurzschluss- handlungen abzuhalten.
Man muss Regionalkrimis mögen, dann kann einen Krischan Kochs Fredenbüll-Reihe wirklich begeistern. Mit typisch norddeutscher Schnoddrigkeit ermitteln nicht nur Thies und Nicole Stappenbeck, der ganze Ort fühlt sich berufen, mit wilden Diskussionen im Imbiss „De Hidde Kist“ seinen Beitrag zu leisten, dazu Rollmops oder Putenschaschlik Hawaii. Nur Hund Susi ernährt sich nach wie vor vegetarisch. Das Personal wächst einem sehr schnell ans Herz und man wird hineingezogen in die Nordfriesische Fredenbüll-Welt. Ganz nebenbei gilt es den Kriminalfall zu lösen, der dieses Mal äußerst spannend und sehr schlüssig gelungen ist. Hinter dem Bankraub scheint doch mehr zu stecken, als am Anfang zu vermuten war.
„Rollmopskommando“ von Krischan Koch hat alles was ein guter Regionalkrimi mitbringen sollte: viel Lokalkolorit, tolles Personal, einen spannenden Fall und ordentlich Humor. Eine tolle Urlaubslektüre –  nicht nur in Nordfriesland.

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des dtv Verlag. 

Dienstag, 12. Juni 2018

Claire Winter "Die verbotene Zeit"


Nach einem schweren Verkehrsunfall leidet die Journalistin Carla unter Amnesie, die letzten sieben Monate ihres Lebens sind einfach ausgelöscht. Freunde und Familie sollen helfen, diese Lücken zu füllen, doch Carla bekommt das Gefühl, dass ihr Ehemann nicht ehrlich zu ihr ist. Was versucht er ihr zu verheimlichen und woran hat sie gearbeitet, bevor der Unfall passierte? Und was hat das alles mit ihrer verstorbenen Schwester zu tun?
Der Roman „Die verbotene Zeit“ spielt in den 70er Jahren, Carlas Eltern sind Deutsche und nach dem Krieg nach England gegangen um neu anzufangen. Sehr spannend beschreibt die Autorin Claire Winter in Rückblenden das Leben von Carlas Mutter Dora und deren bester Freundin Edith in Berlin von den 20er Jahren bis zum Ende des Weltkriegs und Stück für Stück entdeckt auch Carla ihre Familiengeschichte. Die Charaktere sind dabei durchweg außerordentlich detailliert beschreiben, zu Carla und auch in der andere Zeitebene zu Dora und Edith findet man als Leser sofort einen Zugang und lässt sich von der Geschichte mitreißen. Der Roman zeichnet sich zudem durch sehr gut recherchierte historische Details aus, ungeschönt zeichnet Claire Winter ein klares Bild der Machtergreifung der Nazis und wie sich das Klima veränderte, und auch, wie leicht es war, einfach wegzusehen, wenn Bekannte einfach verschwanden, spart sie nicht aus. Der Roman geht einem eben aufgrund dieser Beschreibungen sehr nahe, dazu kommt Doras persönliches Schicksal, welches sie langsam in eine Depression treibt. All diese Punkte sind zu einer tollen Story und einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammengefasst und lassen einen das Buch beim Lesen gar nicht mehr aus der Hand legen
Claire Winter ist mit „Die verbotene Zeit“ ein großartiger Roman gelungen, der historische Hintergründe mit persönlichen Schicksalen verbindet und den Leser so von der ersten Seite an in seinen Bann zieht.

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Diana Verlags. 

Ebenfalls erschienen von Claire Winter ist der großartige Roman "Die geliehene Schuld", hier findet ihr meine Besprechung des Romans. 

