Donnerstag, 26. September 2013

Kate Atkinson "Die Unvollendete"


Wie oft würde wir gerne die Zeit zurückdrehen und Dinge noch einmal ganz anders angehen. Ursula kann etwas sehr ähnliches, sie kriegt immer neue Chancen für ihr Leben, trifft an wichtigen Kreuzungen neue Entscheidungen, hält sich an andere Menschen und andere Orte und kann so viel Leid vermeiden. Dennoch zeigt ihr Beispiel, dass es das perfekte Leben nicht gibt, obwohl sie so viel neu beginnen kann, erlebt sie viel Schreckliches und lebt auch ständig mit einer unklaren Angst. Sie weiß, dass etwas schlimmes passieren wird, kann jedoch nicht erklären was und wann genau. 
Kate Atkinson ist mit „Die Unvollständige“ ein großartiger Roman gelungen, der nachdenklich stimmt und einen trotzdem mitreißt. Ursula lebt in turbulenten Zeiten während des Ersten und Zweite Weltkriegs und je nachdem welche sie Entscheidung sie trifft, ist sie entweder eine alleinstehende Frau im Londoner Bombenhagel oder lebt verheiratet mit Kind in Deutschland und gehört sogar zum Bekanntenkreis von Eva Braun und Adolf Hitler. Die kleinsten Rädchen, die sie umstellt, verändern ihr gesamtes Leben und auch Sterben. Die ganze Geschichte beschreibt die Autorin auf eine spannende Art und Weise, ohne dass einem das Gefühl vermittelt wird, in den Bereich Fantasy oder Science Fiction abzugleiten. Auch die Charakterstärke von Ursula variiert je nach Lebensentwurf und Situation, mal schwächlich zurückhaltend an anderen Stellen selbstbewusst und moralisch sehr geprägt, trifft sie Entscheidungen neu und rettet sich so ein ums andere Mal das Leben, ohne es wirklich zu wissen. Denn ihr ist diese Fähigkeit immer neu zu beginnen gar nicht wirklich bewusst wie es scheint, sie hat nur Ahnungen und verschwommene Instinkte, die von Dingen abraten. 
„Die Unvollständige“ ist ein großartiger Roman, der von Stil und Spannung sehr an „Die Frau des Zeitreisenden“ von Audrey Niffenegger erinnert. Diesen Vergleich muss die Autorin jedoch nicht scheuen, ist ihr Roman doch genauso großartig gelungen wie „Die Frau des Zeitreisenden“.

Dienstag, 17. September 2013

Arthur Conan Doyle "Das Tal des Grauen"


Eine Leiche liegt in der Bibliothek eines Herrenhauses, die Ehefrau des Opfers ist mit dem Nerven am Ende und der beste Freund bleibt überraschen ruhig angesichts des Mordes. Sherlock ermittelt in diesem Fall und findet schnell einige Ungereimtheiten, die die Identität  des Opfers in Frage stellen. Der Krimi "Das Tal des Grauen“ von Arthur Conan Doyle ist klar in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil ermittelt Sherlock mit seinem Assistenten Watson, im zweiten erzählt das vermeintliche Opfer die Geschichte seiner Vergangenheit. Bereits Jahre bevor er nach England kam, geschah etwas, das ihn zwang, eine neue Identität anzunehmen und neu anzufangen. 
Das Buch ist zwar gut zu lesen und Sherlocks Ermittlungsmethoden und seine Aufmerksamkeit sind interessant, die Spannung, die ein Krimi normalerweise auszeichnet, habe ich aber vermisst. Dies liegt nicht daran, dass moderne Ermittlungsmethoden noch nicht existierten, sondern schlichtweg an der Zweiteilung der Story. Der Kriminalfall ist schon nach wenigen Seiten gelöst, danach folgt zwar der Hintergrund, doch auch diesem fehlt stellenweise jegliche Spannung.
Ich war etwas enttäuscht von meinem ersten Sherlock Holmes Krimi. Gut geschrieben ist es dennoch und vielleicht braucht es einen weiteren Krimi von Arthur Conan Doyle, um mich von seinem Stil endgültig zu überzeugen. 

