Ein Reiseführer
für die Stadt in der man lebt – eine großartige Idee und wirklich überfällig.
Gerade wenn man in Berlin lebt, ist man schnell erschlagen von den vielen
Möglichkeiten und Informationskanälen, die einem sagen, was man unbedingt
gesehen, gemacht und gegessen haben muss. Der Marco Polo Reiseführer „Berlin
für Berliner“ bündelt alles in einem kleinen Buch, das am Wochenende auch
schnell in fast jede Handtasche passt.
Der Reiseführer
ist sehr übersichtlich und farblich abgestimmt aufgebaut und man findet Tipps
zu Restaurants, Märkten und Veranstaltungen sehr schnell anhand der farbig
markierten Seiten. Die Auswahl ist sehr vielfältig, so dass wirklich für jeden
etwas dabei sein sollte. Schade finde ich jedoch, dass der Aufbau, gerade bei
den Restaurants, rein thematisch erfolgt ist. Zwar steht immer dabei, in
welchem Stadtteil sich ein Lokal befindet, doch ich hätte es schöner gefunden,
den ganzen Reiseführer nach Stadtteilen aufzuteilen, so dass ich, wenn ich zum
Beispiel in Charlottenburg oder Schöneberg wohne, gezielt nachschauen kann, was
sich in meiner Nähe befindet. Man hat ja nicht immer Lust, mit der S-Bahn eine
Stunde durch die Stadt zu fahren. Mich interessiert besonders, was ich in der
Nähe von dem Ort finde, wo ich gerade bin, und da muss ich mich leider in jeder
Kategorie erst durchsuchen. Das finde ich etwas schade.
Alles in allem
eine großartige Idee, die ich noch besser gefunden hätte, wenn man stärker auf
den örtlichen Bezug geachtet und alles direkt nach Ort und nicht nach Thema
sortiert hätte.
Der Untergrund,
alles was unter der Oberfläche liegt, ist immer wieder ein spannendes Thema.
Hans-Joachim Schneider hat mit seinem Bildband „Unterirdisch: Verborgene Orte
in Deutschland“ ein tolles Beispiel dafür vorgelegt. Verschiedenste
unterirdische Orte werden in schönen Fotografien und mit kurzen Erklärungen vorgestellt.
Egal ob ein
alter Flughafen, Bunker oder Bergwerk – alle Beispiele sind mit wirklich beeindruckenden
Fotos vertreten. Meiner Meinung nach hätten es jedoch ruhig weniger unterschiedliche
Orte sein können und dafür noch mehr Fotos und Erklärungen. Gerade die
doppelseitigen Bilder vermitteln einen tollen Eindruck von den Örtlichkeiten,
sind aber leider nicht so oft vertreten.
Der Bildband ist
qualitativ jedoch sehr gut gemacht und auch die Bilder, wenn mir auch zum Teil
etwas zu klein, von sehr schöner Qualität, so dass es einfach Spaß macht, ihn
durchzublättern und das unterirdische Deutschland zu entdecken. An vielen Stellen
lädt es auch zu weiterer Recherche ein, um sich vielleicht einige Orte selber
einmal anschauen zu können. Alles in allem also eine wirklich runde Sache. ✮✮✮✮✰
Endlich sind sie
wieder da, all die netten und liebenswerten Figuren aus „Kräuter der Provinz“
von Petra Durst-Benning. Therese hat ihre schwere Krankheit überstanden und
schmeißt mit Koch Sam nach wie vor das Gasthaus, Greta ist richtig angekommen
in Maierhofen und glücklich mit Vincent. Doch bei Christa und Roswitha will es
einfach nicht laufen. Während Christines Mann sie verlassen hat und sie mit der
Einsamkeit nicht zurechtkommt, weiß Roswitha vor lauter Arbeit gar nicht wohin.
Gemeinsam will Maierhofen auch noch den Weihnachtsmarkt auf die Beine stellen,
so dass für alle wieder genug zu tun ist. Hoffentlich kommt da die besinnliche
Weihnachtsstimmung nicht zu kurz...
„Das
Weihnachtsdorf“ ist das perfekte Buch für alle, die in der Adventszeit eine
schöne weihnachtliche Lektüre suchen, die einen in eine wunderbare
Weihnachtswelt entführt. Wie schon im ersten Teil „Kräuter der Provinz“ nimmt die Autorin ihre Leser mit in die
zauberhafte Dorfwelt von Maierhofen, schafft sympathische Figuren, die man
gerne begleitet und vermittelt eine wunderschöne Stimmung. Das Highlight am
Schluss sind die im Buch erwähnten Rezepte, so dass man die Weihnachtsideen der
Charaktere direkt selber nachkochen und –backen kann.