Montag, 11. Juni 2018

Jan-Christoph Nüse "Operation Bird Dog"


Victor Wrede war auf deutscher Seite beteiligt an der Währungsreform 1948 und der Einführung der D-Mark. Kurz danach nimmt er sich mit seiner Frau jedoch das Leben, sein Sohn Carl überlebt nur knapp. Zehn Jahre später ist Carl 24 Jahre alt und glaubt nicht daran, dass seine Eltern sich selbst umgebracht haben- er ist sich sicher, dass es Mord war und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.
„Operation Bird Dog“ war eine der wichtigsten Aktionen der Alliierten in den westlichen Besatzungszonen, denn nur durch die Währungsreform konnte sich die deutsche Wirtschaft langsam wieder erholen und die Menschen konnten sich damit auch wieder einen höheren Lebensstandard leisten. Doch die Zeiten waren turbulent und Deutschland immer noch vom Krieg zerstört, so dass viele unterschiedliche Interessen vorherrschten, die sich auch im Umgang mit Reform der Währung niederschlugen. Jan-Christoph Nüse schafft es in seinem gleichnamigen Krimi sehr gut, die historischen Gegebenheiten und Verwicklungen für den Leser verständlich und logisch nachvollziehbar zu machen. Die historischen Persönlichkeiten sind gut beschrieben und bringen einen sehr runden Überblick über die Situation im Nachkriegsdeutschland. Etwas weniger gut schafft es der Autor, seine fiktiven Personen und die Kriminalhandlung in das Geschehen einzubetten. Carl Wrede und sein Vormund Jennings bleiben mir als Charaktere einfach zu flach und richtige Spannung will jenseits der historischen Rahmenbedingungen auch nicht aufkommen. Auch werden mir oft nicht genug Informationen gegeben, um als Leser als Handlungen nachvollziehen zu können. Gerade die Bedeutung und Geschichte von Katharina, einer ehemaligen Dolmetscherin und Carls seltsame USA-Reise mit ihr, waren für mich als Leser ziemlich zusammenhangslos, für den Leser wurde überhaupt nicht deutlich, welche Rolle dieser Teil der Geschichte spielen sollte.
Als historischen Roman finde ich „Operation Bird Dog“ gelungen, die Kriminalhandlung mit den fiktiven Figuren konnte mich letztendlich aber nicht richtig mitreißen, auch wenn Jan-Christoph Nüse einen gut lesbaren Stil hat und die historischen Fakten sehr interessant dargestellt sind.  

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Hier geht es zu weiteren Informationen des Gmeiner Verlags. 

Freitag, 8. Juni 2018

Joaquim Maria Machado de Assis "Das Babylonische Wörterbuch"


Der Mensch und seine kleinen und großen Abgründe – damit beschäftigt sich Joaquim Maria Machado de Assis in den 13 Geschichten in diesem wunderbaren kleinen Buch. Humorvoll und witzig, aber auch direkt und die Abgründe niemals vorsichtig umschiffend erzählt der Autor Geschichten von Menschen und Glauben, spielt mit den Erwartungen der Leser und lässt Gott und den Teufel gegeneinander antreten. Dies geschieht alles auf äußerst unterhaltsame Weise und wird an keiner Stelle langweilig.
Joaquim Maria Machado de Assis wurde 1839 in Rio de Janeiro geboren und starb 1908. Mir war dieser brasilianische Autor bisher unbekannt, umso mehr freut es mich, dass der Manesse Verlag diese Geschichten in einer wunderschönen kleinen Ausgabe herausgegeben hat. Das Buch ist klein und handlich, dabei aber sehr hochwertig gemacht, perfekt um die Erzählungen immer wieder zur Hand zu nehmen und darin zu schmökern.
Mich hat „Das Babylonische Wörterbuch“ wirklich begeistert, die Erzählungen sind kurz und prägnant und vermitteln dabei gleichzeitig so viele Gedanken und Ideen, das man völlig gefesselt. In Kombination mit der wunderschönen Ausgabe des Manesse Verlags kann ich allen Lesern dieses Buch einfach nur ans Herz legen.

