Nio Schulz lebt
im Jahre 2055, in Australien werden Klimabomben gezündet, Kinder werden von
ukrainischen Leihmüttern ausgetragen und statt wirklich Sport zu machen, tragen
die Menschen Muskel-Silikon-Implantate. Schulz reist nach Wú Chéng in China, wo
er die neusten Entwicklungen seiner Firma an chinesische Partner verkaufen soll.
Doch plötzlich ist Nio Schulz vom Radar der zahlreichen überwachenden Techniken
verschwunden, die die Menschen mit sich herumtragen und niemand weiß, was
geschehen ist. Niemand außer Nio Schulz.
Das Jahr 2055,
das Eugen Ruge in seinem Roman „Follower“ beschreibt, scheint oberflächlich
sehr schräg für uns, bei genauerer Betrachtung kommt es einem jedoch schon fast
wie die Gegenwart vor. Technisch weit entfernt davon sind wir keinesfalls, Ruge
führt die Oberflächlichkeit und das Geltungsbedürfnis in der heutigen Zeit
einfach ad absurdum. Jeder lässt sich optisch manipulieren und operieren, wo es
nur geht. Alles was zählt ist das Kapital und die Macht darüber, so kann man
sogar seinen eigenen Tod wirtschaftlich verwerten und seine eigene Hinrichtung
verkaufen, um Geld für die Hinterbliebenen zu erhalten. In dieser Umgebung
bildet die Technik den Rahmen, der alle Menschen durch den Alltag leitet,
computergesteuerte Brillen und implantierte Sonden sorgen für eine ständige
Kommunikation. Suspekt ist, wer nicht oder wenig kommuniziert.
„Follower“ ist
in einem ganz eigenen Stil geschrieben, als ständige Aneinanderreihung von Aspekten
und Handlungen, die alle fast gleichwertig nebeneinander stehen. Die Hauptfigur
ist zwar eigentlich vollständig in ihrer Zeit gefestigt und hat bewusst zunächst
keine Probleme mit all der Kontrolle und Oberflächlichkeit, doch dann scheint
ihn der Tod seines Großvaters, zu dem es keinen Kontakt mehr gab und über den
er – wie er merkt- gar nichts weiß, völlig aus der Bahn zu werfen. Diese vollständige
Haltlosigkeit der Hauptfigur, ihre Orientierungslosigkeit wird durch Ruges Stil
direkt erfahrbar. Es gibt keine Distanz zu Schulz, als Leser erlebt man alles unmittelbar
mit. Abgegrenzt davon stehen die verschiedenen Ermittlungsprotokolle zu der
Suche nach dem verschwundenen Nio Schulz, die der Autor über den Roman
verstreut und die von einer unglaublichen Distanz des ganzen geschaffenen
Systems den darin lebenden Menschen gegenüber zeugen. Alles passt in Parameter
und was nicht hinein passt, wirkt auffällig und anders. Der Mensch ist nur noch
ein Zahlenmuster und ein Diagramm, das alles über ihn aussagt.
Eugen Ruges
Roman „Follower“ hat mich unglaublich fasziniert und begeistert. Man muss sich
schon auf die Geschichte einlassen und sich auch selbst fragen, was es
bedeutet, ein Leben wie Nio Schulz zu führen, was die Abgründe sind und wie man
sich selbst dabei verlieren kann. Ich kann jedem diesen Roman nur ans Herz
legen, Ruge führt uns in einem Roman, der eigentlich als Science Fiction
daherkommt, genau vor Augen, was eigentlich schon heute wichtige Themen sind.
Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Rowohl Verlags.
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