Petra
Durst-Benning hat mit „Das Weihnachtsdorf“ ein wunderbares Weihnachtsbuch geschrieben,
das perfekt in die Adventszeit passt. Noch schnell ein Glas Tee einschenken und
den Keksteller auffüllen, schon kann es losgehen mit der Lektüre. ✬✬✬✬✰
In seinem ersten Buch „Raumpatrouille“
erzählt Matthias Brandt Geschichten aus seiner Kindheit. Was wirklich passiert
ist und was reine Fiktion, das macht er gleich zu Beginn klar, ist in diesem
Fall egal und auch nicht erkennbar. Dann beginnt er zu erzählen, von
ausgeprägten Berufswünschen (Postbote oder Torwart, vielleicht auch Zauberer),
enttäuschten Hoffnungen (die Torwartkarriere war nach zwei Spielen schon wieder
beendet), Schlägereien in der Schule und einer Fahrradtour mit seinem Vater,
dem Bundeskanzler Willy Brandt und dessen Kollegen Herbert Wehner.
Leider konnten mich die Geschichten
nicht wirklich überzeugen. Sie sind flüssig geschrieben, das Buch ist recht dünn
und man kann es gut lesen. Doch bei mir bleibt die Frage, warum diese
Geschichten jetzt aufgeschrieben werden mussten? Was ist daran besonders, was
so speziell, dass ich meine Zeit damit verbringen möchte? Und hätte das Buch
auch nur annähernd so viel Resonanz erzeugt, wenn das Buch jemand anders, eben
nicht der Sohn von Willy Brandt geschrieben hätte, mit dem Hinweis, es ginge um
die Kindheit im Bonner Kanzleramt vermarktet? Ich fand die Erzählungen nicht
schlecht, zum Teil recht unterhaltsam, besonders wenn der Junge fast das Haus
abbrennt bei dem Versuch, einen neuen Zaubertrick umzusetzen und dann versucht,
die Flammen wegzuzuzaubern. Irgendwo zu muss der Zauberstab ja zu gebrauchen
sein. Dies war auch die einzige Stelle im Buch, die mich wirklich emotional
angesprochen, wenn die Hauptfigur nämlich erkennt, dass es Dinge gibt, die
unumkehrbar, unverzeihlich und nie wieder gutzumachen sind. Ansonsten
plätscherten die Geschichten für mich leider nur so dahin, ohne mich wirklich
zu bewegen oder mir die Möglichkeit zu geben, eine Beziehung zum Protagonisten
aufzubauen.
Ich war von Matthias Brandts Buch „Raumpatrouille“
leider etwas enttäuscht, ich hatte nach den Vorankündigungen mehr erwartet von
seinen Geschichten, auch wenn ich mich bei der Lektüre nicht gelangweilt habe.
Hier geht zu weiteren Informationen vom Verlag Kiepenheuer & Witsch.
Bei Christoph läuft es einfach nicht
rund: seine Freundin Inga hat ihn gerade verlassen (nach einer außerordentlich
kurzen Beziehung), sein Job als Kindergärtner ist anstrengend, seine Chefin ein
feministisches Monster und dann steht auch noch seine Nachbarin vor der Tür und
liefert ihren Sohn Emil bei ihm ab, weil sie plötzlich ins Krankenhaus muss. So
kann das ja nichts werden mit den Frauen, denkt Christoph sich.
„Die Netten schlafen allein“ ist ein
wirklich lustiges und unterhaltsames Buch über das Phänomen „Der nette Mann von
nebenan“, der maximal eine beste Freundin hat, aber einfach keine ordentliche Beziehung
auf die Reihe kriegt. Christoph verhält sich wie ein dankbarer Hund, wenn er
etwas Liebe bekommt, was die interessierte Damenwelt immer schnell wieder in
die Flucht schlägt. Mit dem elfjährigen Emil an der Seite arbeitet er höchst
amüsant an seinem Selbstbewusstsein, wenn er nicht gerade mit seinen Kumpels
Hendrik und Zwenn die letzte Trennung bei zahlreichen Bieren in der Kneipe
verarbeitet. Die Charaktere sind vom Autor mit viele Liebe beschrieben, auch
wenn das ein oder andere verwendete Klischee dabei deutlich wird, wachsen sie
einem als Leser schnell ans Herz und man folgt ihnen gerne durch ihr
emotionales Auf und Ab. Besonders Christoph ist ein herzensguter Mensch und
muss sich jetzt endlich mal sein verdientes Glück erarbeiten.
