Barbara verlässt noch als kleines Kind mit ihren Polen, doch als ihre Eltern beide sterben wird sie zu Warenka und fängt als Näherin im Sankt Petersburger Winterpalast von Kaiserin Elisabeth an. Doch schnell bemerkt sie der Kanzler, wenn sie nachts durch die Gänge schleicht und lässt sie für sich spionieren. So kommt sie in den engsten Umkreis der Kaiserin, während Prinzessin Sophie von Anhalt- Zerbst nach Russland kommt, welche den Thronfolger und Großfürsten Peter heiraten soll, einen Neffen von Peter dem Großen. Sie versteht sich gut mit Sophie und versucht ihr zu helfen, mit der schwierigen, neuen Situation am Hofe Sankt Petersburgs zurecht zu kommen. Als Großfürstin Katharina soll sie möglichst schnell einen Thronfolger zur Welt bringen, doch ihr Mann schätzt sie nicht und geht ihr aus dem Weg. Gleichzeitig übt die Kaiserin willkürlich Macht in allen Lebensbereichen aus und macht auch Warenka das Leben schwer. Gemeinsam versuchen Warenka und Katharina sich gegen die Kaiserin und den Großfürsten Peter zu behaupten.
„Der Winterpalast“ zeichnet sich besonders durch die Erzählperspektive aus. Anstatt Katharina (die später bekannt wurde als Katharina die Große) ihre Geschichte erzählen zu lassen, erfährt der Leser alles durch den Blick der Spionin und Dienerin der Kaiserin Warenka. Was Warenka nicht weiß, kann der Leser auch nicht wissen, wodurch einem so manche Überraschung und auch Enttäuschung bevorsteht, denn nicht jeder Mensch ist, wie er auf den ersten Blick scheint. Und Warenka wird im Laufe der Zeit immer nachlässiger und unvorsichtiger. Dies wirft ihr auch der Kanzler vor, doch da hört sie schon lange nicht mehr auf ihren früheren Mentor. Sie glaubt sich unverletzlich als Vertraute der Großfürstin und hält sich für geschickt genug, die Kaiserin auszutricksen. Damit bringt sie sich zwar einerseits in große Gefahr, erhöht jedoch auch die Spannung für den Leser, der immer mehr hinterfragen muss, was die Spionin über die Vorgänge im Winterpalast erzählt. Was stimmt und wo hat sie sich täuschen lassen? Wie ehrlich ist Katharina wirklich, wie rücksichtslos und kalt die Kaiserin Elisabeth? Gleichzeitig erfährt der Leser viel über das Leben der verschiedenen Gesellschaftsschichten im Russland des 18. Jahrhunderts, denn Warenka hält sich bei den Dienstboten genauso auf wie bei den Soldaten und der kaiserlichen Familie selbst.
Eva Stachniak ist ein großartiger historischer Roman gelungen, der nicht nur die ersten Jahre von Katharina der Großen am russischen Hof beschreibt, sondern auch den zahlreichen Nebenpersonen eine überzeugende Stimme verleiht, ohne die Katharina vermutlich nie die geworden wäre, als die sie später in Erinnerung blieb.