Montag, 16. September 2013

Germán Kratochwil "río puro"


Was kann sich der Autor nur dabei gedacht haben? Zwei alternde, dickliche Männer jagen durch Patagonien, bei dem einen (Franz Melan) ist der Grund dafür bis zur letzten Seite unklar, der andere (Leopold Kainzer) wird von des ersten Ehefrau geschickt, den wildgewordenen Mann wieder einzufangen, der mit den gesamten Ersparnissen durchzubrennen scheint.
 Die ganze Geschichte ist ein Armutszeugnis für die Männer und auch für alle Frauen, die sie umgeben und sich ihnen jederzeit bedingungslos hingeben, um sie danach entweder anzubeten oder sie der Vergewaltigung zu bezichtigen. Insgesamt scheint sich das Verhältnis von Mann und Frau in diesem Roman grundsätzlich auf zwei Dinge zu beschränken: Der Mann hat Sex mit der Frau oder die Frau macht den Haushalt beziehungsweise kocht. Auch die wissenschaftliche Assistentin des durchbrennenden Patagonientouristen ist lediglich dazu da, die Männer zu unterhalten und zu belustigen. 
All dies erzählt der Autor in einer derart plumpen und farblosen Sprache, dass die Geschichte an Belanglosigkeit kaum zu überbieten ist. Die anfangs entstehende Spannung durch die scheinbar grundlose Abreise Melans wird schon dadurch zunichte gemacht, dass es an keinem Punkt weitergeht, nie klarer wird, was die Motivation der Handelnden eigentlich ist. 
Was der Autor sich gedacht hat oder was auch die Absicht der Geschichte war, kann man also auch nach Abschluss der Lektüre nicht sagen. Man kann jedoch allen raten, dieses Buch nicht zu lesen und die Zeit sinnvoller zu nutzen. 

Mittwoch, 11. September 2013

Annie Sanders "Jetzt kann ich's dir ja sagen"


Was würden wir nicht alles gerne tun, wenn wir wüssten, dass uns die Folgen nicht treffen können? Dem Chef mal die Meinung sagen, der besten Freundin endlich sagen, dass ihr Mann ein Arsch ist oder seiner großen Liebe endlich die Gefühle gestehen? Als ein Guru Lucy voraussagt, dass sie in einer Woche sterben wird, krempelt sie ihr Leben um und tut alles, was sie sich nie getraut hätte. Doch ihr Todestag kommt, verstreicht und sie ist immer noch das blühende Leben. Was ihr bleibt ist das Chaos, das sie in einer Woche angerichtet hat, davon ausgehend, dass es sie nicht mehr betreffen würde. 
Mit „Jetzt kann ich‘s dir ja sagen“ ist der Autorin Annie Sanders ein locker-leichter Roman gelungen, der aber nicht so oberflächlich ist, wie er am Anfang scheint. Denn Lucy sagt nicht einfach allen Menschen die Meinung, sie überdenkt ihr Leben, fragt sich, was sie ändern würde, wenn sie es noch könnte und hat endlich den Mut, die kleinen und großen Dinge anzugehen, die sie sich sonst nie getraut hätte. Zum Beispiel eine Liebesbeziehung zu ihrem besten Freund aufzubauen und sich die Haare raspelkurz zu schneiden- beides äußerst einschneidende Veränderungen. Während sie mit den Haaren jedoch auch nach ihrem nicht stattfindenden Tod glücklich ist, scheint ihre Freundschaft zu Richard zerstört und nur schwer wieder zu kitten. Was will sie wirklich von ihm, nur Freundschaft oder doch mehr? Lucy muss sich plötzlich ganz neuen Fragen stellen, es geht nicht darum, was sie gerne einmal machen möchte, sondern wie sie damit lebt, es getan zu haben. 
Dieser Roman von Annie Sanders ist wieder einmal empfehlenswert für alle, die ein wenig abtauchen und sich in einer Geschichte verlieren wollen. Optimal, um den beginnenden Herbst bei einer Tasse Tee auf dem Sofa auszublenden.