Donnerstag, 8. September 2016

Meg Rosoff "Wahrscheinlich Liebe"

Jonathan liebt seine Freundin Julie. Glaubt er. Also vielleicht. Und sein Job ist auch total cool. Wenn man von der Arbeit absieht. Und dem Chef. Also alles in allem befindet Jonathan sich in einer ziemlich unsicheren Phase seines Lebens, als er die zwei Hunde seines Bruders in Pflege nimmt, der beruflich für sechs Monate nach Dubai muss. Schnell stellt er fest, dass es mit Futter kaufen und gelegentlich Gassi gehen nicht getan ist. Dante und Sissy wollen Aufmerksamkeit und schnell entwickelt er einen ausufernden Beschützer-instinkt, wenn es um das Wohlbefinden der beiden geht. Bei den Hunden ist Jonathan endlich er selbst. Und als er mit Dante zum Tierarzt muss, lernt er eine Frau kennen, die gut zu ihm zu passen scheint. Doch da ist ja auch noch Julie, die er ja irgendwie vielleicht doch liebt. Jonathan muss also versuchen, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.
Was auf dem Klappentext wie eine simple Liebesgeschichte mit absehbarem Happy End klang, entpuppte sich für mich als wunderbarer Roman über einen jungen Mann, der sinnbildlich für eine ganze Generation gut ausgebildeter Menschen der Generation Praktikum seinen Sinn des Lebens sucht. Er muss feststellen, dass der Job in der einer Werbeagentur, von dem er immer geträumt hat, längst nicht so viel Glamour (und auch lange nicht so viel Geld) bietet, wie er immer dachte. Auch seine Freundin scheint von ihm und seinem Leben mehr erwartet zu haben, was einen immensen Druck auf ihn ausübt, den er nur durch die Hunde kompensieren kann. 
Dante und Sissy sind nicht einfach nur Hunde, sie sie ausgeprägte Persönlichkeiten mit Hintergedanken, Plänen und Hoffnungen. Die Beschreibung der beiden ist so kreativ und gleichzeitig witzig, dass ich beim Lesen schnell ein Bild der beiden hochintelligenten Tiere vor mir hatte. Eigentlich übernehmen sie in Jonathans Leben die Kontrolle und retten ihn so vielleicht vor der Katastrophe. Sie sind sein Fluchtpunkt, von dem ab sofort alles in seinem Leben ausgeht, nachdem sie sein Herz und seine Wohnung erobert haben. Man sollte sich Jonathan dennoch nicht als Freak vorstellen, er ist sehr liebenswürdig und sympathisch, nur ohne einen Platz im Leben. Man hat als Leser immer Lust, mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen, um ihn näher kennenzulernen.
Meg Rosoff ist mit „Wahrscheinlich Liebe“ ein witziger und auch wenig nachdenklicher Roman über den Zwang, irgendwann erwachsen zu werden, gelungen. Mich hat die Story wirklich positiv überrascht und ich kann das Buch nur weiterempfehlen.

Hier geht es zur Leseprobe im Goldmann Verlag. 


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