Mit „Die Netten schlafen allein“ hat
Steffen Weinert einen lustigen und sehr gelungenen Roman über einen Mann
geschrieben, der verzweifelt nach der Liebe sucht. Ob er sie auch findet,
sollte jeder schnell selbst herausfinden. ✮✮✮✮✰
Hier geht es zu weiteren Informationen im Rowohl Taschenbuch Verlag.
Belgravia – der Inbegriff
von Luxus, Adel und Aufstieg im 19. Jahrhundert in London. James Trenchard hat
sich seinen Erfolg mühsam erarbeitet, vom Proviantmeister beim Militär wird er
zum Investor des neuen Stadtteils Belgravia in London, in dem auch Lord und
Lady Brockenhurst ihr Haus haben. Die beiden Familien verbindet eine
Geschichte, die kurz vor der berühmten Schlacht von Waterloo in Belgien begann.
Denn den Sohn der Brockenhursts verband eine Liebelei mit Trenchards hübscher
Tochter Sophia, die nicht ohne Folgen geblieben ist und auch über zwanzig Jahre
später noch das Leben der Familien beeinflusst.
Julian Fellowes
ist bekannt für seine Serie „Downton Abbey“ und mit „Belgravia“ gelingt ihm ein
Roman, der der Serie an Qualität in nichts nachsteht. Mitte des 19. Jahrhundert
spielend, stellt Fellowes besonders das über Jahrhunderte erlernten und ausgeprägten Standesdenken des
Adels in den Mittelpunkt und die heute antiquiert wirkenden Vorstellungen von
Liebe, Ehe und Familie. Dabei dreht sich alles um die Familien Brockenhurst und
Trenchard, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und
einen als Leser dennoch beide auf ihre Art für sich einnehmen. Auch wenn sie
verschiedene Vorstellung davon haben, wie das Leben aussehen sollte und
welche Ziele erreichbar sind, haben sie das Herz am rechten Fleck und so ist
man als Leser teilweise hin- und hergerissen, wie man diese beiden Familien denn
nun zusammenbringen soll. Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand
legen, Fellowes überzeugt sowohl durch die detailreichen historischen
Beschreibungen als auch durch sein abwechslungsreiches und dennoch sehr
realistisch gezeichnetes Personal. Hier handelt es sich nicht um einen
historischen Roman, der nur die Frage wer am Ende wen heiraten wird in den
Mittelpunkt stellt. Er setzt sich bewusst mit der bestehenden Gesellschaft
auseinander und gibt dem Leser so einen echten Einblick in das Leben der
Menschen. Wie durch ein kleines Guckloch ist man dabei, wenn Adlige zum Tee
laden oder Zofen gerade erbeuteten Klatsch weitertragen. So macht die Lektüre eine große Freude.
Mich hat „Belgravia“
beim Lesen einfach begeistert, weil es sich so positiv von vielen schnulzigen
historischen Romanen abhebt und die gesamte Gesellschaft in den Blickpunkt des
Lesers rückt. Julian Fellowes hat eine gute Idee großartig umgesetzt und entführt
seine Leser auf eine spannende Reise ins 19. Jahrhundert.
✮✮✮✮✮
Hiergeht es zur Leseprobe vom C. Bertelsmann Verlag.
Eva Thorvald ist
eine bemerkenswerte Frau. Sie ist noch ein Baby, als ihre Mutter ihren Vater
und sie verlässt. Nur kurz danach stirbt ihr Vater und sie wächst bei ihrer
Tante und ihrem Onkel auf, die sie als ihre Tochter annehmen. Doch ihr leiblicher
Vater hat ihr etwas Besonderes hinterlassen: einen außergewöhnlichen
Geschmackssinn und die Fähigkeit, diesen als Köchin zu nutzen. Bald zahlen
Menschen Tausende von Dollar und warten monate- wenn nicht jahrelang, um nur
einmal in den Genuss ihres Essens zu kommen. Mit Eva hat J.