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Manesse Verlags. 

Donnerstag, 7. Juni 2018

Eberhard Fohrer "Kreta"


Die Insel Kreta ist immer eine Reise wert und Eberhard Fohrer hat uneingeschränkt den besten Reiseführer für einen Urlaub dort geschrieben. Jetzt ist die neue Auflage des Reiseführers im Michael Müller Verlag erschienen und wurde von mir zwei Wochen lang auf Herz und Nieren auf der Insel direkt getestet.
Die Neuauflage hat mir noch etwas besser gefallen als die bisherige, da mehr Wanderungen hinzugekommen sind. Diese sind auch für alle machbar, die keine Wandeprofis sind und bringen einem die wunderbare Natur der Insel näher. Die Wegbeschreibungen sind sehr gut und man findet die Routen problemlos, so konnten wir viele neue Ecken der Insel entdecken, obwohl wir bereits das dritte Mal dort waren.
Der Aufbau ist gleich geblieben und das ist auch gut so, der Reiseführer ist äußerst übersichtlich und sehr umfangreich, man findet zu fast jedem Ort eine kurze Beschreibung und viele interessante Hintergrundberichte zu Land und Leute und auch touristischen Attraktionen, wie zum Beispiel Knossos oder das Kloster Arkadi. Die Restauranttipps sind wie immer super. Wir haben uns, wenn wir unterwegs waren, voll auf den Reiseführer verlassen und wurden nie enttäuscht, besonders im „Waves on the Rocks“ bei Radvoucha sitzt man wunderschön und das Essen ist lecker, ebenso in dem kleinen Lokal auf dem Dorfplatz von Archea Elefterna oder in den Lokalen in der Nähe des Frangokastello. Man kann sich immer auf die Tipps verlassen und läuft nie Gefahr, in eine Touristenfalle zu gehen, was ich großartig finde.
Die Neuauflage des Reiseführers von Eberhard Fohrer zu „Kreta“ ist wieder äußerst gelungen, trotz seines Umfangs ein unverzichtbarer Reisebegleiter, der keine Wünsche offen lässt.

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Hier geht es zu weiteren Informationen des Michael Müller Verlags. 

Die ausführliche Besprechung der letzten Auflage könnt ihr hier nachlesen. 

Mittwoch, 6. Juni 2018

Cixin Liu "Die drei Sonnen"


In China tobt in den 60er Jahren die Kulturrevolution, als eine geheime Station beginnen soll, Signale ins All zu schicken. Die Basis „Rotes Ufer“ soll ersten möglichen Kontakt zu Außerirdischen aufnehmen, denn die USA und die Sowjetunion forschen ebenfalls intensiv in diese Richtung. Der Kontakt gelingt, jedoch ganz anders als gedacht und fünfzig Jahre später stehen die Menschen vor der großen Herausforderung damit umgehen zu müssen. Das Schicksal der Menschen scheint sich unweigerlich für immer zu verändern.
Cixin Liu hat mit „Die drei Sonnen“ nicht einfach einen Science Fiction Roman geschrieben, sondern ein wahres Meisterwerk verfasst. Das Wissen des Autors in den Bereichen der Physik und Mathematik muss groß sein, wenn er einen derart detailliert begründeten Roman schreiben kann, in dem viel fachliches vermittelt wird, ohne nur einmal langweilig, unverständlich oder abgehoben zu werden. Die Geschichte hat mich von der ersten Seite an gepackt und auch als naturwissenschaftlich nicht besonders bewanderter Leser konnte ich den Erklärungen gut folgen. „Die drei Sonnen“ ist kein Roman, in dem plötzlich eine fremde Spezies die Erde angreift und ein Krieg beginnt, wie es in zahlreichen Kinofilmen bunt und knallend dargestellt wird. Der Roman beschreibt auf eine sehr feine und detaillierte Art und Weise einerseits die Probleme, denen sich die Menschheit aktuell stellen muss und wie schlecht wir teilweise mit dem Planeten umgehen, auf dem wir Leben. Gleichzeitig führt Cixin Liu uns Stück für Stück an die von ihm geschaffene Kultur heran, die auf einem anderen Planeten lebt und auf die Kontaktaufnahme der Menschen reagiert. Sein Blick auf die Menschen ist zwar kritisch, aber nicht ausschließlich negativ, und so verfolgt man als Leser gebannt die  Entwicklungen und Hintergründe, die sich Stück für Stück vor einem ausbreiten und einen unweigerlich mitziehen auf die Reise in die unbekannte Welt.
Ich war bisher kein Fan von Science-Fiction-Literatur, doch Cixin Lius Auftakt der Trilogie „Die drei Sonnen“ hat mich derart begeistert, dass ich mich jetzt sicher öfter an das Genre heranwagen werde. Der Roman ist unglaublich intelligent und gleichzeitig mitreißend geschrieben, bietet viele Fakten ohne trocken oder langweilig zu werden und basiert auf einer unglaublich spannenden Idee, die in zwei weiteren Bänden noch weiter ausgebreitet wird. Ich freue mich schon jetzt auf die Lektüre von „Der dunkle Wald“, dem zweiten Band der Trilogie.