Ryan Stradal eine spannende Hauptfigur geschaffen, um die sich die gesamte
Geschichte dreht, ohne sie jemals wirklich in den Mittelpunkt zu stellen. All
die Menschen, die sie im Laufe ihres Lebens trifft, erzählen ihre Geschichte,
einen Abschnitt ihres Lebens, in dem sie auf Eva treffen, die sie alle
nachhaltig beeindruckt und beeinflusst. Diese Geschichten beschreibt Stradal so
flüssig und ineinander fließend, dass es beim Lesen gar nicht stört, dass sich
die Perspektive ständig wechselt und teilweise größere Zeitabschnitte
übersprungen werden. Im Gegenteil, wird es durch die verschiedenen Positionen nur
umso abwechslungsreicher, Evas wirklich besonderem Lebensweg zu folgen. Man
merkt gar nicht, wie die Zeit beim Lesen verfliegt, zu spannend ist es, Eva im
nächsten Abschnitt wieder völlig neu kennenzulernen, ihre Talente und Ideen aus
einem neuen Blickwinkel zu sehen. Dabei entwickeln sich auch die Menschen um
sie herum natürlich immer weiter und halten manche Überraschung bereit, wenn
man sie im Verlauf des Buches plötzlich in kleinen Nebenfiguren wieder erkennt. Mich hat J. Ryan
Stradals Roman „Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens“ begeistert,
die Geschichte ist sehr durchdacht und feinsinnig aufgebaut, so dass sie einen
als Leser gar nicht mehr loslässt. Eva ist mir bei der Lektüre regelrecht ans
Herz gewachsen mit ihrer ungewöhnlichen Art, das Leben zu meistern und so
konnte ich ihr zum Abschluss des Buches nur das Beste wünschen für den Teil
ihres Lebens, an dem wir als Leser leider nicht mehr teilhaben können. ✮✮✮✮✮ Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen vom Diogenes Verlag.
Jakob und Alexander wachsen auf einen Bauernhof in Österreich auf. Ihre Schwester geht früh mit ihrem Mann nach Schweden, Alexander zum Militär und Jakob bleibt als Jüngster bei den Eltern und Großeltern zurück. Während der Vater ständig neuen Ideen hinterherjagt, wie er das große Geld machen könnte, geht es mit dem Hof vor Jakobs Augen langsam immer weiter bergab.
Beim Lesen von „Fremde Seelen, dunkler Wald“ hatte ich das faszinierende Gefühl, dass eigentlich gar nicht wirklich etwas passiert und mich das Buch überraschenderweise dennoch mitgerissen hat. Die Geschichte lebt von seinen Personen, die alle auf ihre Weise unglaublich tragisch sind, ohne ihre Situation wirklich ändern zu wollen. Jakob hört früh mit der Schule auf und hilft auf dem Hof, bevor seine Freundin schwanger wird und die beiden versuchen, eine Familie zu werden. Als ein guter Freund sich das Leben nimmt, gerät für ihn einiges aus den Fugen, dennoch kommt er im Leben einfach nicht weiter und scheint immer auf der Stelle stehen zu bleiben. Auch sein Bruder Alexander ist nicht wirklich glücklich, nach zahlreichen Affären verliebt er sich endlich, doch die Frau ist verheiratet, die Beziehung hat keine Zukunft und so steckt er fest in einem Stadium aus Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit. Obwohl die Geschichte also keinen stringenten Plot zu haben scheint, um den sich alles dreht, ist der Stil des Reinhard Kaiser-Mühlecker sehr flüssig und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Man muss sich auf die Figuren und ihre Situationen einlassen, um zu verstehen, dass sie vielleicht für sich gar nicht anders handeln können, als sie es tun. Auch wenn man als Leser manchmal das Gefühl hat, sie vorantreiben zu wollen, damit sie ihr Leben endlich sortieren. Alexander gelingt dies am Ende besser als Jakob oder seiner Schwester Luisa, doch an das angedeutete gute Ende mag man auch bei ihm nicht glauben. Zu viele dunkle Wolken scheinen über den Geschwistern zu hängen.
Mir hat „Fremde Seelen, dunkler Wald“ ausgesprochen gut gefallen, auch wenn mich die Lektüre teilweise ganz anders war, als ich erwartet hatte. Der Schreibstil des Autors hat mich von der ersten Seite an mitgenommen zu seinem Personal, das die ganze Geschichte dominiert. Für mich ein äußerst gelungener Roman.
Die Nijinskys leben für das Ballett: Wie
ihre Brüder Waslaw und Stassik lernt Bronia von klein auf, hart für das Ballett
zu arbeiten. Ihr Bruder Waslaw gilt als besonders talentiert und beide werden
an der kaiserlichen Ballettschule in Sankt Petersburg aufgenommen. Doch mit den
Jahren entwickeln sie sich auseinander, Waslaw verlässt das Theater in Sankt
Petersburg um mit den Mäzen Djagilew und den neu gegründeten Balletts Russes
auf Tour zu gehen. Er will das Ballett revolutionieren und reißt mit seiner
Begeisterung für alles Neue und Moderne seine jüngere Schwester mit. Ob dieser
Weg in einen Abgrund führen muss, soll sich erst Jahre später zeigen. Denn die
Welt des Balletts hält auch für einen Überflieger wie Waslaw Nijinsky nicht nur
Gutes bereit.
Die Geschichte von „Die Schwester desTänzers“ basiert auf der wahren Lebensgeschichte der Tänzer Waslaw und Bronia
Nijinsky, auch viele andere Personen, die auftreten, entsprechen ihren realen
Vorbildern. Zwischen die bekannten Tatsachen webt die Autorin Eva Stachniak ein
dichtes Netz aus Fiktion und detaillierten Charakterisierungen, die einen als
Leser von der ersten Seite an faszinieren. Mitreißend beschreibt sie eine Welt
aus Glamour und Ruhm, aber eben auch Kampf und Schmerz, Konkurrenz und Zukunftsangst.
Obwohl Waslaw der erfolgreichere und berühmtere der Nijinsky-Geschwister ist,
beschreibt sie die Geschichte aus der Perspektive von Bronia, die viel härter
arbeiten muss als ihr Bruder, der nicht alles zufliegt und die es trotzdem
schafft, sich nicht vom Neid vereinnahmen zu lassen und sondern ständig darum
kämpft, von ihrem Bruder zu lernen. Bronia ist eine außergewöhnlich starke
Persönlichkeit, die einem beim Lesen schnell ans Herz wächst.
Die fiktive Umsetzung des Lebens von
Bronia und Waslaw Nijinsky ist Eva Stachniak ausgesprochen gut gelungen, sie
verbindet einen historischen Roman mit einem entscheidenden Stück
Ballettgeschichte am Beispiel von zwei herausragenden Persönlichkeiten. Eine
sehr empfehlenswerte Lektüre.
Heikos Eltern sind geschieden, seine
Mutter ist abgehauen, sein Vater trinkt, hat eine neue thailändische Frau und
seine Schwester hat sich nach dem Schulabschluss schnell zum Studium aus dem Staub
gemacht, um nicht mehr in diesem Chaos leben zu müssen. Aber das ist nur ein Teil
von Heikos Welt. Die andere ist die im Box-Club seines Onkels, mit seinen
Freunden, ebenfalls Fans von Hannover 96 und wie er und sein Onkel aktiv in der
Hooligenszene. Sie organisieren Kämpfe gegen andere Gruppen und Heiko scheint
seine Welt eigentlich ok zu sein. Doch Stück für Stück bricht im Laufe der Zeit
und mit dem älter werden alles auseinander.
Philipp Winkler ist mit seinen
Debütroman „Hool“ ein faszinierendes Buch über eine sehr tragische Figur
gelungen. Heiko setzt alles auf seine Kumpels und die Fußballszene, doch um ihn
herum verändern sich alle, suchen neue Ansatzpunkte für ihr Leben und
entwickeln sich weiter. Heiko jedoch hält krampfhaft daran fest, dass sich
nicht ändern dürfe und wird immer einsamer in seiner Welt. All dies beschreibt
Winkler mit einer fast leichten und gut lesbaren Sprache. Hier gab es jedoch
für mich auch den einzigen Bruch, denn einerseits verwendet der Autor eine sehr
schöne und fast poetische Sprache, jedoch immer wieder unterbrochen von starker
Umgangssprache, die meiner Meinung nach nicht so recht zum gesamten Erscheinungsbild
des Romans passen will.
Alles in allem hat mir „Hool“ sehr
gut gefallen, besonders die Romanidee und die Charakterisierung der Hauptfigur
waren für mich sehr stimmig. Ein sehr guter Debütroman zu einem sehr spannenden
Thema.
Hier geht es zu weiteren Informationen vom Aufbau Verlag.