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Heyne Verlags. 

Dienstag, 5. Juni 2018

Petros Markaris "Hellas Channel"


Kostas Charitos ermittelt in seinem ersten Fall. Mitte der 90er Jahre ist eines der großen Probleme Griechenlands die Zuwanderung von Albanern, die mehr oder weniger illegal im Land leben. Als ein albanisches Ehepaar tot aufgefunden wird, ist der Anreiz für die Polizeibehörde nicht besonders hoch, viel Arbeit in den Fall zu stecken. Schnell ist ein anderer Albaner gefunden, der den Mord gesteht. Doch dann wird plötzlich eine Journalistin ermordet, die kritisch über den Fall berichtete und Charitos vermutet einen Zusammenhang. Auch wenn er damit in Ungnade fällt, gibt er keine Ruhe und versucht weiter, die losen Fäden zu verbinden.
Dieser Fall führt den Leser zurück in die 90er Jahre, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und lange vor der Währungsunion und Schuldenkrise lernen wir Griechenland von einer anderen Seite kennen. Die Abneigung gegen albanische Zuwanderer ist so groß, dass ihr Leben weniger wertvoll scheint als das der griechischen Mitbürger. Auch Charitos ist keinesfalls ein Engel und hat wenig Lust, viel Arbeit in den Fall der ermordeten Albaner zu stecken. Doch er hat den richtigen Riecher, als es weitere Tote gibt und lässt einfach nicht locker. Er ist keineswegs ein problemloser und durchweg sympathischer Charakter, aber er ist spannend konstruiert und sehr gut beschrieben, man lässt sich dadurch schnell in die Geschichte hineinziehen. Die privaten Reibereien mit seiner Frau Adriana und seine Leidenschaft für Wörterbücher unterstreichen die Verschrobenheit des Charakters Charitos, der eher ein einsamer Wolf als ein Teamarbeiter ist und am liebsten jeden Tag Souvlaki aus der Tüte essen würde.
Der Kriminalfall ist dabei äußerst spannend, von einem einfachen Mord arbeitet man sich zu einer scheinbar größeren Verschwörung vor, die einen als Leser genauso mitreißt wie den sonst etwas lethargischen Ermittler. Alles ist sehr logisch aufgebaut und realistisch konstruiert, schnell ist man in einem Sog gefangen und kann nicht mehr aufhören zu lesen, auch wenn man Charitos so manches mal ein bisschen antreiben möchte, er möge doch das Wörterbuch zur Seite legen und schneller machen.
„Hellas Channel“ ist der erste Band des von Petros Markaris geschaffenen Kommissars Kostas Charitos und ist in Griechenland bereits Mitte der 90er Jahre erschienen. Es ist ein spannender Krimi, der einen guten Einblick in die griechische Gesellschaft gibt und auch von einer etwas schrulligen Hauptfigur lebt. Ich freue mich schon auf die zahlreichen weiteren Krimis mit Kostas Charitos, die bereits erschienen sind.