Ted Hughes und Sylvia Plath verbindet
eine der bekanntesten Liebes- geschichten der Literaturwelt und sie ist ähnlich
tragisch wie die von Scott und Zelda Fitzgerald. Was als große Liebe und mit
einer Hochzeit nach wenigen Monaten beginnt, entwickelt sich immer mehr zu
einem Gefängnis für Ted Hughes. Seine Frau treibt ihn mit ihrer Eifersucht,
ihren Depressionen und einer ständigen Verzweiflung am Leben immer weiter von
sich weg. Diesen langsamen Verfall kann auch die Geburt ihrer Kinder nicht
aufhalten und schon nach kurzen Jahren einer turbulenten Ehe nimmt Sylvia Plath
sich das Leben.
Connie Palmen hat mit „Du sagst es“
eine fiktive Erzählung aus der Sicht von Ted Hughes geschrieben, der nach dem
Tod seiner Frau von ihren Anhängerinnen und der feministischen Bewegung zum
Mörder und eiskalten Betrüger stilisiert wurde. Bei Connie Palmen darf jetzt
endlich Ted Hughes sprechen, der 1998 starb und sich bis dahin eigentlich nie
zu den Vorwürfen, er habe seine Frau durch sein Verhalten ihr gegenüber in den
Selbstmord getrieben, geäußert hatte.
Auf Grundlage seiner letzten
Veröffentlichung einige Jahre vor seinem Tod, die „Birthday Letters“, Gedichte
die er an und über seine Frau nach deren Tod geschrieben hatte, schreibt die
Autorin einen Roman, der an Emotion und Unmittelbarkeit kaum zu überbieten ist.
Als Leserin hatte ich das Gefühl, mit Ted und Sylvia dieses Leben ungefiltert
mit zu erleben. So nah nimmt sie einen mit, dass man vor dem inneren Auge
Sylvia Plath wie eine Furie durch das Haus toben sieht, wenn sie einem
Wutanfall die gesamte Arbeit ihres Mannes vernichtet. Aus jeder Zeile spürt man
seine Verzweiflung und Hilflosigkeit im Angesicht ihrer Überemotionalität und
sieht sich selbst als Zuschauer am Rande dieser Szenen stehen. Die Geschichte
von Sylvia Plath und Ted Hughes bewegt einen durch Connie Palmens Darstellung
bis ins Mark und sich von der Geschichte wieder zu lösen, ist schwer. Dabei ist
es egal, wieviel hier Dichtung und wieviel Wahrheit ist, denn Palmens
Darstellung der Geschichte ist auch ohne ihre prominenten Vorbilder als
großartiges Stück Literatur.
„Du sagst es“ von Connie Palmen ist
ein sehr emotionales und bewegendes Buch, das einen beim Lesen in das Leben von
Ted Hughes und Sylvia Plath einsaugt und einen nach der letzten Seite erst
wieder ausspuckt- gerädert von alle den Gefühlen, die man miterlebt hat und
hilflos angesichts von Teds Hilflosigkeit gegenüber Sylvia. Für mich ist dieser
Roman einfach großartig. Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen vom Diogenes Verlag.
Viele
Cocktailbücher sind eine simple Aneinanderreihung von Rezepten, also eher ein
Kochbuch für Cocktails als wirklich informativ und mit Hintergrundinformationen
aufbereitet. Von diesen Büchern hebt sich „Mixen. Das Cocktailbuch“ von Franz
Brandl positiv ab. Schwerpunkt des Buches sind nicht die Rezepte, sondern die
Erklärungen zu verschiedenen Spirituosen und Alkoholika. Sortiert nach
Grundzutat findet man hinter dem jeweiligen Hauptinhalt dann auch immer einige
Rezepte, sowohl Klassiker als auch mir bisher unbekannte Kreationen.
Mir gefällt das
Buch ausgesprochen gut, da es viele spannende Hintergrundinformationen liefert,
auch zu bekannten Marken. Seit wann gibt es eigentlich bestimmte Gin-Marken,
zum Beispiel den Beefeater, den zwar fast jeder schon mal im Supermarkt gesehen
hat, aber wer weiß schon was es mit dem Namen und der Geschichte auf sich hat?
Gleiches gibt es auch für verschiedenste Whiskeysorten und Marken und von
Champagner über Sekt und Prosecco bis hin zu „Nischenzutaten“ wie zum Beispiel
Pfefferminzlikör.