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Montag, 4. Juni 2018

Tracey Chevalier "Der Neue"


Es sind die 70er Jahre und Osei, genannt O, ist nicht nur der Neue auf dem Schulhof in Washington, er ist der einzige Schwarze in der gesamten Schule. Nicht nur die Mitschüler reagieren skeptisch, auch die Lehrer schwanken zwischen Toleranz und Vorurteilen. Nur das beliebteste Mädchen der Klasse, Dee, freundet sich sofort mit ihm an. Doch das sorgt in ihrem Umfeld für Misstrauen und Ränkespiele, von denen sie nichts ahnt und die von Intrigant Ian initiiert werden. Innerhalb kürzester Zeit wird die Rollenverteilung auf dem Schulhof auf den Kopf gestellt.
Tracey Chevalier hat Shakespeares „Othello“ für das Hogarth Shakespeare Projekt neu überarbeitet und mit „Der Neue“ einen unglaublich spannenden und atmosphärischen Roman über Amerika in den 70er Jahren geschrieben. Geschickt verdichtet sie die Handlung auf einen Schultag, an dem sich zwischen den Unterrichtsstunden das ganze Drama anbahnt, bis es unweigerlich in eine Katastrophe führt. Mit großer Spannung verfolgt man als Leser jede Entwicklung, betont wird dies noch durch Perspektivwechsel, die teilweise die gleichen Begebenheiten von unterschiedlichen Personen erzählen lassen und für den Leser so die gesamte Struktur ausgiebig entwickeln. Schon früh ahnt man, wohin alles führen wird und ist dennoch gefesselt und entsetzt zu gleich, während sich beim Lesen das Netz immer enger im Osei zuzieht und er sich am Ende genauso verhält, wie es alle erwartet haben – allerdings hervorgerufen durch den Druck von außen.
„Der Neue“ ist auch ohne Shakespeare-Bezug ein großartiger und psychologisch dichter Roman, der einen als Leser packt und aufzeigt, wie Gesellschaften Menschen in vorgefertigte Rollen pressen und sie manipulieren, bis sie eben diesem Rollenklischee entsprechen. Dies auf den kleinen Bezugsort eines Schulhofes zu reduzieren ist eine großartige Idee und bringt einem den Stoff so nah wie nur möglich. Ein wirklich herausragendes Buch, das perfekt aufzeigt, wie aktuell Shakespeares Stoffe noch immer sind.  

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Knaus Verlags. Hier gibt es zudem weitere Informationen über das Hogarth Shakespeare Projekt. 

Annie Darling "Sommer in Bloomsbury"