Meiner Meinung
nach eignet sich „Mixen“ von Franz Brandl ebenso super für alle, die mit dem
Cocktailmixen anfangen wollen wie für Fans, die zu den bekannten Rezepten
einfach mehr Informationen zu den Inhaltsstoffen wollen. Der Rezepteteil ist
sehr schlicht gehalten, aber die Anleitungen sind leicht verständlich und am
Ende des Buches findet sich sogar noch eine sehr schöne Übersicht zu
verschiedenen Gläsersorten und Tipps für Eigenkreationen. Ich kann dieses Buch
nur weiterempfehlen.
Nach dem Tod des
US-Außenministers auf einer Münchener Konferenz wird bei seiner Obduktion eine
seltsame Veränderung am Herzen festgestellt, die auf Bioterrorismus hindeutet.
Gleichzeitig wird in Afrika einer Art superresistenter Mais entdeckt, in Indien
hochgradig weiterentwickelte Ziegen. In den USA versuchen Helen und Greg schon
lange ein Kind zu bekommen. Als sie sich für künstliche Befruchtung
entscheiden, bekommen sie das Angebot, die genetischen Anlagen ihres Kindes zu
verbessern. Irgendjemand scheint weiter zu sein bei der Manipulation von Genen,
als bisher bekannt war, doch wer und wie hängst das alles zusammen? Jessica
Roberts leitet die Task Force, die den Mord am Außenminister aufklären soll und
muss das Puzzle langsam zusammensetzen.
Mit „Helix“ ist
Marc Elsberg ein herausragender und spannender Thriller gelungen, der sich
problemlos mit seinem Bestseller „Blackout“ messen kann. Obwohl das Thema sehr
kompliziert ist, schafft Elsberg es, dem Leser die Problematik der
Genmanipulation und Genforschung auf leichte Art nahezubringen und stellt
gleichzeitig die großen moralischen Fragen. Wenn man so weit ist, solche
bahnbrechenden Dinge entwickeln kann, wer soll dann Zugang dazu haben? Was ist
dann noch Gerechtigkeit und welche Menschen sind dann noch die „wahren“
Menschen, wenn es moderne und optimierte Kinder mit herausragenden Fähigkeiten
und schneller fortschreitender Entwicklung gibt? Was genau definiert denn
eigentlich ein Kind? Ist es nur das Alter in Jahren oder auch sein
Entwicklungsstand? All diese Fragen verpackt Elsberg in eine unfassbar
spannende und mitreißende Story mit Charakteren, die es einem nicht immer
einfach machen. Doch Elsberg lässt kein einfach Urteil zu, er macht es dem
Leser nicht leicht und teilt sein Personal in gut und schlecht ein. Die
Forscher macht er gerade nicht zu Frankenstein- Erschaffern, sondern lässt auch
ihre Perspektive sprechen und ihre Argumente für die geschafften Entwicklungen
ihren Raum haben.
Obwohl die
beschriebenen Entwicklungen für uns gerade noch wie Zukunftsmusik scheinen,
sind die damit verbundenen Fragen hochaktuell und nicht zu unterschätzen. Unser
Menschenbild könnte sich in der Zukunft dramatisch verändern und die Frage
bleibt, was wir als Grundlagen empfinden, auf denen unser Zusammenleben
basieren sollte. Schon heute haben wenige Produzenten die Kontrolle über einen
Großteil der Nahrungsmittelproduktion, wie die vergangene Übernahmedebatte von Monsanto durch Bayer gezeigt hat. Schafft die Weiterentwicklung von
Nahrungsmitteln mit Genmanipulation nun mehr Gerechtigkeit durch mehr Nahrung
oder mehr Ungerechtigkeit, indem nicht jeder Zugang zu weiterentwickeltem und
produktiverem Saatgut hat? All diese Fragen reißen das Problem zumindest an,
wenn sie es auch nicht allumfassend beschreiben können.
Marc Elsberg
schafft es, all diese Probleme realistisch zu beschreiben, ohne eine trockene
Abhandlung vorzulegen. Er hebt die Debatte auf eine fiktionale Ebene, die es
dem Leser leicht macht, die Problematik zu verstehen, ohne ihm vorgefertigte
moralische Lösungen zu präsentieren. Für mich war „Helix“ ein absolut
außergewöhnlicher Thriller, den ich nicht mehr aus der Hand legen konnte.