Verity lebt über dem Buchladen, in dem sie arbeitet und der ihrer Freundin Posy gehört. Dort werden nur Liebesromane verkauft und Verity kann sich nichts Schöneres vorstellen, als in die Geschichten einzutauchen. Denn selbst lebt sie sehr zurückgezogen, sie ist introvertiert und kann nicht gut mit Menschen umgehen, daher will sie auch keine Beziehung und hat beschlossen, Single zu bleiben. Bis sie Jonny kennenlernt, der ihr ein unfassbares Angebot macht: Da beide immer wieder Verkupplungsversuchen von Freunden ausgeliefert sind, soll sie seine Schein-Freundin spielen. Beide hätten ihre Ruhe und bei Hochzeiten und Geburtstagen immer eine Begleitung. Das klingt zu gut um wahr zu sein und so treffen die beiden auf viele Verwicklungen und Hindernisse.  
Posy und Verity kennt der Leser schon aus Annie Darlings vorigen Roman „Der kleine Laden in Bloomsbury“, in dem Posys Kampf um die Buchhandlung ihrer Eltern im Mittelpunkt steht. Jetzt verschiebt die Autorin die Perspektive und in „Sommer in Bloomsbury“ lernen wir die menschenscheue Verity besser kennen, die mit zahlreichen Schwestern als Pfarrerstochter aufgewachsen ist, in einer liebenden aber auch lauten Familie. Das Konzept des „Wiederholungstäters“ geht in diesem Roman voll auf, man freut sich, alle Figuren wiederzutreffen, ohne dass es langweilig wird, da Posy jetzt nur eine Nebenrolle zukommt. Veritiy ist ein ganz anderer Charakter und das Verwirrspiel um ihren Schein-Freund äußerst unterhaltsam, auch wenn man von Anfang an ahnt, wo das alles hinführen wird. Doch das tut der kurzweiligen Lektüre keinen Abbruch. Die Figuren sind alle sehr unterschiedlich und man bekommt einen guten Einblick in ihr Leben und ihre Probleme, auch wenn Verity natürlich im Fokus steht.
„Sommer in Bloomsbury“ von Annie Darling ist ein leichter und unterhaltsamer Roman, perfekt für einen Strandtag oder einen Lesenachmittag auf dem Balkon, kurzweilig und mit sehr charmanten Figuren.

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Penguin Verlags. 

Wer auch Posy näher kennen lernen möchte, findet hier meine Rezension zu „Der kleine Laden in Bloomsbury“, damals noch unter dem schönen Titel „Der kleine Laden einsamen Herzen“.

Sonntag, 3. Juni 2018

Katherine Webb "Die Frauen am Fluss"


England 1922: Irene flieht nach einer gescheiterten Affäre aus London in die Ehe mit Alistair und in den kleinen Ort Slaughterford. Dort lebt sie sich nur schwer ein, doch als ihr Ehemann brutal ermordet wird, sieht sie sich gezwungen, sich mit dem Dörfchen auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit dem Stallmädchen Pudding, deren Bruder des Mordes verdächtigt wird, macht sie sich auf die Suche nach dem wahren Täter – und wühlt so auch die Vergangenheit vieler Dorfbewohner auf.
„Die Frauen am Fluss“ ist der neueste Roman der Erfolgsautorin Katherine Webb und meiner Meinung nach leider einer der schwächeren. Zwar ist die Geschichte an sich spannend, die Figuren waren mir jedoch zu flach und einfach nicht gut genug beschrieben, um sich mit ihnen identifizieren zu können. So blieb das Gefühl, völlig in die Geschichte eintauchen zu können und mitgerissen zu werden, leider aus. Die Auflösung fand ich zwar sehr überraschend, aber auch schwierig, denn man muss am Ende vieles einfach hinnehmen, was nicht mehr logisch erscheint. Mir persönlich war die ganze Geschichte mit diesem Schluss zu künstlich und nicht glaubwürdig. Die Figur der Irene hätte wahrscheinlich viel zu berichten und ihre Auseinandersetzungen mit Alistairs Tante Nancy hätten viel Potential geboten, um die Charaktere ausführlich darzustellen, doch die Chance hat die Autorin leider nicht genutzt. Viel zu oft enden die Dispute damit, dass eine Person nach wenigen Worten den Raum verlässt, ohne dass viel deutlich geworden ist.
Katherine Webbs Roman „Die Frauen am Fluss“ hat mir von der Idee und der Handlung ganz gut gefallen, die Charakterisierungen des Figuren ist aber auf der Strecke geblieben, dadurch konnte der Roman mich nicht so mitreißen wie andere Romane der Autorin.

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Sehr empfehlen kann ich allen Lesern den Roman „DasVersprechen der Wüste“, ein großartiges Buch mit starken Frauenfiguren.